Chronischen Schmerzen: Implantat könnte vielen Menschen helfen
Neues Implantat lindert chronische Schmerzen – ohne Opioide, Batterien oder Kabel. Drahtlos, personalisiert und KI-gestützt.

Braucht es künftig weniger Tabletten oder Spritzen gegen chronische Schmerzen? Ein neues Implantat könnte es möglich machen.
Foto: Smarterpix / tashatuvango
Forschende der University of Southern California (USC) haben ein flexibles, drahtlos betriebenes Implantat entwickelt, das chronische Schmerzen gezielt lindert – ohne Medikamente. Das System nutzt Ultraschall zur Energieversorgung und KI zur automatischen Anpassung der Stimulation. Erste Tests mit Tiermodellen zeigen vielversprechende Ergebnisse. Die Technologie könnte Millionen Schmerzpatientinnen und -patienten helfen, langfristig auf Opioide zu verzichten.
Alternative zur Schmerzpille: Implantat mit Ultraschallantrieb
Chronische Schmerzen sind weit verbreitet – allein in den USA sind laut U.S. Pain Foundation rund 51,6 Millionen Menschen betroffen. Für etwa ein Drittel davon sind die Schmerzen so stark, dass sie das tägliche Leben erheblich einschränken. Häufig greifen Betroffene zu Opioiden – mit dem Risiko von Sucht, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen.
Forschende der USC haben nun ein System vorgestellt, das eine medikamentenfreie Alternative verspricht: ein drahtloses, flexibles Implantat zur personalisierten Schmerztherapie. Es kommt ohne Batterie und Kabel aus – und soll dennoch gezielt das Rückenmark stimulieren.
Implantat zur drahtlosen Schmerzlinderung – auf einen Blick
- Name: UIWI-Stimulator (Ultrasound-Induced Wireless Implant)
- Entwickelnde Institution: University of Southern California (USC) & UCLA
- Anwendungsbereich: Chronische Schmerzen ohne Medikamente lindern
- Energiequelle: Externer tragbarer Ultraschallsender
- Funktionsprinzip: Umwandlung von Ultraschall in elektrische Impulse (piezoelektrisch)
- Positionierung: Flexibel an der Wirbelsäule implantiert
- Besonderheit: Nutzung von KI zur Schmerzbewertung in Echtzeit
- Vorteile: Kein Batteriewechsel, keine invasiven Kabel, personalisierte Behandlung
- Status: Erfolgreich an Tiermodellen getestet
Rückenschmerzen behandeln – mit künstlicher Intelligenz
Das Implantat basiert auf einem piezoelektrischen Element, das Ultraschall in elektrische Impulse umwandelt. Diese Impulse blockieren Schmerzsignale auf dem Weg ins Gehirn. Die Energie liefert ein tragbarer Ultraschallsender von außen – ganz ohne invasive Eingriffe zur Batterieimplantation.
Gleichzeitig analysiert eine Software die Schmerzintensität in Echtzeit. Dafür misst das System die Aktivität des Gehirns, insbesondere EEG-Signale. Mithilfe eines neuronalen Netzwerks – konkret ResNet-18 – stuft es den Schmerz in drei Kategorien ein: leicht, mittel und stark. Die Stimulation passt sich automatisch an. So entsteht ein geschlossener Regelkreis, der auf Veränderungen im Schmerzempfinden direkt reagiert.
„Was dieses Gerät wirklich auszeichnet, ist seine drahtlose, intelligente und selbstanpassende Fähigkeit zur Schmerzbehandlung“, sagt Qifa Zhou, Leiter des Entwicklerteams an der USC.
Schmerzbehandlung ohne chirurgische Eingriffe
Ein wichtiger Vorteil des neuen Systems: Es kommt ohne klassische Implantatbatterien aus. Der Stimulator erhält seine Energie vollständig über Ultraschallwellen. Diese durchdringen das Gewebe ohne Operation und erreichen auch tief gelegene Strukturen wie das Rückenmark. Die piezoelektrische Komponente besteht aus Bleititanatzirkonat (PZT), einem gut untersuchten Material zur Energieumwandlung.
Das flexible Design des Geräts erlaubt es, die Komponente direkt an der Wirbelsäule zu platzieren – auch bei Bewegung bleibt der Kontakt erhalten. Anders als viele heutige Systeme muss das Implantat nicht fixiert oder regelmäßig gewartet werden. Das senkt nicht nur die Risiken, sondern auch die Kosten.
KI entscheidet über Impulsstärke
Das Besondere an der neuen Technologie ist ihre lernfähige Komponente. Während bestehende Stimulationssysteme meist nach einem starren Zeitplan arbeiten, reagiert das hier vorgestellte Modell auf die Schmerzsignale der Patient*innen.
„Durch die Nutzung der drahtlosen Ultraschallenergieübertragung und eines Closed-Loop-Feedbacksystems macht dieser UIWI-Stimulator sperrige implantierte Batterien überflüssig und ermöglicht eine präzise einstellbare Schmerzmodulation in Echtzeit“, erklärt Doktorand Yushun (Sean) Zeng.
Die dafür nötige Energieanpassung übernimmt der tragbare Ultraschallgeber. Dieser kann – abhängig vom gemessenen Schmerzlevel – die Sendeleistung so regulieren, dass der Stimulator genau die elektrische Intensität abgibt, die notwendig ist. Das erlaubt eine Behandlung, die sich an den Zustand der Patient*innen anpasst – statt sich an allgemeine Erfahrungswerte zu halten.
Validierung im Labor
Im Versuchslabor zeigte das System bereits Wirkung. In Tests mit Nagetieren konnten chronische Schmerzen erfolgreich gelindert werden – sowohl bei mechanischen Reizen (z. B. Nadelstiche) als auch bei Hitzereizen. In einem Verhaltenstest bevorzugten die Tiere jene Umgebung, in der das Implantat aktiv war – ein klares Zeichen für eine spürbare Schmerzlinderung.
Weitere Tests zeigten, dass das Gerät auch bei wechselnden Schmerzintensitäten stabil arbeitet. Das System blieb dabei nicht nur effizient, sondern konnte auch die richtige Impulsstärke in Echtzeit liefern.
Nächster Schritt: Noch kleinere Implantate
Langfristig wollen die Forschenden das Gerät weiter miniaturisieren. Denkbar ist laut Zhou eine Implantation per Spritze – etwa in einem ambulanten Eingriff. Auch der externe Ultraschallsender könnte künftig kleiner, kabellos und direkt als Hautpflaster nutzbar sein. So ließen sich Energiezufuhr und Bildgebung kombinieren.
Ein weiteres Ziel ist die Integration mit dem Smartphone. Über eine App könnten Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten selbst Feinjustierungen vornehmen, um die Behandlung weiter zu personalisieren.
„Aus klinischer Sicht ermöglicht die Integration einer auf Deep Learning basierenden Schmerzbewertung eine dynamische Interpretation und Reaktion auf schwankende Schmerzzustände“, so Doktorand Chen Gong, einer der Hauptautoren der Studie.
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