Im Dunkeln mit geschlossenen Augen sehen dank innovativer Kontaktlinse
Wie ein Nachtsichtgerät, nur ohne Strom: Eine innovative Infrarot-Kontaktlinse ermöglicht das Sehen im Dunkeln – mit geschlossenen Augen.

Kontaktlinsen mit Nanopartikeln lassen Infrarotlicht sichtbar werden – sogar bei geschlossenen Augen. Ohne Strom. Und potenziell für Farbenblinde hilfreich.
Foto: PantherMedia / AndreyPopov (YAYMicro)
Ein internationales Forschungsteam hat eine Kontaktlinse vorgestellt, die es Menschen erlaubt, Infrarotlicht wahrzunehmen. Dafür sind weder Batterien noch externe Energiequellen nötig. Die Technologie basiert auf Nanopartikeln, die Infrarotstrahlung in sichtbares Licht umwandeln. Das Ziel: eine tragbare, transparente Linse, die wie eine Art „Mini-Nachtsichtgerät“ direkt am Auge funktioniert – ohne zusätzliche Ausrüstung.
Die Kontaktlinse wurde im Fachjournal „Cell“ vorgestellt. Sie enthält flexible Polymere und eingebettete Nanostrukturen, die elektromagnetische Wellen im Bereich von 800 nm bis 1600 nm erfassen – also Wellenlängen knapp außerhalb des für den Menschen sichtbaren Lichtspektrums. Diese sogenannte „nahe Infrarotstrahlung“ ist sonst für das menschliche Auge unsichtbar.
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Sehen bei geschlossenen Augen
Eine Besonderheit der Linse: Sie funktioniert auch bei geschlossenen Augen. Denn nahes Infrarotlicht durchdringt das Augenlid besser als sichtbares Licht. Forschende berichten, dass Versuchspersonen mit geschlossenen Augen blinkende Infrarotsignale erkennen und deren Richtung bestimmen konnten. Die Technik kommt dabei ohne zusätzliche Lichtverstärker oder Kühlung aus.
„Wir konnten zeigen, dass Menschen mit den Linsen infrarotes Licht erkennen können, selbst wenn ihre Augen geschlossen sind“, sagt Studienleiter Tian Xue von der University of Science and Technology of China. Auch das Erkennen von morseähnlichen Lichtsignalen war möglich.
Tiere als Testträger
Vor den Versuchen an Menschen testete das Forschungsteam die Technologie an Mäusen. Die Tiere konnten mit der Kontaktlinse Infrarotlicht erkennen und mieden damit gezielt beleuchtete Bereiche. Ihre Pupillen reagierten auf infrarote Reize – ein Hinweis auf funktionierende Signalverarbeitung im Gehirn. MRT-Aufnahmen belegten eine Aktivierung der visuellen Hirnzentren unter Infrarotlicht.
Zuvor hatte dasselbe Team bereits gezeigt, dass Nanopartikel nach direkter Injektion in die Netzhaut Mäusen eine Infrarotsicht verleihen. Die Kontaktlinse stellt nun eine weniger invasive Weiterentwicklung dar.
Farbcodierte Wellenlängen
Die Nanopartikel in den Kontaktlinsen lassen sich gezielt auf bestimmte Infrarotwellenlängen anpassen. So kann das System unterschiedliche Wellenbereiche farblich codieren: Etwa wird Licht mit 808 nm grün dargestellt, 980 nm erscheinen blau und 1532 nm rot. Die Trägerin oder der Träger sieht somit nicht nur, ob Infrarotlicht vorhanden ist – sondern auch, aus welchem Wellenlängenbereich es stammt.
Diese Farbzuordnung könnte künftig auch Menschen mit Farbsehschwächen helfen. „Durch die Umwandlung von rotem sichtbarem Licht in etwas wie grünes sichtbares Licht könnte diese Technologie das Unsichtbare sichtbar machen“, erklärt Tian Xue. Das Prinzip wäre übertragbar auf weitere optische Phänomene und könnte so zur Entwicklung neuer Sehhilfen führen.
Bislang nur begrenzte räumliche Auflösung
Ein Nachteil der Linse: Sie bietet bislang nur eine begrenzte räumliche Auflösung. Das liegt daran, dass sich das Bild direkt auf der Netzhaut formt, wo es leicht gestreut wird. Um dieses Problem zu umgehen, entwickelte das Forschungsteam zusätzlich ein tragbares Brillensystem mit denselben Nanopartikeln. Dieses erlaubt eine deutlich bessere Detailerkennung und könnte perspektivisch als ergänzende Technik zur Kontaktlinse dienen.
Anwendungen in Sicht
Noch ist die Technologie auf Infrarotlichtquellen wie LED-Strahler angewiesen. Das Ziel der Forschenden ist es, die Empfindlichkeit der Nanopartikel zu erhöhen. So könnten künftig auch schwächere Infrarotquellen oder sogar Wärmestrahlung erfasst werden – etwa von Körpern oder Maschinen.
Der Anwendungsbereich ist vielfältig: Infrarotsignale lassen sich zur sicheren Kommunikation nutzen, etwa im Bereich von Verschlüsselung, Rettungseinsätzen oder Zugangskontrollen. Auch zur Erkennung von Bewegungen im Dunkeln könnte das System verwendet werden – etwa für Sicherheitspersonal oder im militärischen Kontext.
Langfristig denkbar sind laut Forschungsteam auch medizinische Anwendungen, etwa in der Diagnostik oder als visuelle Assistenztechnik für Menschen mit Seheinschränkungen.
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