Mit Bioprinting gegen Psoriasis und Neurodermitis
Weg von Tierversuchen: Forschende drucken Haut aus lebenden Zellen. Die Modelle helfen, Psoriasis und Neurodermitis realistischer zu erforschen.
Rund ein Viertel der Europäer ist von chronischen Hautkrankheiten betroffen. Der 3D-Druck könnte dabei helfen, geeignete Therapien dagegen zu entwickeln.
Foto: Smarterpix / Tharakorn
Chronisch entzündliche Hautkrankheiten betreffen viele Menschen. Rund 25 % der europäischen Bevölkerung leben mit Psoriasis, Neurodermitis oder Akne. Für die Medizin ist das ein doppeltes Problem. Zum einen sind die Krankheitsmechanismen komplex. Zum anderen stoßen klassische Forschungsmodelle an Grenzen. Tierversuche gelten als ethisch problematisch und liefern oft nur eingeschränkt übertragbare Ergebnisse. Tierische Haut unterscheidet sich in Aufbau und Immunreaktion deutlich von menschlicher Haut.
An der TU Wien verfolgt ein interdisziplinäres Team daher einen anderen Ansatz. Forschende entwickeln dort 3D-Druck-Verfahren, mit denen sich lebendes Hautgewebe aus menschlichen Zellen herstellen lässt. Diese Modelle sollen Krankheiten realistischer abbilden und neue Therapien besser testbar machen. Ein aktueller Übersichtsartikel fasst die Ergebnisse zusammen und zeigt, wie weit die Technik inzwischen ist.
Inhaltsverzeichnis
Warum klassische Hautmodelle nicht ausreichen
In der dermatologischen Forschung nutzt man seit Jahren künstliche Hautproben. Häufig werden Bindegewebezellen in Kollagen eingebettet und im Labor kultiviert. Das Problem: Die räumliche Struktur entsteht eher zufällig. Die Proben altern schnell, und wichtige Bestandteile fehlen.
„Man kann etwa Bindegewebezellen in eine Kollagen-Lösung einbetten und kultivieren. Dabei hat man aber kaum Kontrolle über die räumliche Struktur, die entstehende Zellschicht ist nicht besonders langlebig, und es ist kaum möglich, Immunzellen oder Blutgefäße in die Struktur zu integrieren, die bei chronischen Entzündungen eine entscheidende Rolle spielen“, sagt Prof. Georg Stary von der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien
Eine andere Methode setzt auf sogenannte Selbstorganisation. Zellen bilden dabei ihre eigene Stützstruktur. Das dauert Wochen und ist schwer reproduzierbar. „Das ist aber sehr langwierig und arbeitsintensiv, und man hat das Problem mangelnder Reproduzierbarkeit“, sagt Stary. „Die Proben entwickeln sich oft ganz unterschiedlich“.
Haut aus dem 3D-Drucker
Genau hier setzt der 3D-Druck an. Statt Zellen sich selbst zu überlassen, bauen Forschende das Gewebe gezielt auf. „Wir bauen aus lebenden Zellen, Biopolymeren und sorgfältig ausgewählten Materialien Schicht für Schicht ein dreidimensionales Gewebe auf“, erklärt Aleksandr Ovsianikov von der TU Wien.
Das Prinzip ähnelt einem Tintenstrahldrucker. Aus Zellen und einem Hydrogel entsteht eine zähflüssige Bio-Tinte. Diese wird tropfenweise abgelegt. So lassen sich einzelne Schichten exakt platzieren. Aufbau, Dicke und Zusammensetzung bleiben kontrollierbar.
Entscheidend ist die Wahl der Materialien. Hydrogels bilden eine Art künstliche extrazelluläre Matrix. Sie geben den Zellen Halt und beeinflussen ihr Verhalten. Je nach Krankheitsbild kommen unterschiedliche Bio-Tinten zum Einsatz. Das macht die Modelle anpassbar, aber auch technisch anspruchsvoll.

Mit 3D-Druck können Gewebeproben hergestellt werden, die Tierversuche ersetzen.
Foto: TU Wien
Modelle für Psoriasis, Neurodermitis und mehr
Mit dieser Methode entstanden an der TU Wien verschiedene Hautmodelle. Sie bilden typische Merkmale chronischer Entzündungen nach. Besonders wichtig ist dabei das Immunsystem. Viele Hautkrankheiten entstehen nicht allein durch veränderte Hautzellen, sondern durch fehlgeleitete Immunreaktionen.
„Wir haben psoriatische Modelle entwickelt, die T-Zellen enthalten – die Immunzellen, die bei Psoriasis eine chronische Entzündung auslösen“, sagt Andrea Gabriela Ulloa-Fernández von der TU Wien. In diesen Modellen lässt sich beobachten, wie Medikamente auf das Zusammenspiel von Haut- und Immunzellen wirken.
Auch Modelle für andere Entzündungen sind möglich. Entzündungshemmende Substanzen lassen sich testen, ohne auf Tierversuche zurückzugreifen. Sogar Blutgefäße können integriert werden. Das ist relevant für Erkrankungen wie Diabetes, bei denen Durchblutungsstörungen die Haut schädigen.
Mehr Kontrolle über komplexe Prozesse
Ein zentraler Vorteil des 3D-Drucks liegt in der Präzision. „Mit unserer Methode können wir gezielt definieren, welche Form die extrazelluläre Matrix haben soll, in der sich die Zellen anlagern und vermehren“, sagt Ulloa-Fernández . Damit steigt die Vergleichbarkeit der Experimente. Ergebnisse lassen sich besser reproduzieren.
Gleichzeitig bleiben die Modelle vereinfachte Abbilder. Sie ersetzen keine klinischen Studien. Aber sie schließen eine Lücke zwischen Zellkultur und Mensch. Gerade für frühe Testphasen könnten sie viel Zeit und Kosten sparen.
Ein Schritt weg vom Tierversuch
Der Ansatz passt auch zu regulatorischen Entwicklungen. In Europa gelten strenge Vorgaben zur Reduktion von Tierversuchen. Für Kosmetika sind sie bereits verboten. In der medizinischen Forschung wächst der Druck, Alternativen zu entwickeln. 3D-gedruckte Hautmodelle erfüllen viele dieser Anforderungen. Sie basieren auf menschlichen Zellen und lassen sich standardisieren.
„Wir hoffen, mit unseren künstlichen Hautmodellen die Forschung an einer breiten Palette von Hautkrankheiten nun einen entscheidenden Schritt voranzubringen“, sagt Ulloa-Fernández. Der Weg in die klinische Anwendung ist noch lang. Doch die Technik zeigt, dass Ingenieurwissenschaften und Medizin hier eng zusammenwachsen.
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