Bioprinting zum Schlucken: Die erste Pille, die Gewebe im Körper druckt
EPFL-Forschende entwickeln eine Pille, die Gewebe im Körper drucken kann. Magnetisch gesteuert, laseraktiviert – und ganz ohne Operation.
Heilung aus dem Inneren: Die winzige Kapsel MEDS druckt lebende Bio-Tinte direkt auf verletztes Gewebe im Magen-Darm-Trakt – ganz ohne Operation.
Foto: 2025 LAFT EPFL CC BY-SA 4.0 (Deutsch)
Wenn Ärztinnen und Ärzte heute ein Magengeschwür behandeln, bleibt oft nur der chirurgische Eingriff. Das ist aufwendig, mit Risiken verbunden – und manchmal keine dauerhafte Lösung. Doch an der EPFL in Lausanne hat ein Forschungsteam nun etwas entwickelt, das klingt, als stamme es aus einem Science-Fiction-Film: eine Pille, die Gewebe im Körper drucken kann. Das Gerät heißt MEDS – kurz für Magnetic Endoluminal Deposition System – und könnte in Zukunft helfen, Wunden im Verdauungstrakt zu reparieren, ohne dass eine Operation nötig ist.
Inhaltsverzeichnis
Drucker im Miniaturformat
Die Grundidee ist schnell erklärt: Statt durch einen Schnitt Gewebe freizulegen, bringt man den Drucker dorthin, wo er gebraucht wird – einfach durch Schlucken. MEDS ist etwa so groß wie eine Vitaminpille und funktioniert ähnlich wie ein winziger Kugelschreiber. Drinnen steckt ein kleiner Vorrat an sogenannter Bio-Tinte, einer gelartigen Substanz aus biokompatiblen Polymeren. Diese „Tinte“ kann lebende Zellen, Nährstoffe oder Medikamente enthalten. Sie wird durch einen winzigen Federmechanismus freigesetzt, sobald das Gerät aktiviert wird.
Aktiviert wird es nicht elektrisch, sondern durch einen Infrarot-Laser, der von außen auf den Körper gerichtet wird. Das Laserlicht durchdringt die Haut und löst im Inneren der Kapsel den Druckmechanismus aus. So wird das Bio-Gel genau an der Stelle freigesetzt, an der das Gewebe geschädigt ist.
„Durch die Kombination der Prinzipien von In-situ-Bioprintern mit den Konzepten der Wirkstofffreisetzung von intelligenten Kapseln können wir uns eine neue Klasse von Geräten vorstellen: einen pillengroßen, schluckbaren Bioprinter“, erklärt Laborleiter Vivek Subramanian von der EPFL.
Präzise Steuerung per Magnetfeld
Damit die Kapsel den richtigen Ort im Körper findet, wird sie mit Magneten gesteuert. Ein externer Magnet, der an einem Roboterarm befestigt ist, führt die Pille wie ein Joystick durch den Magen-Darm-Trakt. Forschende sprechen von einem „kabellosen Eingriff“ – denn MEDS braucht keine Verbindung zu einem äußeren Gerät.
Das Konzept ist nicht völlig neu: Schon heute gibt es „intelligente Kapseln“, die Medikamente gezielt abgeben. Doch sie schwimmen eher passiv durch Flüssigkeiten. Sobald sie auf Gewebe treffen, verlieren sie oft ihre Kontrolle. Das Bioprinting dagegen erfordert direkten Kontakt, um Material präzise aufzutragen. Genau das gelingt MEDS – und macht die Technologie so interessant.
Erfolgreich im Labor
In ersten Versuchen testete das EPFL-Team den Bioprinter auf künstlichem Magengewebe. Dort konnte MEDS Gewebeschäden verschiedener Größe „überdrucken“ – also eine Art Schutzschicht aus Bio-Tinte auftragen. Sogar eine simulierte Blutung ließ sich so stoppen.
Auch Tierversuche mit Kaninchen verliefen erfolgreich. Die Forschenden konnten mithilfe von Röntgenaufnahmen nachweisen, dass sich die Pille sicher navigieren und ihre Bio-Tinte gezielt freisetzen ließ. Danach wurde sie mithilfe eines Magneten wieder aus dem Körper entfernt – ganz ohne Operation.
„In unseren kontrollierten Laborexperimenten behielt unsere mit Zellen beladene Bio-Tinte über 16 Tage lang ihre strukturelle Integrität“, sagt Sanjay Manoharan, Doktorand an der EPFL. Das Material könnte also als „Mikrobioreaktor“ dienen, der Wachstumsfaktoren freisetzt und neue Zellen anzieht, um Wunden zu schließen.
Wie Biotinte Wunden heilen kann
Die sogenannte Bio-Tinte ist das Herzstück des Bioprintings. Sie besteht meist aus natürlichen Polymeren – häufig aus Algen gewonnen – und ist so formuliert, dass sie lebende Zellen schützt und gleichzeitig ein Gerüst für neues Gewebe bildet. Diese „Gerüststrukturen“ können individuell angepasst werden, etwa um Muskel-, Schleimhaut- oder Gefäßzellen aufzunehmen.
Bei Kontakt mit der Körpertemperatur verfestigt sich das Gel leicht. Dadurch bleibt es dort haften, wo es gebraucht wird – etwa an einem Magengeschwür. Das ermöglicht Heilung, ohne dass Ärztinnen oder Ärzte direkt eingreifen müssen.
Blick in die Zukunft
Noch steht die Technologie am Anfang. Bevor MEDS beim Menschen eingesetzt werden kann, sind weitere Tests nötig – etwa zur Langzeitwirkung der Bio-Tinten und zur Sicherheit des Laserauslösers. Doch das Konzept könnte den Grundstein für eine neue Generation von minimalinvasiven Therapien legen.
Subramanian und sein Team wollen als Nächstes prüfen, ob sich auch Blutgefäße und das Bauchfell (Peritoneum) mit dieser Methode behandeln lassen. Denkbar wäre, dass künftig auch beschädigte Organe oder innere Blutungen so repariert werden könnten – ganz ohne Skalpell.
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