Krankheitswelle 31.12.2025, 09:10 Uhr

Adenovirus: Wie groß ist die Gefahr durch den Erreger wirklich?

Ist das Adenovirus eine neue Gefahr? Wir analysieren aktuelle RKI-Daten, die Widerstandsfähigkeit der Viren und den Unterschied zur Grippewelle.

kranke Frau

Aktuelle Medienberichte warnen vor einer massiven Krankheitswelle durch Adenoviren. Was ist dran, was sind die Symptome und wie kann man sich schützen?

Foto: Smarterpix / Tharakorn

In den vergangenen Wochen dominierten beunruhigende Schlagzeilen die Berichterstattung über die gesundheitliche Lage in Europa. Besonders aus Großbritannien drangen Meldungen über ein „mysteriöses Virus“ nach Deutschland, das angeblich „tausende Menschen“ lahmlege.

In sozialen Netzwerken und Online-Foren suchen verunsicherte Personen vermehrt nach Antworten, wenn klassische Grippemittel nicht anschlagen. Doch wer die aktuelle Situation sachlich betrachtet, erkennt ein differenziertes Bild zwischen medialer Aufregung und virologischen Fakten.

Die Situation in Großbritannien

Die aktuelle Sorge hat ihren Ursprung in Großbritannien. Dort warnten verschiedene Medien bereits kurz vor Weihnachten 2025 vor einer neuen Welle. Verschiedene Berichte suggerierten eine außergewöhnliche Zunahme der Infektionen.

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Schaut man sich jedoch die Daten der britischen Gesundheitsbehörden genauer an, ergibt sich ein Widerspruch. Die Zahlen zeigen keinen sprunghaften Anstieg der Adenovirus-Fälle. Tatsächlich liegen die registrierten Infektionen in Großbritannien in den letzten Monaten sogar unter dem Durchschnitt der Vorjahre.

Die angespannte Lage im britischen Gesundheitssystem NHS hat andere Gründe. Der staatliche Gesundheitsdienst sprach Anfang Dezember angesichts steigender Krankenhauseinweisungen von einem „worst-case-scenario“. Diese Aussage bezog sich primär auf die starke Zirkulation von Influenzaviren und dem Norovirus. Dennoch vermischten viele Medienberichte diese Warnungen und bezogen sie fälschlicherweise auf das Adenovirus.

So sieht es in Deutschland aus

In Deutschland zeigt sich eine andere statistische Kurve. Laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt die gemeldete Fallrate hierzulande aktuell sogar über den britischen Werten. In der Kalenderwoche 50 des Jahres 2025 waren etwa 4 % der eingesandten Proben positiv auf das Adenovirus getestet. Mittlerweile schwanken diese Werte je nach Region zwischen 4 % und 9 %.

Dennoch betont das RKI, dass die Influenza derzeit klar im Vordergrund steht. Es lässt sich festhalten: In Deutschland „dominiert die Grippe die erste Geige“, während Adenoviren einen stabilen, aber kleineren Anteil am Infektionsgeschehen halten.

Ein Erreger mit technischer Finesse

Aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht ist das Adenovirus aufgrund seiner Struktur interessant. Im Gegensatz zu Coronaviren oder Influenzaviren besitzen Adenoviren keine Lipidhülle. Diese fehlende Hülle macht sie extrem widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse. Sie überleben über lange Zeiträume auf Oberflächen wie Türklinken, Haltegriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Lichtschaltern.

Diese Robustheit stellt die Hygiene vor große Herausforderungen. Viele herkömmliche Desinfektionsmittel, die auf der Zerstörung von Fetthüllen basieren, wirken bei Adenoviren nicht zuverlässig. Das Virus ist chemisch und physikalisch stabil. Es trotzt Temperaturschwankungen und einem breiten pH-Wert-Spektrum.

Diese biologische Architektur führt dazu, dass das Virus oft über Schmierinfektionen übertragen wird. Eine infizierte Person berührt beispielsweise ihr Auge und gibt anschließend anderen Menschen die Hand. Die klassische Tröpfcheninfektion über die Luft spielt eine geringere Rolle als bei der Grippe.

Symptomatik und Krankheitsverlauf

Eine Infektion mit Adenoviren unterscheidet sich in einigen Punkten deutlich von einer typischen Erkältung. Ein markantes Merkmal ist die Dauer der Erkrankung. Während ein grippaler Infekt oft nach einer Woche abklingt, können Symptome einer Adenovirus-Infektion bis zu zwei Wochen anhalten. Forschende beobachten zudem oft einen Befall mehrerer Organsysteme.

Neben Husten, starken Halsschmerzen und Fieber löst das Virus häufig eine Bindehautentzündung aus. Die Augen röten sich, schwellen an und tränen stark. Oft kommt ein ausgeprägtes Fremdkörpergefühl hinzu. Zusätzlich kann der Magen-Darm-Trakt reagieren. Betroffene leiden dann unter Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall.

In schweren Fällen sind auch Entzündungen der Leber oder des Gehirns möglich, wobei dies bei gesunden Erwachsenen sehr selten vorkommt. Meist verläuft die Erkrankung ohne bleibende Schäden, aber sie ist für die Betroffenen sehr belastend.

Datenanalyse: Adenoviren im Vergleich

Um die aktuelle Lage einzuordnen, hilft ein Vergleich der verschiedenen Erreger, die in der Saison 2025 zirkulieren. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Rolle des Adenovirus im aktuellen Infektionsgeschehen:

Merkmal Adenovirus Influenza (Grippe) Rhinoviren / Corona
Anteil an Infekten (DE) ca. 4 % bis 9 % Hoch (Dominant) Moderat bis hoch
Hauptübertragungsweg Schmierinfektion Tröpfcheninfektion Tröpfcheninfektion
Resistenz gegen Umwelt Sehr hoch (unbehüllt) Geringer (umhüllt) Unterschiedlich
Typisches Symptom Bindehautentzündung Hohes Fieber, Gliederschmerzen Schnupfen, Husten
Impfung verfügbar? Nein (für breite Masse) Ja Ja

Prävention und Schutzmaßnahmen im Alltag

Da es für die breite Bevölkerung keine Impfung gegen Adenoviren gibt, steht die Basishygiene im Mittelpunkt. Das regelmäßige Waschen der Hände mit Seife ist die effektivste Methode, um die stabilen Viruspartikel mechanisch zu entfernen. Da das Virus lange auf Gegenständen überlebt, sollten Sie in Zeiten erhöhter Fallzahlen besonders auf die Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantinen oder Großraumbüros achten.

Forschende raten zudem dazu, Handtücher oder Waschlappen nicht mit anderen Personen zu teilen. Einmal infiziert, helfen keine spezifischen antiviralen Medikamente. Die Behandlung konzentriert sich darauf, die Symptome zu lindern. Das bedeutet: Ruhe, Flüssigkeitszufuhr und gegebenenfalls fiebersenkende Mittel. Wenn Sie Symptome einer Bindehautentzündung bemerken, sollten Sie den Kontakt der Hände zu den Augen strikt vermeiden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern.

Checkliste: Infektionsschutz gegen Adenoviren im Betrieb

In technischen Betrieben, in denen viele Menschen gemeinsam an Maschinen arbeiten oder Werkzeuge teilen, verbreiten sich Adenoviren schnell. Da diese Erreger keine schützende Fetthülle besitzen, überleben sie auf Metall- und Kunststoffoberflächen deutlich länger als Grippeviren.

  1. Auswahl der richtigen Desinfektionsmittel

Standard-Desinfektionsmittel für die Hände wirken oft nur „begrenzt viruzid“. Das reicht gegen Adenoviren nicht aus. Überprüfen Sie die Bestände in Ihren Spendern. Verwenden Sie ausschließlich Mittel mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“. Nur diese Produkte inaktivieren unbehüllte Viren wie Adenoviren zuverlässig. Informieren Sie Ihre Mitarbeitenden über diesen wichtigen Unterschied.

  1. Reinigung von Bedienpanels und Werkzeugen

In der Produktion berühren viele Beschäftigte dieselben Schnittstellen. Reinigen Sie Tastaturen, Touchscreens und Steuerungseinheiten von Maschinen regelmäßig. Da Adenoviren mechanisch sehr stabil sind, ist das feuchte Abwischen mit einem geeigneten Reinigungsmittel wirksamer als ein kurzes Besprühen. Stellen Sie sicher, dass Reinigungskräfte für diese Kontaktflächen sensibilisiert sind.

  1. Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA)

In vielen Betrieben nutzen Mitarbeitende teilweise gemeinsames Equipment wie Schutzbrillen oder Helme. Adenoviren lösen häufig Bindehautentzündungen aus. Die Erreger gelangen über die Hände leicht an die Innenseiten von Visieren oder Brillen. Unterbinden Sie das Teilen von PSA strikt. Jede Person sollte eine eigene Ausrüstung nutzen. Ist das technisch nicht möglich, ist eine Desinfektion mit viruziden Mitteln nach jedem Gebrauch notwendig.

  1. Hygiene in Sanitärräumen und Kantinen

Tauschen Sie Gemeinschaftshandtücher gegen Einmal-Papiertücher aus. Adenoviren halten sich in feuchten Textilien über Tage aktiv. Achten Sie in der Kantine darauf, dass Besteck und Tabletts bei mindestens 60 °C gespült werden. Diese Temperatur zerstört die Struktur der Viren sicher.

  1. Lüftungskonzepte in Werkshallen und Büros

Auch wenn die Schmierinfektion dominiert, senkt ein guter Luftaustausch das allgemeine Infektionsrisiko. Überprüfen Sie die Wartungsintervalle Ihrer RLT-Anlagen (Raumlufttechnische Anlagen). Stellen Sie sicher, dass der Anteil an Außenluft so hoch wie möglich ist. In Büros hilft regelmäßiges Stoßlüften, die Viruslast in der Raumluft gering zu halten.

  1. Verhalten bei ersten Symptomen

Weisen Sie die Belegschaft darauf hin, bei geröteten Augen oder anhaltendem Husten frühzeitig zu Hause zu bleiben. Da die Inkubationszeit bei Adenoviren bis zu 12 Tage betragen kann, verbreitet sich das Virus oft unbemerkt. Kurze Kommunikationswege zwischen Personalabteilung und Produktion helfen, Infektionsketten schnell zu unterbrechen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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