50-Cent-Sensor erkennt Krebs und HIV – auch ohne Labor
Sensor für 50 Cent: Forschende entwickeln einfachen Test zur Diagnose von Krebs, HIV und anderen Krankheiten – auch für zuhause.

Die in Ariel Fursts Labor entwickelten elektrochemischen Sensoren bestehen aus DNA, die an einer kostengünstigen Goldblattelektrode haftet, die auf eine Kunststofffolie laminiert ist. Damit ist es möglich, Krankheiten wie Krebs oder HIV ohne Labor zu erkennen.
Foto: Courtesy of the researchers; edited by MIT News. Creative Commons Lizenz (BY-NC-ND 3.0)
Forschende des MIT haben einen elektrochemischen Sensor entwickelt, der mithilfe von DNA und einem Enzym genetische Spuren von Krankheiten wie Krebs oder HIV erkennen kann – für nur 50 Cent pro Stück. Eine Polymerbeschichtung verlängert jetzt die Haltbarkeit der Sensoren auf bis zu zwei Monate, sogar bei hohen Temperaturen. Ziel ist es, einfache und kostengünstige Diagnostik in Arztpraxen, aber auch für den Hausgebrauch zu ermöglichen – besonders in Regionen mit eingeschränkter medizinischer Versorgung.
Inhaltsverzeichnis
Neue Ansätze in der Diagnostik
Ein Sensor, der nur 50 Cent kostet und genetische Spuren von Krankheiten erkennen kann – was nach Zukunftsmusik klingt, könnte bald Realität werden. Entwickelt wurde der Test am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das Ziel: Einwegdiagnostik, die nicht nur günstig, sondern auch robust und einfach zu handhaben ist – etwa für den Einsatz in Entwicklungsländern oder sogar zu Hause.
Die Basis des Sensors ist eine mit DNA beschichtete Elektrode. Wird ein bestimmtes Krankheitsgen erkannt, verändert sich das elektrische Signal – ein Prinzip, das auch bei handelsüblichen Blutzuckermessgeräten genutzt wird. Doch im Gegensatz zu herkömmlichen Schnelltests setzt der MIT-Sensor auf eine deutlich präzisere Erkennung auf genetischer Ebene.
Das Prinzip: CRISPR trifft auf Elektrochemie
Im Inneren des Sensors arbeitet ein Enzym namens Cas12. Dieses stammt aus dem bekannten CRISPR-System, das ursprünglich zur Genbearbeitung entwickelt wurde. Im diagnostischen Einsatz nutzt Cas12 jedoch eine andere Eigenschaft: Wird eine bestimmte Gensequenz erkannt, beginnt das Enzym, DNA in seiner Umgebung unspezifisch zu zerschneiden. Dieser Prozess verändert das elektrische Signal auf der Elektrode – ein klar messbares Ergebnis.
Die DNA, die die Elektrode umhüllt, ist über ein sogenanntes Thiol (ein schwefelhaltiges Molekül) fest mit der Goldoberfläche verbunden. Ein Leit-RNA-Strang sorgt dafür, dass das Enzym gezielt nur dann aktiviert wird, wenn das gesuchte Gen – etwa ein HIV-Marker oder ein Tumorgen – vorhanden ist.
„Wenn Cas12 aktiviert ist, ist es wie ein Rasenmäher, der die gesamte DNA auf Ihrer Elektrode abschneidet und damit Ihr Signal ausschaltet“, erklärt Ariel Furst, Professorin für Chemieingenieurwesen am MIT.
Haltbarkeit als entscheidender Faktor
Bisher hatten solche Sensoren einen entscheidenden Nachteil: Die empfindliche DNA zersetzte sich schnell. Eine Lagerung war nur unter streng kontrollierten Bedingungen möglich. Damit war der Einsatz in abgelegenen Regionen oder im Alltag kaum praktikabel.
Die Lösung liefert nun eine Polymerbeschichtung. Forschende haben die DNA mit Polyvinylalkohol (PVA) überzogen – ein günstiges, weit verbreitetes Polymer. Diese Schutzschicht wirkt wie eine Plane, die UV-Licht, Sauerstoff und andere Schadstoffe fernhält. Sobald das Polymer getrocknet ist, bildet es einen dichten Film. Die Sensoren sind so bis zu zwei Monate lang haltbar – selbst bei Temperaturen bis zu 65 °C.
„Sobald es getrocknet ist, scheint es eine sehr starke Barriere gegen die wichtigsten Faktoren zu bilden, die die DNA schädigen können“, so Furst. Die Polymerbeschichtung kostet weniger als einen Cent pro Sensor.
Test im Labor – und bald in der Praxis?
In der aktuellen Studie zeigten die Forschenden, dass der Sensor das Prostatakrebs-Gen PCA3 zuverlässig nachweisen kann – selbst nach zweimonatiger Lagerung bei hohen Temperaturen. Der Nachweis erfolgte über Urinproben, könnte aber auch mit Speichel oder Nasenabstrichen durchgeführt werden.
Die Vision: Ein Schnelltest, der in der Hausarztpraxis oder sogar direkt zu Hause eingesetzt werden kann – ganz ohne Labor, Kühlschrank oder Fachpersonal. Denkbar sind Anwendungsfelder in der Früherkennung von HIV, HPV, Influenza oder neuen Infektionskrankheiten.
„Die Menschen müssten nicht einmal in eine Klinik gehen, um ihn zu verwenden. Man könnte ihn zu Hause benutzen“, sagt Furst. Gerade in Regionen mit eingeschränkter Gesundheitsversorgung könnte dies ein großer Schritt sein.
Diagnose für 50 Cent – das kann der DNA-Sensor:
- Erkennt genetische Marker von Krankheiten wie HIV, HPV oder Krebs
- Nutzt ein CRISPR-Enzym (Cas12), das DNA zerschneidet und damit ein elektrisches Signal verändert
- Funktioniert mit Urin-, Speichel- oder Nasenabstrichproben
- Durch Polymerbeschichtung bis zu zwei Monate haltbar – auch ohne Kühlung
- Materialkosten: rund 50 Cent pro Sensor
- Einsatz denkbar in Hausarztpraxis, Klinik oder direkt zu Hause
Start-up soll den Sensor marktreif machen
Derzeit arbeiten Mitglieder von Fursts Team an der Weiterentwicklung des Sensors im Rahmen des MIT-Programms delta v, einem Förderprogramm für technologieorientierte Start-ups. Das Ziel: Den Sensor marktreif machen und die Produktion skalieren.
Ein Vorteil dabei ist die einfache Herstellung: Die Elektroden bestehen aus günstiger Goldfolie, die auf eine Kunststoffunterlage laminiert wird. Die Funktionsweise ähnelt dabei stark der von etablierten Geräten – etwa Blutzuckermessgeräten. Das senkt nicht nur die Produktionskosten, sondern erleichtert auch die Akzeptanz bei medizinischem Fachpersonal.
Potenzial für globale Diagnostik
Dass Diagnostik bezahlbar bleiben muss, liegt auf der Hand – besonders in Ländern mit eingeschränktem Zugang zu medizinischer Infrastruktur. Hier könnte der MIT-Sensor helfen, frühzeitig Krankheiten zu erkennen, Behandlung zu starten und damit Leben zu retten.
Zugleich bietet der Ansatz ein spannendes Beispiel dafür, wie CRISPR nicht nur für Genveränderungen, sondern auch für Diagnostik nutzbar gemacht wird – einfach, präzise und skalierbar. Tests für neue Erreger könnten vergleichsweise schnell angepasst und lokal eingesetzt werden.
„Unser Ziel ist es, weiterhin Tests mit Patientenproben gegen verschiedene Krankheiten in realen Umgebungen durchzuführen“, sagt Furst. Dank der neuen Stabilität der Sensoren könnten diese nun weltweit verschickt werden – ganz ohne Kühlkette.
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