Maschinenbau-Doktorand digitalisiert Restaurierung: KI-Maske statt Pinsel
KI bringt beschädigte Gemälde zurück – mit einer Maske, die sich wieder entfernen lässt. Kein Pinsel, keine Farbe, kein Risiko. Und das alles in Rekordzeit.

Scans des Gemäldes in verschiedenen Phasen der Restaurierung. Links ist das beschädigte Werk zu sehen, in der Mitte eine Karte der verschiedenen Arten von Schäden; grüne Linien zeigen vollständige Risse in der darunterliegenden Platte, dünne rote Linien stellen größere Farbrisse dar, blaue Bereiche entsprechen größeren Farbverlusten, während rosa Bereiche kleinere Mängel wie Kratzer zeigen. Rechts ist das restaurierte Gemälde mit der aufgebrachten Laminatmaske zu sehen.
Foto: MIT / Mit freundlicher Genehmigung der Forscher Creative Commons BY-NC-ND 3.0 Lizenz
Ein beschädigtes Ölgemälde, das 600 Jahre überlebt hat, aber kaum noch sichtbar ist – bisher ein Fall für geduldige Handarbeit. Restauratorinnen und Restauratoren analysieren Farbschichten, füllen Risse auf, korrigieren Verblassungen. Doch ein neues Verfahren bringt frischen Wind in die Konservierungswissenschaft. Entwickelt wurde es von Alex Kachkine, Maschinenbau-Doktorand am MIT. Sein Ansatz kombiniert maschinelles Lernen mit einem präzisen, reversiblen Maskendruck, der ohne Übermalung auskommt.
Inhaltsverzeichnis
Der digitale Weg zur Restaurierung
Kachkines Methode basiert auf einem dreistufigen Prozess. Zunächst wird das Originalwerk mit hochauflösenden Scannern digitalisiert. Eine KI analysiert das Bild und berechnet, wie das Gemälde im ursprünglichen Zustand ausgesehen haben könnte. Die Besonderheit: Die KI berücksichtigt nicht nur Bildlücken, sondern auch historische Malstile und Farbpaletten.
In einem zweiten Schritt generiert eine spezielle Software eine sogenannte Restaurierungsmaske – ein präzises Farb- und Formmuster auf Basis der analysierten Fehlstellen. Diese wird anschließend auf eine dünne, zweilagige Polymerfolie gedruckt. Die Folie lässt sich exakt auf das Originalbild auflegen und bei Bedarf rückstandslos entfernen.
„Da digital gespeichert ist, welche Maske verwendet wurde, wird jemand, der in 100 Jahren daran arbeitet, genau wissen, was mit dem Gemälde gemacht wurde“, erklärt Kachkine.
5.612 Reparaturen in 3,5 Stunden
Für einen Praxistest nutzte Kachkine ein schwer beschädigtes Gemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die Software identifizierte automatisch 5.612 Stellen, die restauriert werden mussten. Insgesamt kamen dabei 57.314 unterschiedliche Farben zum Einsatz. Das gesamte Verfahren – von der Analyse bis zum Anbringen der Maske – dauerte nur dreieinhalb Stunden. Eine herkömmliche Restaurierung hätte dafür Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch genommen.
Kachkine ergänzt: „Vor einigen Jahren habe ich ein italienisches Barockgemälde mit wahrscheinlich ähnlich umfangreichen Fehlstellen restauriert, und dafür habe ich neun Monate in Teilzeit gebraucht.“
Warum keine Farbe aufs Original kommt
Die aufgedruckte Maske dient als Ergänzung, nicht als Eingriff. Sie wird mit einem konservierungsgerechten Sprühlack befestigt, der sich bei Bedarf mit geeigneten Lösungen wieder entfernen lässt. Dadurch bleibt das Original unverändert – eine Eigenschaft, die mit klassischen Restaurierungsmethoden kaum zu erreichen ist.
Kachkine betont: „Wenn diese beiden Schichten nicht richtig aufeinander abgestimmt sind, fällt das sehr leicht auf. Deshalb habe ich auch einige Berechnungswerkzeuge entwickelt, die auf unseren Erkenntnissen über die menschliche Farbwahrnehmung basieren, um zu bestimmen, wie klein ein Bereich sein kann, den wir praktisch ausrichten und restaurieren können.“
Reversibilität und Nachvollziehbarkeit als zentrale Werte
Ein entscheidender Vorteil der Methode liegt in der digitalen Dokumentation. Jede verwendete Maske wird als Datei archiviert. So lässt sich rekonstruieren, welche Veränderungen an einem Kunstwerk vorgenommen wurden. Ein Grundsatz, den viele Restauratorinnen und Restauratoren in ihrer Arbeit vermissen: „Das war in der Konservierung bisher nicht möglich“, sagt Kachkine.
Die Methode könnte also nicht nur beschädigte Kunstwerke sichtbarer machen, sondern auch neue Standards in der ethischen Restaurierung setzen.
Wenn Kunst im Depot verschwindet
Die Idee zur Entwicklung kam Kachkine bei einer Rundreise entlang der US-Ostküste. Er besuchte zahlreiche Museen und stellte fest, dass ein Großteil der Werke gar nicht öffentlich gezeigt wird. Viele lagern in Depots – oft beschädigt, weil ihre Restaurierung zu aufwendig ist.
„Es gibt viele beschädigte Kunstwerke in Lagerräumen, die vielleicht nie zu sehen sein werden“, sagt Kachkine. „Mit dieser neuen Methode besteht hoffentlich die Chance, dass wir mehr Kunst zu sehen bekommen.“
Herausforderungen in der Anwendung
So vielversprechend der Ansatz auch ist – Kachkine weist selbst darauf hin, dass jede Anwendung wohlüberlegt sein muss. Der digitale Maskendruck sei kein Ersatz für fachkundige Beurteilung. Vielmehr solle die Methode als ergänzendes Werkzeug verstanden werden.
„Es wird viel Überlegung über die ethischen Herausforderungen in jeder Phase dieses Prozesses erfordern, um zu sehen, wie dies in einer Weise angewendet werden kann, die den Konservierungsgrundsätzen am besten entspricht“, sagt er.
Konservatorinnen und Konservatoren sollten deshalb bei jeder Restaurierung eingebunden bleiben – auch bei automatisierten Verfahren.
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