Deep Learning im Lichtchaos 03.06.2025, 11:17 Uhr

KI-Mikroskopie: Wie neuronale Netze Grenzen der Physik ausreizen

Neuronale Netze helfen, unsichtbare Details sichtbar zu machen – und nähern sich dabei der physikalischen Grenze des Messbaren.

KI-Mikroskopie

Eine Kugel befindet sich oberhalb einer trüben Glasplatte. Das von ihr reflektierte Licht wird dabei so stark gestreut, dass auf dem darunterliegenden Bildschirm ein komplexes Muster entsteht. Mithilfe künstlicher Intelligenz lassen sich diese Bilddaten so auswerten, dass die Position der Kugel trotz der Verzerrungen präzise bestimmt werden kann. Die erreichte Genauigkeit liegt dabei nahe an der theoretisch maximal möglichen Auflösung, wie sie im Rahmen dieser Untersuchung berechnet wurde.

Foto: TU Wien / oliver-diekmann.graphics

Kann man die Position eines Objekts exakt bestimmen, wenn das Bild dahinter verschwommen ist? Seit mehr als 150 Jahren ist klar: Es gibt eine grundsätzliche Grenze, wie genau sich optische Systeme wie Mikroskope oder Kameras fokussieren lassen. Diese Begrenzung hat nichts mit schlechter Technik zu tun, sondern ist physikalisch bedingt – durch die Eigenschaften von Licht und Information selbst.

Ein Forschungsteam aus Wien, Glasgow und Grenoble wollte wissen, wie nah man dieser Grenze mit modernen Methoden kommen kann. Ihre Antwort: Mit KI-gestützten Bildauswertungen lassen sich Messgenauigkeiten erreichen, die bisher unerreichbar schienen. Das Ziel: die Cramér-Rao-Grenze.

Was ist die Cramér-Rao-Grenze?

Die Cramér-Rao-Grenze (CRB) beschreibt das theoretisch bestmögliche Ergebnis jeder Schätzung – egal wie ausgeklügelt der Algorithmus ist. Wer beispielsweise versucht, die Position eines Objekts zu bestimmen, das hinter einem trüben Medium liegt, kann sich an dieser Grenze orientieren: Sie zeigt an, wie genau man das überhaupt schaffen kann – auch wenn das Ausgangsbild stark verrauscht ist.

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Das Problem: Die CRB lässt sich nur dann berechnen, wenn man die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Messdaten kennt. Und die ist bei Licht, das sich durch biologische Gewebe oder andere streuende Materialien bewegt, kaum vorherzusagen.

Ein Team um Ilya Starshynov (Universität Glasgow) und Maximilian Weimar (TU Wien) hat deshalb eine neue Methode entwickelt. Sie erlaubt es, die CRB direkt aus Messdaten zu berechnen – ohne ein theoretisches Modell vorauszusetzen.

Cramér-Rao-Grenze (CRB):
Die Cramér-Rao-Grenze gibt an, wie genau ein unbekannter Parameter – etwa eine Objektposition – theoretisch bestimmt werden kann. Sie ist eine mathematische Untergrenze für die Varianz jeder Schätzung: Kein Verfahren, egal wie ausgeklügelt, kann systematisch besser sein. In der Praxis dient sie als Maßstab dafür, wie nah ein Messsystem an der physikalisch maximalen Präzision arbeitet.

 

Lernen im Lichtchaos

Um das Verfahren zu testen, haben die Forschenden ein reflektierendes Objekt hinter einer Suspension aus Titandioxid-Partikeln (TiO₂) platziert. Durch die vielen Streuungen entsteht ein chaotisches Lichtmuster – sogenannte Speckles. Für das menschliche Auge sehen diese aus wie zufällige Flecken. Die ursprüngliche Information über das Objekt scheint verloren.

Doch neuronale Netze sehen mehr. Trainiert man sie mit vielen solcher Bilder, zu denen die genaue Objektposition bekannt ist, erkennen sie wiederkehrende Muster. Sie lernen, welche Lichtflecken welchen Objektlagen entsprechen.

Im Experiment wurden verschiedene Netzarchitekturen getestet: klassische Convolutional Neural Networks (CNNs), dichte Netze (DenseNets), vollverbundene Netze (DNNs) und sogenannte CoordConv-Netze. Letztere können explizit Positionsdaten in ihre Struktur einbauen. Ergebnis: Die CoordConv-Netze lieferten die genauesten Schätzungen – und lagen dabei erstaunlich nah an der theoretischen CRB.

Die Rolle der Fisher-Information

Parallel zu den experimentellen Ansätzen hat das Team an der TU Wien die mathematischen Grundlagen analysiert. Hier kommt ein weiteres Konzept ins Spiel: die sogenannte Fisher-Information. Sie beschreibt, wie viel Information in einem verrauschten Signal steckt – etwa über die Lage eines Objekts.

Ist die Fisher-Information niedrig, lässt sich keine präzise Aussage mehr treffen – ganz egal wie viel Rechenleistung zur Verfügung steht. Auch hier zeigen neuronale Netze ihr Potenzial: Nach entsprechendem Training können sie aus verrauschten Daten sehr genaue Schätzungen ableiten. Und das sogar in Fällen, in denen herkömmliche Bildverarbeitungsverfahren scheitern.

Fisher-Information:
Die Fisher-Information beschreibt, wie viel Information ein gemessenes Signal über einen unbekannten Parameter enthält – etwa die Position eines Objekts. Je höher die Fisher-Information, desto genauer lässt sich dieser Parameter schätzen. Ist sie niedrig, liefert selbst ein perfekter Algorithmus keine präzisen Ergebnisse. Die Fisher-Information hängt vom Aufbau des Signals und dem darin enthaltenen Rauschen ab.

 

Präzision trotz Streuung

Die wohl spannendste Erkenntnis: In vielen Fällen lagen die Schätzungen der neuronalen Netze nur knapp unterhalb der physikalisch festgelegten Grenze. „Das bedeutet, dass unser KI-gestützter Algorithmus nicht nur effektiv, sondern nahezu optimal ist“, sagt Prof. Stefan Rotter von der TU Wien. Für ihn ist klar: „Wir erreichen fast genau jene Präzision, die durch physikalische Gesetze überhaupt erlaubt ist.“

Die Methode könnte besonders in der Medizin relevant werden. Dort ist es oft schwierig, durch lebendes Gewebe zu blicken. Klassische Mikroskopieverfahren stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Neuronale Netze hingegen könnten helfen, tieferliegende Strukturen sichtbar zu machen – ohne invasive Verfahren oder höhere Strahlungsdosen.

Benchmarking für KI-Mikroskope

Ein weiterer Vorteil der neuen Methode: Sie erlaubt es, verschiedene Deep-Learning-Verfahren objektiv zu vergleichen. Bisher war oft unklar, wie gut ein neuronales Netz in der Bildverarbeitung wirklich ist – oder wie nah es an die physikalische Grenze herankommt. Die modellfreie Bestimmung der CRB schafft hier Klarheit.

Damit wird es möglich, Deep-Learning-basierte Mikroskope nicht nur nach subjektiven Kriterien, sondern anhand eines festen physikalischen Maßstabs zu bewerten. Das dürfte die Entwicklung robuster und verlässlicher KI-Mikroskope beschleunigen – für Medizin, Materialforschung und Quantentechnologie.

In Zukunft wollen die beteiligten Teams ihre Methoden weiterentwickeln – und in praktischen Anwendungen testen. Denkbar sind unter anderem Einsätze in der Krebsdiagnostik, wo es auf höchste Präzision bei der Gewebeuntersuchung ankommt. Auch in der Bildgebung durch Multimode-Fasern oder bei nichtinvasiven Untersuchungen des Gehirns könnten neuronale Netze neue Maßstäbe setzen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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