KI kann nicht die Welt regieren
Die Idee, dass Maschinen eines Tages die Kontrolle übernehmen könnten, ist faszinierend und verstörend zugleich. Doch ein Forscher aus Ohio ist überzeugt: Die eigentliche Stärke des Menschen liegt in einer ursprünglichen Intelligenz, die keine Technik der Welt kopieren oder übertreffen kann. Sein Ansatz zeigt, dass unser Erfolg viel tiefer verwurzelt ist als reine Logik.
Eine KI, die die Weltherrschaft übernimmt – diese Science-Fiction-Vision kann laut eines Forschers keinesfalls Realität werden. Dafür fehlt der KI etwas Entscheidendes.
Foto: SmarterPix / BiancoBlue
Angus Fletcher, Professor an der Ohio State University, hat gerade ein neues Buch veröffentlich. Darin erklärt er, dass künstliche Intelligenz in einem Bereich herausragend sei – in der Logik. Für Aufgaben, die auf Berechnungen und mathematischen Formeln beruhen, liefern Maschinen Ergebnisse von enormer Präzision. Da kann der Mensch einfach nicht mithalten.
Sobald jedoch Intuition, Fantasie oder gesunder Menschenverstand gefordert sind, verliert die Technik ihren Vorteil. Fletcher beschreibt, dass diese Grenzen zeigen, warum Maschinen niemals die Rolle übernehmen können, die vielen Menschen in Science-Fiction-Szenarien so vertraut erscheint. Der Forscher hebt hervor, dass gerade die alltäglichen und existenziellen Herausforderungen nicht mit Datenbergen bewältigt werden können, sondern vielmehr mit Fähigkeiten, die tief im menschlichen Denken verankert sind.
Künstliche Intelligenz vs. ursprüngliches Denken
Um Menschen auf ihre eigene Stärke zurückzuführen, entwickelte Fletcher ein Programm, das bereits in Schulen wie auch in militärischen Zusammenhängen angewendet wurde. Ziel ist es, die in uns angelegte, ursprüngliche Intelligenz zu trainieren. Dieses Konzept beschreibt er als die Fähigkeit, auch bei begrenzter Informationslage handlungsfähig zu bleiben. Oft sind gerade die schwierigsten Lebenssituationen jene, in denen keine umfassenden Informationen vorliegen. Hier zeigt sich die Macht dessen, was Fletcher als „Story Thinking“ bezeichnet. Geschichten dienen nicht nur dem Austausch, sondern bilden zugleich das Werkzeug, mit dem unser Gehirn neue Handlungspläne und Lösungsansätze entwirft. Menschen können dadurch Handlungen visualisieren, Risiken einschätzen und sich eine Geschichte des Gelingens vorstellen – etwas, das künstliche Intelligenz bislang nicht beherrscht.
Fletcher unterteilt diese ursprüngliche Leistungsfähigkeit in vier wesentliche Kräfte, die er als die „Urkräfte“ bezeichnet: Intuition, Fantasie, Emotion und gesunder Menschenverstand. Diese Elemente wirken zusammen, um kreative Lösungen zu entwickeln, selbst wenn kaum Daten zur Verfügung stehen. In seinem Buch betont er, dass diese Kräfte durch das Erzählen gesteuert werden – ein Mechanismus, den er als „narrative Kognition“ beschreibt. Shakespeare dient ihm dabei als anschauliches Beispiel: Figuren, die Regeln brechen, regen zum Umdenken und Neugestalten an. Auf diese Weise haben sie nicht nur Literatur geprägt, sondern auch Persönlichkeiten wie Abraham Lincoln, Albert Einstein oder Steve Jobs beeinflusst. Fletcher zeigt, dass das Denken in Geschichten quer über Disziplinen hinweg Innovation inspiriert.
KI ist chancenlos, wenn sie spontan einen neuen Plan entwickeln soll
Für Fletcher steht fest: So beeindruckend die Verarbeitung von Daten durch künstliche Intelligenz auch ist – in wirklich neuen Situationen stößt sie an ihre Grenzen. Während sie Muster aus Vergangenem lernt, bleibt sie unfähig, aus dem Nichts einen Plan zu entwickeln. Hier greift erneut das Konzept des „Story Thinking“, das den Menschen ermöglicht, Pläne und Lösungen zu entwickeln, mit denen man Unsicherheit begegnen kann. Ein Beispiel aus der Armee verdeutlicht dies: Ein Rekrut sollte einen anspruchsvollen Hindernisparcours absolvieren. Da er wusste, dass er die Zeitvorgabe nicht einhalten konnte, erfand er einen unkonventionellen Ansatz. Statt den Weg ordnungsgemäß zu durchlaufen, umging er den Parcours einfach und erreichte so das Ziel in Rekordzeit. Seine Idee, die Ausgabe zu lösen, wurde nicht als Schummeln, sondern als Ausdruck jener Art von Intelligenz gewertet, die gerade in Extremsituationen den Unterschied macht.
Die US-Armee testete Fletchers Programm und würdigte es sogar mit einer Auszeichnung, da seine Methoden Soldaten halfen, schneller zu handeln, Traumata zu verarbeiten und im Einsatz klüger zu reagieren. Die Spezialeinheiten der US-Armee stellten fest, dass genau diese Fähigkeit, neue Wege zu finden, langfristig zu besseren Leistungen im Feld führte. Fletcher verdeutlicht damit, dass ursprüngliche Intelligenz nicht nur eine Überlebensstrategie unserer Vorfahren war, sondern auch in modernen Kontexten unverzichtbar bleibt.
KI wiederholt bekannte und erlernte Muster
Auch in der Wirtschaft spielt Fletcher zufolge diese Art von Intelligenz eine unverzichtbare Rolle. Während das Management auf das Optimieren bestehender Abläufe setzt, geht es in der Führung um die Fähigkeit, das Unbekannte zu gestalten. Die Herausforderungen der Zukunft bestehen nicht darin, Routinen effizienter zu machen, sondern darin, mit Unsicherheit umzugehen und Neues zu schaffen.
Hier zeigt sich einmal mehr, dass künstliche Intelligenz zwar Prozesse stützen kann, jedoch nicht die kreative Führungskraft ersetzt. Menschen können wagen, was noch nie zuvor erprobt wurde. KI dagegen wiederholt lediglich altbekannte Muster. Nach Fletchers Ansicht beruht die Zukunftsfähigkeit auf Mut, Vorstellungskraft und der Fähigkeit, Geschichten des Erfolgs zu entwickeln. Genau darin liegt die Stärke, die Maschinen niemals übertreffen werden.
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