Polizeifunk 2.0: Wann der Wechsel kommt und was sich ändert
Ein neuer Polizeifunk soll Tetra ergänzen: Mit Videos, Drohnen und KI. Ab 2026 könnte MCx starten – was Einsatzkräfte davon haben.
Die Telekom hat eine Technologie vorgestellt, die den veralteten Behördenfunk - auch Polizeifunk genannt - zunächst ergänzen und perspektivisch ablösen könnte.
Foto: picture alliance/dpa | Wolf von Dewitz
Wenn Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute oder Rettungskräfte miteinander sprechen, läuft das über ein eigenes Funknetz. Seit den 90ern setzt Deutschland dafür auf den Standard Tetra. Er funktioniert zuverlässig, aber er kann wenig. Sprache geht, kleine Datenpakete auch – mehr nicht. Fotos, Videos oder gar Livestreams lassen sich nicht übertragen.
Das ist im Alltag ein Problem. Wenn Polizeibeamte einem Verdächtigen folgen, müssen sie mühsam per Funk ihre Position ansagen. In der Leitstelle werden die Infos einzeln auf einer Karte eingetragen. Ein Livebild? Fehlanzeige. Feuerwehrleute wissen im Brandfall nicht auf Knopfdruck, wo ihre Kolleginnen und Kollegen stehen. Rettungskräfte können keine Fotos vom Unfallort verschicken.
Die Politik und die Netzbetreiber wollen das ändern. Ein Nachfolger steht bereit: Mission Critical Services (MCx). Die Telekom hat ihn auf der Digitalkonferenz Digital X vorgestellt. Schon Ende des Jahres soll das System in ersten Behörden getestet werden.
Inhaltsverzeichnis
Ein Blaulicht für Daten
„Wir priorisieren kritische Einsatzdaten mit MCx-Technologie. T Mission setzt den Daten ein Blaulicht auf“, sagt Gottfried Ludewig, Leiter Public bei der Deutschen Telekom. Daten der Einsatzkräfte werden also wie ein Polizeiwagen behandelt: Sie dürfen an allen anderen vorbeifahren.
Technisch steckt dahinter eine Kombination aus 4G- und 5G-Netzen mit sogenanntem Network Slicing. Das bedeutet: Für Polizei und Feuerwehr wird ein eigener, geschützter Datenstreifen im Mobilfunknetz reserviert. Wenn das Stadion voll ist und alle Menschen gleichzeitig Selfies posten, haben Einsatzkräfte trotzdem freie Leitung.
Was sich im Einsatz verändert
Stellen Sie sich eine Verfolgung durch die Innenstadt vor. Heute funkt ein Polizist: „Ich biege links ab in die Kaiserstraße.“ Seine Kolleginnen und Kollegen hören zu, malen sich ein Bild im Kopf – und hoffen, dass sie ihn nicht verlieren. Mit dem neuen System reicht ein Blick auf das Diensthandy: Der Standort wird in Echtzeit übertragen. Dazu erscheint ein Foto des Verdächtigen.
Bei einem Großbrand kann die Leitstelle über die Kameras der Feuerwehrleute sehen, wie die Lage vor Ort ist. Wenn eine Drohne über das Dach fliegt, erscheint die Wärmebildaufnahme direkt auf den Smartphones. Die Einsatzkräfte erkennen sofort, wo sich die Glutnester befinden.
Auch die Suche nach Vermissten wird einfacher. Eine demente Seniorin läuft im Wald umher. Drohnen liefern Livebilder. Künstliche Intelligenz analysiert die Aufnahmen und erkennt die Person auch dann, wenn sie nur teilweise im Unterholz zu sehen ist.
Und wenn eine Demo eskaliert und ein Polizist zu Boden geht, löst das Gerät automatisch einen Notruf aus. Kolleginnen und Kollegen wissen sofort, wo Hilfe gebraucht wird.
Alte Technik bleibt im Hintergrund
Der neue Polizeifunk ersetzt den alten nicht sofort. „Unser Produkt ist kein Ersatz von Tetra, sondern eine Ergänzung – wir schaffen über einen zweiten Kommunikationsweg mehr Ausfallsicherheit“, erklärt Dirk Niederau, Programmleiter bei der Telekom.
Das ist wichtig. Denn das bisherige Netz gehört dem Bund, es ist unabhängig vom kommerziellen Mobilfunk. Selbst wenn ein Netzbetreiber ausfällt, bleibt Tetra in der Regel stabil. Die Bundesanstalt für den Digitalfunk (BDBOS) betont: „Das eigenständige Funksystem gewährleistet unabhängig von kommerziellen Mobilfunknetzen eine verlässliche Kommunikation.“
Darum soll beides parallel laufen – zunächst. Geplant ist ein fließender Übergang. Eine spezielle Schnittstelle (Interworking Function) soll dafür sorgen, dass die Systeme miteinander sprechen.
Konkurrenz drängt – und warnt
Die Telekom ist nicht allein. Vodafone und O2 arbeiten ebenfalls an Lösungen. Vodafone-Deutschlandchef Marcel de Groot kündigt an: „Schon in Kürze werden erste Einsatzkräfte die virtuelle Rettungsgasse in unserem Netz nutzen, um anderen Menschen noch schneller zu helfen.“
O2-Chef Alfons Lösing geht einen Schritt weiter. Er warnt davor, den neuen Polizeifunk nur auf ein Netz zu setzen: „Ein eigenständig betriebenes Funk-Kernnetz des Bundes mit Zugang zu allen Mobilfunknetzen in Deutschland würde die Verfügbarkeit, Resilienz und Sicherheit für Einsatzkräfte signifikant erhöhen.“
Die Idee: Statt sich für einen Anbieter zu entscheiden, könnten alle Netze parallel genutzt werden. So wäre die Verbindung noch stabiler – auch über Bundesländer hinaus.
Skepsis bei Gewerkschaft und Behörden
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnt, dass der Funk nur gemeinsam von Bund und Ländern weiterentwickelt werden könne. „Föderale Strukturen bringen uns an die Grenzen“, sagt GdP-Vize Alexander Poitz. Ziel sei eine einheitliche Struktur.
Auch die BDBOS bleibt vorsichtig. Zwar sei Tetra in die Jahre gekommen, doch „bis heute noch nicht obsolet“. Einen genauen Zeitplan für den Übergang gibt es nicht. Klar ist: Es wird schrittweise passieren, damit keine Lücke entsteht.
Ein Blick nach vorne
Ende 2025 sollen erste Pilotprojekte laufen. In der ersten Jahreshälfte 2026 könnten die Systeme in den Verkauf gehen. Das klingt nah, doch bis Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte bundesweit auf den neuen Standard umsteigen, dürfte es Jahre dauern. (mit dpa)
Ein Beitrag von: