Weltneuheit in Duisburg: Start-up gewinnt Wasserstoff und E-Fuels aus Luft
In Duisburg wurde eine neue E-Fuel-Fabrik eröffnet. Sie filtert CO2 aus der Umgebungsluft und produziert grünen Wasserstoff, um die Gase direkt in synthetisches Methan umzuwandeln. Jetzt beginnt der kommerzielle Roll-out.
Blick auf die am 20.11. eröffnete Versuchsanlage.
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Duisburg war lange ein Zentrum der europäischen Schwerindustrie – jetzt macht die Stadt als Hotspot grüner Technologien von sich reden. Das Essener Start-up Greenlyte Carbon Technologies hat in der Ruhr-Metropole die nach eigenen Angaben erste Anlage weltweit in Betrieb genommen, die CO₂ aus der Umgebungsluft und Wasser direkt zu Wasserstoff und E-Methan umwandelt.
Der Prozess läuft elektrisch und emissionsfrei. Das klingt perfekt. Gibt es einen Haken?
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Wie Greenlyte Carbon Technologies den Markt aufmischt
Das Herzstück der Anlage bildet die „LiquidSolar“-Plattform. Mit ihr vereint das 2022 gegründete Unternehmen in ein- und demselben System zwei Prozesse, die bislang getrennt waren: Direct Air Capture (DAC) zur CO₂-Abscheidung aus der Umgebungsluft sowie die elektrolytische Spaltung von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff.
Das Besondere: DAC und Elektrolyse laufen mit vor Ort erzeugtem Grünstrom – und das vollständig integriert. Hier liegt der Innovationscharakter der Essener: Konkurrierende Verfahren führen die Schritte meist getrennt durch. Zudem benötigt die Desorption von CO₂ aus der Luft in der Regel thermische Energie.
Bei Greenlyte ist das nicht der Fall: „Dieser Prozess kann Tag und Nacht automatisch laufen“, erklärte der CEO Florian Hildebrand gegenüber dem Fachportal H2-News.de. Das CO₂ löst sich in einer speziellen Flüssigkeit und bildet ein hochkonzentriertes Salz, das dann als Elektrolyt für die Wasserstoffproduktion dient. Mit etwa 50 kWh pro kg Wasserstoff liege die Effizienz dabei im Bereich konventioneller Elektrolyseure.

Eine neue Art von Schornstein im Ruhrgebiet: Die „LiquidSolar“-Anlage stößt kein CO2 aus, sondern entnimmt es aus der Luft.
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Anlagenbau in drei Monaten
Durch den Parallel-Prozess von Elektrolyse und DAC entsteht ein Synthesegas aus Wasserstoff und CO₂. Dieses wird im nächsten Prozessschritt zu synthetischem Erdgas (SNG) umgewandelt. Je nach Bedarf lässt es sich dann entweder direkt verwenden, oder zu E-Fuels, E-Methanol oder E-Kerosin (SAF) weiterverarbeiten.
Ab sofort filtert die Anlage jährlich 40 t CO₂ direkt aus der Luft – etwa die Menge, die vier Deutsche im Durchschnitt pro Jahr emittieren. Damit produziert der Demonstrator 5 t synthetisches Erdgas pro Jahr.
Das modulare System ermöglicht laut Greenlyte eine schnelle Skalierung: Die Anlage war in nur drei Monaten fertig. In den vorangegangenen Pilotprojekten hat Start-up nach eigenen Angaben bereits über 13.000 Betriebsstunden absolviert, seine Entwicklungen sind durch mehr als zehn Patentfamilien abgesichert.
Kommerzieller Roll-Out geplant
Auch wenn die aktuelle Kapazität noch überschaubar ist, dient sie als wichtiger Proof of Concept für größere Projekte. Denn mit seinen 70 Mitarbeitern und einer Finanzierung von über 45 Mio. € will Greenlyte nun die weitere Skalierung in Angriff nehmen: 2027 soll in Marl eine erste Anlage zur E-Methanol-Produktion entstehen. Bis 2050 peilt das Unternehmen dann eine jährliche CO₂-Abscheidung von 100 Mio. t an.

Zur Eröffnung am 20. November kam auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
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Industrie- und Forschungspartner bereits an Bord
Wissenschaftliche Begleitung erhält das Projekt durch das Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT), die Universität Duisburg-Essen und die RWTH Aachen. Als assoziierter Partner ist auch Uniper dabei. Der Energiekonzern hatte bereits 2018 in seinem Pilotprojekt WindGas Falkenhagen erste Erfahrungen mit der Erzeugung synthetischen Methans gesammelt.
Wie vielseitig die Anwendungsmöglichkeiten sind, zeigen weitere Kooperationen: Mit der Essener Stauder-Brauerei testet Greenlyte die Nutzung des abgeschiedenen CO₂ für die Getränkeproduktion. International gehört das Start-up zu nur zehn ausgewählten Unternehmen, die beim kanadischen Gigatonnen-Projekt „Alpha One“ von Deep Sky ihre Technologie demonstrieren dürfen.
In einer Pressemitteilung schreibt Greenlyte, die E-Fuels perspektivisch zu „fossil-wettbewerbsfähigen Kosten“ produzieren zu können. Konkrete Preise nennt Greenlyte nicht.
Vom Ruhrgebiet in die Welt
Mit der Standortwahl knüpft Greenlyte an die industrielle Tradition des Ruhrgebiets an, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen: Wo die Schlote der Schwerindustrie früher CO2 in rauen mengen in die Atmosphäre pumpten, filtern die Schornsteine von GCT heute CO2 aus der Luft, um es in Treibstoff umzuwandeln. Die EU fördert das Projekt über den EFRE/JTF-Fonds als Beispiel für das Transformationspotenzial traditioneller Industrieregionen.
CEO Florian Hildebrand denkt indes weit über die aktuelle Anlage hinaus. „CO₂ ist der neue Wasserstoff“, sagte er im Gespräch mit H2News und prognostizierte: „Die Industrien für diese beiden Moleküle werden insgesamt größer sein als die Erdöl- und Erdgasindustrie heute.“
Eine gewagte These. Aber angesichts der kürzlich auch vom Bundestag bestätigten Notwendigkeit, CO₂ in gigantischem Ausmaß aus der Atmosphäre zu holen, vielleicht gar nicht so unrealistisch.
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