Upcycling mit Hochspannung: PET-Flaschen als Energiespeicher
PET-Flaschen als Energiespeicher: Forschende zeigen, wie sich Kunststoffabfälle in leistungsfähige Superkondensatoren verwandeln lassen.
Leere PET-Flaschen wie diese dienen Forschenden als Ausgangsmaterial, um Elektroden und Trennfolien für neue Superkondensatoren herzustellen.
Foto: Smarterpix / amixstudio
Sie kennen die Szene: Leere Wasserflasche, Pfandautomat, fertig. Ein Team um den Materialwissenschaftler Yun Hang Hu von der Michigan Technological University denkt größer. Aus weggeworfenen PET-Flaschen bauen die Forschenden Bauteile für Superkondensatoren – also Stromspeicher, die sich sehr schnell laden und entladen. Das Besondere: Sowohl die Elektroden als auch die Trennfolie (Separator) entstehen aus dem gleichen Abfallstrom. Ein „All-Plastic“-Superkondensator aus Müll – technisch schlicht, zirkulär gedacht.
„PET wird zur Herstellung von über 500 Milliarden Einweg-Getränkeflaschen pro Jahr verwendet, was eine erhebliche Menge an Kunststoffabfällen erzeugt und eine große Herausforderung für die Umwelt darstellt“, sagt Hu. Die Aussicht: „Aus PET hergestellte Superkondensatoren bieten ein großes Potenzial für vielfältige Anwendungen in Transport- und Automobilsystemen, Elektronik und Verbrauchergeräten sowie in industriellen und spezialisierten Bereichen.“
Inhaltsverzeichnis
Vom Flaschenhals zum Porenkorridor
Der Weg vom Kunststoff zur Elektrode klingt nach Werkstatt statt Reinraum. Zuerst werden Flaschen zerkleinert. Dann kommt Calciumhydroxid (gelöschter Kalk) dazu. Unter Vakuum heizen die Forschenden auf rund 700 °C. Das Polymer bricht auf, Sauerstoffreste werden entfernt, zurück bleibt ein schwarzes, leitfähiges Kohlenstoffpulver mit vielen Poren.
Diese Poren sind wichtig: Sie bieten Platz, an dem sich die Ladungen anlagern können. Anschließend folgt eine Aktivierung mit Kaliumhydroxid (KOH). Das ätzt zusätzliche Poren hinein und erhöht die innere Oberfläche deutlich. Ergebnis: kohlenstoffbasierte Elektroden mit sehr großer Oberfläche und durchlässigen Kanälen für Ionen.
Warum dieser Aufwand?
Superkondensatoren – genauer: elektrische Doppelschichtkondensatoren (EDLC) – speichern Energie, indem Ionen aus dem Elektrolyt sich an der Oberfläche der Elektrode anlagern. Je größer die Oberfläche, desto höher die Kapazität.
Gleichzeitig braucht es „breitere Straßen“ im Material, damit Ionen schnell an ihren Platz kommen. Meso- und Makroporen wirken hier wie Autobahnen. Das Team zeigt: Oberflächengröße hilft bei niedrigen Strömen, Porengrößenmix hilft bei hohen Strömen.
Die Folie macht den Unterschied
Nicht nur die Elektroden stammen aus PET-Abfall. Für den Separator flachen die Forschenden PET-Stücke ab und stanzen mit erhitzten Nadeln ein Lochmuster hinein. Die Porosität lässt sich so gezielt einstellen. Der Separator trennt die Elektroden elektrisch und lässt zugleich Ionen passieren.
PET zeigt hier nützliche Eigenschaften: hohe mechanische Festigkeit (gemessen etwa 57 MPa), einstellbare ionische Leitfähigkeit (bis 2,79 × 10⁻² S/cm bei höherer Porosität) und gute Temperaturbeständigkeit im Arbeitsbereich des Geräts. Glasfaser-Separatoren nehmen zwar mehr Elektrolyt auf, PET punktet aber mit Robustheit und Recyclingnähe.
Was leistet der Flaschen-Kondensator?
Im Labor zeigte sich: Der Prototyp mit Elektroden und Trennfolie aus alten PET-Flaschen kann ordentlich Energie speichern. In Messreihen hielt die kleine Zelle bis zu 197 Farad pro Gramm (F/g) – ein Maß dafür, wie viel elektrische Ladung pro Materialmenge gespeichert werden kann.
Wird der Kondensator schneller be- und entladen, sinkt der Wert etwas, doch die Leistungsfähigkeit bleibt stabil. Rund 79 % der ursprünglichen Speicherkapazität bleiben auch bei hohen Ladegeschwindigkeiten erhalten – ein Zeichen dafür, dass das Material gut mit schnellen Energieflüssen zurechtkommt.
Kunststoff-Variante schneidet besser als Glasfaser ab
Im Vergleich zu einem ähnlichen Aufbau, der statt der PET-Folie einen Separator aus Glasfaser nutzt, schneidet die Kunststoff-Variante sogar etwas besser ab. Die Unterschiede sind klein, aber bemerkbar: 197 gegenüber 190 F/g. Das zeigt, dass die PET-Folie die Leistung keineswegs ausbremst – im Gegenteil: Mit dem richtigen Lochmuster kann sie den Stromfluss sogar verbessern.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei die sogenannte Porosität – also wie durchlässig die Folie für Ionen ist. Je mehr winzige Löcher und Kanäle sie besitzt, desto leichter können geladene Teilchen hindurchwandern. Bei einer Porosität von rund 94 % erreichte die getestete Zelle fast 155 F/g, selbst bei sehr hohen Strömen. Außerdem blieb ihre Leistung auch nach vielen Lade- und Entladezyklen stabil. Das spricht für die robuste Struktur der Kohlenstoffelektroden und den zähen Separator aus PET.
Praxis: Wo passt das hin?
Superkondensatoren sind keine Batterien. Sie liefern hohe Leistungen, vertragen viele Ladezyklen und puffern Energie. Sie helfen beim Bremsenergie-Rückgewinn in Fahrzeugen, stabilisieren Bordnetze oder überbrücken Spannungseinbrüche in Maschinen.
Wenn sich Elektroden und Separator aus einem Massenabfall wie PET fertigen lassen, ergeben sich zwei Vorteile: geringere Materialkosten und ein zirkulärer Stoffstrom. „…öffnen neue Möglichkeiten für zirkuläre Energiespeichertechnologien“, resümiert die Studie.
Was noch fehlt – und warum das realistisch klingt
Natürlich ist das kein Bauplan für die Tonne nebenan. Die Prozesse laufen bei hohen Temperaturen, Chemikalien wie KOH müssen gehandhabt und wieder aus dem Material entfernt werden. Produktionsschritte, Lochmuster und Schichtdicken müssen industrialisiert werden.
Aber: Die Daten zeigen, welche Knöpfe Sie drehen können – Oberfläche, Porenverteilung, Separator-Porosität –, um das Zusammenspiel aus Kapazität und Geschwindigkeit zu treffen.
„Mit weiterer Optimierung könnten aus PET hergestellte Superkondensatoren innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre realistisch von Laborprototypen zu marktreifen Geräten werden“, sagt Hu, „insbesondere angesichts der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen, recycelbaren Energiespeichertechnologien.“
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