Suedlink genehmigt: Wie die Bundesnetzagentur den Stromnetzausbau beschleunigt
Der Ausbau der großen Stromautobahnen in Deutschland nimmt Fahrt auf. Unterdessen kocht der Streit um Erdkabel gegen Freileitung weiter.
Ein Kabel ist während der symbolischen Baustelleneröffnung für die Baumaßnahmen der Gleichstromtrasse Südostlinks zu sehen. Am 10. Oktober hat die Bundesnetzagentur auch den Suedlink komplett genehmigt.
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Die Beschleunigung des Stromnetzausbaus in Deutschland wird sichtbar. Vier große Stromautobahnen auf Basis von Höchstspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) sind in Deutschland geplant, drei sind jetzt komplett genehmigt und im Bau. Das teilte am 10. Oktober 2025 der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, in Bonn mit.
Inhaltsverzeichnis
- Mehr Tempo beim Stromnetzausbau spürbar
- Wie viel Strom wir eigentlich 2030 brauchen werden
- Streit um Freileitung versus Erdkabel überschattet Stromnetzausbau
- Warum kam eigentlich der Vorrang für Erdkabel ins Gesetz?
- Aiwanger fordert schon Aussetzung des Verbandsklagerechts
- Bundesnetzagentur belegt beschleunigten Netzausbau mit Zahlen
„Wir haben heute den Suedlink genehmigt. Mit dem Suedlink ist das jetzt die dritte große Stromautobahn, die vollständig von der Bundesnetzagentur genehmigt ist“, sagte Müller. „Und alle guten Dinge werden vier sein. Dieses Jahr, noch in 2025, werden wir die vollständige Genehmigung des UltraNet im Westen Deutschlands abgeschlossen haben. Auch bei den Verfahren zum Südlink konnten wir mit den gesetzlichen Möglichkeiten dann am Ende die Genehmigungszeiten verkürzen“. Schon bei der Vorstellung der vollständigen Genehmigung des Suedostlink Ende Juli betonte Müller, dies sei „ein weiterer wichtiger Schritt für die Verstärkung der Netze“.
Suedlink
- Suedlink ist eine Gleichstromverbindung (Höchstspannungsgleichstromübertragung, kurz HGÜ) mit 525 kV.
- Besteht gemäß Bundesbedarfsplan aus zwei Vorhaben. Vorhaben 3 von Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) bis Großgartach (Baden-Württemberg). Vorhaben 4 verbindet Wilster in Schleswig-Holstein mit Bergrheinfeld/West in Bayern.
- Betriebsbeginn für beide Vorhaben ist 2028.
- Übertragungskapazität: jeweils 2 GW.
- Verkabelung: Soll komplett als Erdkabel realisiert werden. Insgesamt laufen beide Vorhaben, 3 und 4 auf, rund 500 km parallel. Insgesamt kommen die jeweiligen Trassen auf rund 700 km (Korridor 3) bzw. etwa 530 km.
- Verantwortliche Übertragungsnetzbetreiber: Tennet (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern) und TransnetBW (Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen)
Mehr Tempo beim Stromnetzausbau spürbar
Seit dem Jahr 2022 hat die Bundesnetzagentur nach Müllers Angaben 30 Anträge auf vorzeitigen Baubeginn bei Suedlink genehmigt. „Das heißt, wir reden heute nicht nur über eine Genehmigung, sondern wir können schon seit dem ersten Quartal 2024 erste Bauarbeiten sehen“, verdeutlichte der Agenturchef, was Beschleunigung beim Netzausbau in diesem Fall heißt. Das waren dann vor allem naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen, Unterbohrungen und Rodungsmaßnahmen, die jeweils am Anfang stehen. „Für das Jahr 2028 erwarten wir, dass der Südlink ans Netz gehen wird“, so Müller.
Diese Beschleunigung des Baus der Stromautobahnen war auch schon beim Suedostlink spürbar. Müller betonte die Beschleunigung der Verfahren in den letzten Jahren. „Vor etwa acht Jahren hat die Bundesnetzagentur den ersten Antrag auf die Genehmigung des Suedostlinks erhalten“, erinnerte er. Alle Anstrengungen, um Qualität und zunehmende Geschwindigkeit in den Verfahren deutlich zu machen, seien damit erfolgreich.
Konkret habe man, so Übertragungsnetzbetreiber Tennet, das Beschleunigungspotenzial der EU-Notfallverordnung voll ausgenutzt und die Planfeststellungsunterlagen zügig für Suedostlink erstellt. Diese Verordnung ist zwar Ende Juni 2025 ausgelaufen, wird aber durch die Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) in nationales Recht ersetzt werden.

In Strodthagen rollen die Bagger: Bauauftakt für Suedlink in Südniedersachen.
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Wie viel Strom wir eigentlich 2030 brauchen werden
Die vier großen Stromautobahnen in Deutschland in Gleichspannungstechnik sind dafür gedacht, dass in Zukunft in Deutschland überall genügend Strom vorhanden ist. Klimaneutral erzeugter Strom, wohlgemerkt. Wie viel Strom aber brauchen wir in Zukunft? Damit hat sich jetzt das Science Media Center beschäftigt. Rund 750 TWh steht im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Zielmarke für 203o. Diese Zahl veröffentlichte im Januar 2020 das Energiewirtschaftliche Institut (EWI), exakter: 748 TWh. Jetzt will die Bundesregierung das EEG reformieren. Nach dem im September vorgestellten Monitoringsbericht zur Energiewende gilt eine Strommenge zwischen 600 TWh und 700 TWh als Zielmarge.
Das Science Media Center hat daher jetzt Experten befragt, für wie realistisch sie diese Zielmarge halten. Spolier: für ziemlich realistisch. „Im Großen und Ganzen erscheinen die im Monitoringbericht zusammengefassten Szenarien, die in den letzten Jahren entstanden sind, doch als eine realistische Sichtweise der vergangenen Jahre“, sagt Patrick Jochem, Abteilungsleitung Energiesystemanalyse am Institut für Vernetzte Energiesysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart.
Auch Thomas Schöb, Leiter der Forschungsgruppe „Energy Systems Transformation“ am Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ) hält „eine Spanne von 600 TWh bis 700 TWh für realistisch, wobei ich keine Präferenz für den unteren oder oberen Wert aussprechen möchte“. Leonhard Gandhi, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energy Systems and Energy Economics des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg präzisiert: „Seriöse Prognosen gehen derzeit von einer Bandbreite zwischen rund 650 TWh und 710 TWh aus. Diese Spanne spiegelt unterschiedliche Annahmen zur Ausbaugeschwindigkeit von Wärmepumpen, Elektromobilität, Elektrolyse und Rechenzentren wider.“ Insgesamt spreche vieles dafür, dass der Stromverbrauch bis 2030 deutlich über dem Vorkrisenniveau liege, aber noch nicht das langfristige Zielniveau einer vollständig elektrifizierten Wirtschaft erreichen werde.

Archäologen stehen auf einer Baustelle von „TransnetBW“ beim Bauauftakt von „SuedLink“ und beobachten während einer archäologischen Voruntersuchung des Bodens, wie ein Bagger Erdschichten abträgt.
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Streit um Freileitung versus Erdkabel überschattet Stromnetzausbau
Der seit langem schwelende Streit um das Thema Freileitungen versus Erdkabel überschattet die Freude über den schnellen Ausbau immer noch. Vor allem, wenn es um neue Stromautobahnen geht. Alle vier großen HGÜ-Trassen basieren auf HGÜ und bis auf Ultranet (jeweils zur Hälfte Erd- und Freileitungen) fast ausschließlich auf Erdkabeln. Aus gutem Grund, wie Anders Jensen, Cheftechnologe beim dänischen Kabelspezialisten NKT, gegenüber VDI nachrichten erläutert.
„Die Priorisierung von Erdkabeln 2015 war die Antwort auf massive gesellschaftliche Proteste gegen Freileitungen – und sie wirkt: weniger Klagen, schnellere Genehmigungen, mehr Akzeptanz“, so Jensen. Auch beim Suedostlink lasse sich dies beobachten. „2025 wird ein Rekordjahr für genehmigte Netz-Kilometer, auch dank Erdkabelvorrang“, so der NKT-CTO.
„Freileitungen haben Kostenvorteile“, so eine Sprecherin der Bundesnetzagentur auf Nachfrage. Die potenziellen Einsparungen bei den drei Neubau-Leitungen DC 40 (Ostwestlink), DC 41 (Nordwestlink) und DC 42 (Suedwestlink) lägen bei ca. 16,5 Mrd. €. „Die genannten Vorhaben wurden zwar im Netzentwicklungspan (NEP) 2023-2037/2045 bestätigt, aber bisher nicht in das Bundesbedarfsplangesetz aufgenommen“, heißt es.
Um den Stromnetzausbau zügig voranzutreiben, sei zu Beginn der Planung die Entscheidung über eine Realisierung als Erdkabel oder Freileitung erforderlich gewesen. „Diese Entscheidung trifft der Gesetzgeber“, so die Sprecherin. Die Debatte betrifft also nicht die vier großen Stromautobahnen, von denen Ultranet und Suedlink noch nicht vollständig genehmigt sind. Hier stehen noch die Genehmigungen für insgesamt fünf Teilabschnitte aus, die jeweils zwischen 44 km und 78 km lang sind.
Warum kam eigentlich der Vorrang für Erdkabel ins Gesetz?
2015 war ebenfalls eine CDU/CSU/SPD-Koaltion an der Regierung in Berlin. Damals ging es um eine von den Menschen akzeptierte Energiewende, von „Monstertrassen“ war die Rede, wenn diese Stromautobahnen in klassischer Freileitungstechnik gebaut würden. „Heute wird vor allem mit vermeintlichen Einsparungen argumentiert“, so Jensen. Doch die stützte sich auf Schätzungen, die zentrale Faktoren wie Betrieb, Wartung, Ausfallrisiken und gesellschaftliche Akzeptanz ausblendeten. „Es gibt keine belastbare Gesamtbilanz, die diesen Kurswechsel rechtfertigt“, ist sich Jensen sicher.
Der CTO des Kabelherstellers sieht in der Gesamtbetrachtung Erdkabel als „die langfristig bessere Lösung – akzeptiert, resilient, wartungsarm, sicher und dank Lieferkettensicherheit ‚made in Germany‘ ein echtes Zukunftsmodell“. NKT hat nach seinen Angaben allein 2024 rund 100 Mio. € in die Kölner Fabrik investiert; für Suedlink, Suedostlink und Nordlink laufen umfangreiche Verträge.
Aiwanger fordert schon Aussetzung des Verbandsklagerechts
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hingegen will das Thema „Akzeptanz“ für drei Jahre aus dem Verkehr ziehen, um noch mehr Tempo in den Ausbau neuer Stromautobahnen zu bekommen. Er fordert bereits im Sommer gleich eine dreijährige bundesweite Aussetzung des Verbandsklagerechts, berichtete dpa. Zudem sollte Deutschland die sogenannte Aarhus-Konvention neu verhandeln.
Das 2007 von Deutschland ratifizierte internationale Abkommen erfordert eine Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und sichert Verbänden den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. 2019 kursierte dann ein „11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“; einer der Punkte war, das Verbandsklagerecht einzuschränken, der allererste hieß: „Reform der Aarhus-Konvention“. Drei der fünf Vordenker waren der damalige CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, Carsten Linnemann und der heutige NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Aiwanger steht also nicht alleine da.
Bundesnetzagentur belegt beschleunigten Netzausbau mit Zahlen
2024 hat die Bundesnetzagentur laut Müller unterm Strich 28 Planfeststellungen abschließen können. In diesem Jahr waren es schon 29. „Ende dieses Jahres erwarten wir damit rund 4400 genehmigte Leitungskilometer. Das wären rund 1750 mehr als Ende letzten Jahres“, so der Agentur-Chef.
Mit Material von dpa
Suedostlink
- Suedostlink ist eine Gleichstromverbindung (Höchstspannungsgleichstromübertragung, kurz HGÜ) mit 525 kV.
- Besteht gemäß Bundesbedarfsplan aus zwei Vorhaben. Vorhaben 5 von Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt) bis nach Isar bei Landshut (Bayern). Vorhaben 5a beginnt in Klein Rogahn (Mecklenburg-Vorpommern) und endet ebenfalls in Isar.
- Betriebsbeginn für Vorhaben 5 ab 2027, für Vorhaben 5a ist 2030 geplant.
- Übertragungskapazität: jeweils 2 GW.
- Verkabelung: Soll komplett als Erdkabel realisiert werden. In Bayern laufen vier Kabel in zwei parallel verlaufenden Gräben auf 270 km. Insgesamt kommen die jeweiligen Trassen auf 545 km (Korridor 5) bzw. etwa 710 km.
- Verantwortliche Übertragungsnetzbetreiber: Tennet (Bayern), 50Hertz (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen)
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