Statt Erdgas: Erster Hersteller brennt Ziegel mit 100 % Wasserstoff
Ein Ziegelhersteller aus Münster stellt seine gesamte Produktion auf grünen Wasserstoff um – und das im laufenden Betrieb. Lohnt sich das Risiko?
v.l.n.r.: Hubertus Foyer (Janinhoff), Dr. Caroline Foyer-Clitheroe (Janinhoff), Dr. Katharina Schubert (NRW.Energy4Climate), Silke Krebs (Staatssekretärin MWIKE), Stephen Clitheroe (Janinhoff).
Foto: NRW.Energy4Climate
Die Janinhoff GmbH & Co. KG macht ernst bei der Energiewende: Als bundesweit erster Hersteller stellt der Mittelständler seine gesamte Produktion von Erdgas auf grünen Wasserstoff um. Doch damit nicht genug: Der Umbau findet während der laufenden Produktion statt.
Inhaltsverzeichnis
Wieso die Umstellung auf Wasserstoff?
Seit über hundert Jahren produziert das Familienunternehmen schon Ziegel und Klinker. Dabei kamen bislang konventionelle Brennstoffe wie Kohle und Erdgas zum Einsatz. 2024 unterschrieb das Unternehmen dann einen Klimaschutzvertrag mit der Bundesregierung. Darin verpflichtete sich Janinhoff, seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 60 % zu senken, bis 2042 sogar um 90 %. Um das zu erreichen, sollte grüner Wasserstoff die für die Brennprozesse nötige Energie liefern.
„Wir haben uns schon früh gefragt, wie eine Ziegelproduktion aussehen kann, wenn wir die Klimaveränderungen ernst nehmen“, erklärte Geschäftsführerin Dr. Caroline Foyer-Clitheroe in einer Pressemitteilung am 6. November. Der Klimaschutzvertrag mit der Regierung gleicht die Differenzkosten zwischen Erdgas und Wasserstoff aus – ohne diese Förderung wäre der Umstieg kaum darstellbar.
Aktuell verlängere man den Ofen, setze Effizienzmaßnahmen um und bereite den Anschluss an Wasserstoffpipelines vor, die bald das Münsterland erreichen sollen. Die Produktion läuft unterdessen weiter.

Bald will Janinhoff ausschließlich grünen Wasserstoff für seine Produktion nutzen.
Foto: NRW.Energy4Climate
Welche technischen Hürden gibt es?
Das ist alles andere als trivial. Denn die wasserstoffhaltige Atmosphäre im Ofen bringt neue Herausforderungen mit sich: veränderte Flammeneigenschaften, erhöhter Wasserdampfanfall und Auswirkungen auf die Ofenmauerung.
Besonders knifflig: Der Hersteller muss weiterhin auf Kundenwünsche eingehen können, etwa bezüglich der Farbgebung von Anthrazit bis klassischem Ziegelrot. Diese Parameter im Brennprozess auch mit Wasserstoff zu beherrschen, gehört bei Ziegelfabrikant Janinhoff zu den zentralen Aufgaben bei der Umstellung.
„Das unternehmerische Risiko ist nicht zu unterschätzen, insbesondere weil die gesamten Infrastrukturkosten bei uns liegen“, unterstreicht Foyer-Clitheroe. Gemeint sind vor allem die Kosten für den Anschluss an die Pipelines des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes, für die das Unternehmen selbst aufkommen muss.
Welche Vorteile bringt Wasserstoff beim Brennprozess?
Die Umstellung auf Wasserstoff könnte technische Vorteile bringen. Forschungsprojekte wie KLIMAZIEGPROD des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zeigen: Wasserstoff verändert den Brennprozess grundlegend.
Durch die wasserdampfhaltige Ofenatmosphäre lässt sich die Brenntemperatur absenken. Erste Versuche legen nahe, dass mit Wasserstoff gebrannte Hintermauerziegel eine rund 15 % höhere Druckfestigkeit aufweisen als Ziegel, die mit Erdgas bei gleicher Temperatur gebrannt wurden.
Ein weiterer Vorteil: Wasserstoff benötigt für die Verbrennung weniger Luft als Erdgas. Dadurch muss eine kleinere Luftmenge im Ofenraum erwärmt werden – bei Versuchen in einem Kammerofen führte das zu etwa 7 % Energieeinsparung. „Wir erwarten, dass mit dem Einsatz von Wasserstoff zusätzlich Energie eingespart werden kann“, resümieren die Forschenden aus dem KLIMAZIEGPROD-Projekt.
Ist die Idee übertragbar?
Zwei Drittel des Endenergiebedarfs der deutschen Industrie fließen in die Wärmeerzeugung für Prozesse wie Brennen, Schmelzen oder Schmieden. Alleine die deutschen Ziegelhersteller verursachen jährlich rund 1,74 Mio. Tonnen CO2 – hauptsächlich durch den Einsatz von Erdgas in den Brennöfen. Eine vollständige Substitution durch regenerativ gewonnenen Wasserstoff könnte potenziell fast 1,09 Mio. t des klimaschädlichen Gases einsparen.
Das Land Nordrhein-Westfalen und die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate unterstützen das Vorhaben aus Münster deshalb. „Janinhoff zeigt: Klimaneutralität ist keine Utopie, sondern umsetzbare Realität – auch in der energieintensiven Industrie und auch im Mittelstand“, betont Katharina Schubert, Geschäftsführerin von NRW.Energy4Climate.
In KLIMAZIEGPROD haben Wissenschaftler schon die Brennergruppe eines Tunnelofens auf den Betrieb mit bis zu 100 % Wasserstoff umgerüstet. Nach Projektende ist die Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis bei einem der Projektpartner geplant. Ebenso streben die Forschenden den brancheninternen und -externen Transfer auf weitere Baustoffe an. Dabei dürften dann auch die ersten Erfahrungen aus Münster eine Rolle spielen.
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