Schwimmende Photovoltaik: Mehr Platz für saubere Energie
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat einen Leitfaden zur schwimmenden Photovoltaik (Floating PV) veröffentlicht, der eine umfassende Anleitung zur Markteinführung und Nutzung dieser Technologie bietet.
Auf dem Cottbuser Ostsee, einem gefluteten ehemaligen Braunkohletagebau, entsteht derzeit eine umfangreiche Floating-PV-Anlage der LEAG Lausitz Energie Bergbau AG (Luftaufnahme per Drohne).
Foto: picture alliance/dpa/Patrick Pleul
Warum schwimmende Photovoltaik?
Die Energiewende ist ein zentrales Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Doch während der Bedarf an sauberem Strom steigt, wird der Platz an Land knapp. In vielen Regionen konkurrieren Photovoltaikanlagen mit Landwirtschaft, Naturschutz oder Wohnbebauung um die verfügbare Fläche.
Ein Lösungsansatz liegt auf der Hand – oder besser gesagt: auf dem Wasser. Schwimmende Solaranlagen, auch Floating-PV genannt, ermöglichen die Nutzung von stillgelegten Braunkohletagebaugruben, Baggerseen, Wasserreservoirs oder Klärteichen zur nachhaltigen Stromproduktion. Sie erweitern das Potenzial der Solarenergie, ohne wertvolle Landflächen zu beanspruchen.
Floating PV – Funktionsweise und Technik
Schwimmende Photovoltaik bezeichnet Solaranlagen, die nicht auf Dächern oder an Land, sondern auf Gewässern installiert werden. Kernstück sind schwimmende Trägerelemente, meist aus robustem Kunststoff, auf denen die Photovoltaikmodule montiert sind. Diese Schwimmkörper stabilisieren die Anlage und ermöglichen eine ideale Ausrichtung. Unter den Modulen sind die Kabel und Leitungen sicher verlegt, die schließlich den erzeugten Gleichstrom zu Wechselrichtern transportieren. Diese wandeln ihn in netzfähigen Wechselstrom um. Je nach Größe der Anlage befinden sich die Wechselrichter auf den Plattformen im Wasser oder an Land. Von dort wird der Strom ins öffentliche Netz eingespeist oder direkt vor Ort genutzt.
Vorteile schwimmender Photovoltaik
Schwimmende Solaranlagen bieten einige Vorteile, die über die Stromerzeugung hinausgehen. Einer der größten Pluspunkte ist die doppelte Flächennutzung: Stillgelegte Baggerseen, Speicherbecken oder Wasserflächen in Industrie- und Kläranlagen lassen sich energetisch nutzen, ohne ihren ursprünglichen Zweck zu beeinträchtigen.
Darüber hinaus reduziert eine Floating-PV-Anlage die Verdunstung des darunterliegenden Wassers – ein Effekt, der in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung oder Wasserknappheit durchaus positive Auswirkungen hat. Der Schattenwurf der Module wirkt wie eine Art Deckel, der das Gewässer schützt.
Ein weiterer Vorteil ist der kühlende Effekt des Wassers auf die Solarmodule. Anders als auf heißen Dächern oder trockenen Freiflächen heizen sich die Module weniger stark auf, was ihre elektrische Leistung steigern kann. Studien zeigen, dass der Wirkungsgrad unter bestimmten Bedingungen spürbar höher liegt als bei vergleichbaren Anlagen an Land.
Nicht zuletzt entschärft Floating PV den Flächenkonflikt zwischen Energiewirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz. Sie schafft neue Möglichkeiten der Stromerzeugung, ohne mit Nahrungsmittelproduktion oder ökologisch sensiblen Flächen zu konkurrieren.
Herausforderungen und Risiken von Floating PV
Trotz ihrer Vorteile sorgen schwimmende PV-Anlagen für einige technische, ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen, die bei der Planung und Umsetzung berücksichtigt werden müssen. Technisch stellen die dauerhafte Feuchtigkeit, Wind und wechselnde Wasserstände hohe Anforderungen an Material und Konstruktion. Korrosionsschutz ist ein wichtiges Thema, sowohl bei Metallteilen als auch bei den elektrischen Komponenten. Die Verankerung muss stabil, aber flexibel genug sein, um Pegelschwankungen und Strömungen standzuhalten. Auch die Wartung gestaltet sich auf dem Wasser aufwendiger als bei Anlagen an Land, etwa beim Zugang zu Wechselrichtern oder bei Reparaturen an den Modulen.
Aus ökologischer Sicht sind die Auswirkungen auf die Gewässer nicht abschließend erforscht. Größere Anlagen können das Licht unter Wasser reduzieren, was sich auf Algenwachstum, Sauerstoffproduktion und das ökologische Gleichgewicht auswirken könnte. Auch Veränderungen bei der Wassertemperatur oder mögliche Störungen für Wasservögel und Fische sind nicht auszuschließen. Daher müssen geeignete Standorte auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden.
Ein weiterer Aspekt ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Anwohnerinnen und Anwohner oder Gemeinden äußern mitunter Vorbehalte, sei es wegen möglicher Beeinträchtigung des Landschaftsbilds, Nutzungsbeschränkungen für Gewässer oder fehlender Informationen zum Nutzen der Anlage. Nicht zuletzt spielen die Kosten eine Rolle. Floating-PV-Anlagen sind in der Regel teurer in Planung, Installation und Wartung als konventionelle Systeme. Dennoch kann sich die Investition lohnen, etwa durch die Nutzung sonst unproduktiver Flächen oder Förderprogramme, die solche Energielösungen unterstützen.

Deutschlands größtes schwimmendes Solarkraftwerk liegt auf dem Silbersee III bei Haltern am See. Auf dem stillgelegten Baggersee erzeugen rund 5.800 Solarmodule auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern bis zu 3,1 Megawatt Strom.
Foto: picture alliance / Jochen Tack
Rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen
Die Umsetzung von Floating-PV-Projekten erfordert ein sorgfältiges Vorgehen im rechtlichen Rahmen, denn im Unterschied zu klassischen Dach- oder Freiflächenanlagen greifen dabei spezielle Vorgaben, vor allem aus dem Wasserrecht. Voraussetzung für den Bau ist eine wasserrechtliche Genehmigung. Zuständig sind in Deutschland die Landesbehörden oder die unteren Wasserbehörden, abhängig vom Standort und der Art des Gewässers. Genehmigt wird Floating PV nur, wenn keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gewässerökologie, die Wasserqualität oder die bestehende Nutzung zu erwarten sind.
Darüber hinaus gelten weitere Vorgaben, etwa aus dem Bau- und Naturschutzrecht, dem Immissionsschutz oder dem Anlagenzulassungsrecht. Auch Fragen der Verkehrssicherungspflicht, zum Zugang für Rettungskräfte und zum Abstand zu den Uferzonen oder Schifffahrtswegen müssen geklärt sein. Die rechtliche Einstufung kann sich je nach Bundesland unterscheiden. Auf europäischer Ebene ist Floating PV bislang noch nicht umfassend geregelt. Es greifen jedoch Richtlinien wie die Wasserrahmenrichtlinie, die regelt, dass sich der ökologische Zustand eines Gewässers durch einen solchen baulichen Eingriff nicht verschlechtern darf. Deutschland wurde im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit der Novelle von 2023 erstmals die spezifische Förderung für Floating-PV in Ausschreibungen geöffnet, allerdings nur für bestimmte Gewässertypen wie künstliche, nicht mehr genutzte Baggerseen.
Markt und Potenzial von schwimmender Photovoltaik
Floating-PV entwickelt sich international dynamisch, insbesondere in Ländern mit hoher Bevölkerungsdichte, wenig verfügbarem Land und großem Energiebedarf. Weltweit lag die installierte Leistung schwimmender Solaranlagen laut Schätzungen im Jahr 2024 bei über 5 Gigawatt. Führend sind asiatische Länder wie China, Japan, Südkorea und Indien, wo große Anlagen auf Stauseen und Industriegewässern entstehen. Aber auch Europa zieht nach: In den Niederlanden, Frankreich und Portugal wurden in den letzten Jahren mehrere Floating-PV-Großprojekte realisiert.
In Deutschland ist der Markt noch jung, aber wachsend. Bis Mitte 2024 wurden hierzulande schwimmende Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von insgesamt 21 Megawatt installiert, vor allem auf ehemaligen Baggerseen im Süden und Westen der Republik. Das technische Potenzial ist deutlich größer. Eine Potenzialstudie des Fraunhofer ISE schätzt, dass in Deutschland bis zu 90.000 Hektar künstlicher Wasserflächen für Floating PV geeignet sein könnten – das entspricht rechnerisch mehreren Gigawatt installierbarer Leistung. Das größte Potenzial liegt dabei in Sachsen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und NRW. Selbst wenn nur ein Teil dieser Flächen genutzt würde, würde das einen relevanten Beitrag zur Stromversorgung leisten.
Einsatzfelder und Beispiele für Floating PV
Floating-PV-Anlagen kommen bevorzugt dort zum Einsatz, wo Wasserflächen groß, ruhig und bereits technisch vorgeprägt sind. Typische Standorte sind industrielle Gewässer wie Kies- und Baggerseen sowie Wasserreservoirs in der Landwirtschaft und Industrie. Auch auf Stauseen oder Rückhaltebecken in wasserwirtschaftlich genutzten Regionen bieten sich Möglichkeiten, etwa in Verbindung mit bestehenden Energieinfrastrukturen.
In Deutschland entstehen die meisten Floating-PV-Projekte derzeit auf ehemaligen Baggerseen, zum Beispiel in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ein Vorzeigeprojekt ist die Anlage im baden-württembergischen Bad Schönborn, wo 27.000 Solarmodule rund 15 Megawatt Leistung bringen. Installiert ist sie auf dem Philippsee, einem Baggersee. Ein weiteres Beispiel ist der Energiekonzern RWE, der Floating PV auf einem Braunkohletagebausee in der Lausitz testet. International wird Floating PV bereits in ganz anderen Dimensionen gedacht. In China ging 2023 die größte schwimmende PV-Anlage der Welt ans Netz – mit über 320 Megawatt auf einem überfluteten Kohleabbaugebiet.
Interessant Hybridlösungen: So lassen sich Floating-PV-Anlagen mit Wasserkraftwerken koppeln, indem sie die Infrastruktur zur Netzeinspeisung und Regelung mitnutzen. Auch Kombinationen mit Aquakultur, etwa zur Fisch- oder Algenzucht, werden getestet. Dabei sorgt die Modulüberdachung für beschattete Zonen im Wasser, die das Wachstum bestimmter Arten begünstigen können.
Schwimmende Photovoltaik: Nachhaltigkeit und Umweltbilanz
Floating-PV-Anlagen leisten einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung. Vorausgesetzt, sie werden mit Blick auf ökologische, ökonomische und soziale Kriterien verantwortungsvoll geplant und betrieben. Ökologisch punkten sie vor allem durch die Einsparung von CO₂-Emissionen: Wie andere Photovoltaiksysteme erzeugen sie klimafreundlichen Strom ohne laufende Schadstoffemissionen. Zusätzlich helfen sie, Landflächen zu entlasten, Wasserverdunstung zu verringern und – bei richtiger Standortwahl – die Umwelt möglichst wenig zu beeinträchtigen. Gleichzeitig müssen Planerinnen und Planer sorgfältig abwägen: Eingriffe in das Ökosystem eines Gewässers durch Verschattung oder veränderte Strömungsverhältnisse müssen individuell bewertet und gegebenenfalls kompensiert werden.
Aus ökonomischer Sicht ist Floating PV zunehmend wettbewerbsfähig. Zwar liegen die Investitionskosten aktuell noch über denen konventioneller PV-Anlagen, insbesondere wegen der aufwendigen Konstruktion, Verankerung und Wartung. Langfristig können aber höhere Wirkungsgrade, die Nutzung bisher unproduktiver Flächen und sinkende Systempreise die Wirtschaftlichkeit verbessern, vor allem bei größeren Projekten und in Kombination mit vorhandener Infrastruktur.
Ein umfassendes Bild ergibt sich aus einer Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA), die alle Umweltwirkungen von der Herstellung über die Nutzung bis zum Rückbau betrachtet. Unter Berücksichtigung von Materialeinsatz, Logistik und Betrieb schneiden Floating-PV-Anlagen deutlich besser ab als fossile Energieträger und vergleichbar gut oder besser als herkömmliche PV-Systeme.
Berücksichtigt werden sollte zudem ein geplanter Rückbau nach Ende der Nutzungsdauer – in der Regel nach 25 bis 30 Jahren. Module, Schwimmkörper und metallische Komponenten lassen sich größtenteils recyceln. Die Rückführung in den Stoffkreislauf wird durch EU-weite Recyclingvorgaben (etwa nach der WEEE-Richtlinie) unterstützt. Herstellende sowie Betreiberinnen und Betreiber tragen dafür Verantwortung, die frühzeitig in die Projektplanung einfließen sollte.
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