Hohe Finanzierungskosten bremsen Wasserstoffpläne in Afrika
Grüner Wasserstoff aus Afrika wird teurer als gedacht. Eine Studie zeigt: Nur wenige Standorte sind ohne Garantien wirtschaftlich tragfähig.

Afrika sollte der Top-Lieferant von grünem Wasserstoff für Europa werden. Die hohen Finanzierungskosten könnten dies verhindern.
Foto: PantherMedia / thomaseder (YAYMicro)
Grüner Wasserstoff aus Afrika gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende in Europa. Doch laut einer neuen Studie der TUM sind die Finanzierungskosten in vielen afrikanischen Ländern deutlich höher als bislang angenommen. Nur wenige Standorte könnten unter günstigen Bedingungen wettbewerbsfähig produzieren. Ohne politische Garantien dürfte ein wirtschaftlicher Export kaum möglich sein.
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Große Erwartungen, hohe Kosten
Grüner Wasserstoff gilt als Schlüsseltechnologie für die klimafreundliche Transformation energieintensiver Branchen – insbesondere der Stahl-, Chemie- und Schwerindustrie. Da Europa seinen Bedarf an emissionsfreiem Wasserstoff nicht allein decken kann, rücken sonnen- und windreiche Regionen Afrikas zunehmend in den Fokus von Politik und Industrie. Erste Pilotprojekte sind bereits in Planung. Doch eine neue Studie unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) zeigt: Der Import von grünem Wasserstoff aus Afrika wird deutlich teurer als bisher angenommen.
Vor allem die Finanzierungskosten treiben die Preise in die Höhe. Das erschwert den Aufbau wirtschaftlich tragfähiger Exportinfrastrukturen erheblich. Von mehr als 10.000 untersuchten Standorten in Afrika könnten bei heutigem Zinsniveau nur rund 2 % den benötigten Wasserstoffpreis von etwa drei Euro pro Kilogramm erreichen – und auch das nur unter sehr günstigen Bedingungen.
Finanzierungskosten bislang unterschätzt
Das internationale Forschungsteam der TUM, der ETH Zürich und der University of Oxford hat bestehende Wirtschaftlichkeitsanalysen kritisch geprüft. In der bisherigen Planung wurden laut den Forschenden häufig pauschale Annahmen für Zinsen und Investitionsrisiken getroffen – in der Regel Zinssätze zwischen 4 % und 8 %. Doch diese Werte bilden die reale Investitionslage in vielen afrikanischen Staaten nicht ab.
„Die Bedingungen für Investitionen sind in jedem Land anders – und in vielen afrikanischen Ländern besonders risikoreich“, sagt Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM. Deshalb entwickelten die Forschenden ein neues Modell, das 31 afrikanische Staaten mit Blick auf Infrastruktur, Rechtslage, politische Stabilität, Transportwege und Kreditrisiken untersuchte.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Realistisch betrachtet liegen die effektiven Finanzierungskosten vielerorts deutlich höher. Je nach Land und Szenario reichen sie bis zu 27 %. Selbst unter günstigen Bedingungen ist nur mit Zinssätzen von rund 8 % zu rechnen – weit entfernt von bisherigen Kalkulationen.
Vier Szenarien, ein Ergebnis
Das Forschungsteam berechnete vier verschiedene Szenarien. Dabei wurde unter anderem berücksichtigt, ob der Staat Preis- und Abnahmegarantien für den Wasserstoff bietet und wie sich die Zinspolitik entwickelt. Besonders wichtig ist die Frage, ob Unternehmen das Investitionsrisiko vollständig selbst tragen oder ob politische Absicherungen greifen.
Kernbefund: Ohne Garantien und bei hohem Zinsniveau lägen die Produktionskosten selbst an den besten Standorten bei rund fünf Euro je Kilogramm Wasserstoff. Mit politischen Garantien und einem niedrigeren Zinsniveau könnte der Preis auf etwas über drei Euro sinken – aber auch dann wären nur rund 200 Standorte überhaupt wettbewerbsfähig.
Zum Vergleich: Die Europäische Wasserstoffbank vergab im Jahr 2024 Fördermittel für Wasserstoffprojekte. Das niedrigste erfolgreiche Gebot lag dort bei unter drei Euro pro Kilogramm. Afrika hätte es also selbst unter Idealbedingungen schwer, mit europäischen Standorten zu konkurrieren.
Risiken, die Standorte ausschließen
Die Studie weist zudem darauf hin, dass viele potenziell günstige Standorte in politisch instabilen Regionen liegen. Da das Modell Risiken nur auf nationaler Ebene abbilden kann, könnte die Zahl der tatsächlich wettbewerbsfähigen Produktionsorte nochmals geringer sein. Regionen mit hohen Erzeugungspotenzialen, aber mangelnder Sicherheit fallen so faktisch aus der Auswahl.
„Die sozio-politischen Risiken wurden bislang nicht ausreichend in die Kalkulationen einbezogen“, erklärt Stephanie Hirmer, Professorin für Climate Compatible Growth an der University of Oxford. Ohne Garantien für Sicherheit und Abnahme sei ein wirtschaftlicher Betrieb kaum realisierbar.
Afrika braucht verbindliche Partnerschaften
Für den erfolgreichen Aufbau einer Wasserstoffpartnerschaft zwischen Afrika und Europa braucht es daher mehr als nur Technologie und Fördergelder. Entscheidend sind politische Instrumente wie Abnahmegarantien, Kreditausfallversicherungen oder bilaterale Verträge. Nur wenn europäische Staaten langfristige Kaufzusagen machen, können afrikanische Projekte Investitionen zu vertretbaren Kosten sichern.
„Afrikanische Produktionsstandorte können für den Export nach Europa nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn die europäischen Staaten garantieren, dass sie bestimmte Mengen grünen Wasserstoffs zu festgelegten Preisen abnehmen“, betont Florian Egli. Auch internationale Organisationen wie die Weltbank könnten durch Kreditgarantien den Finanzierungsdruck mindern.
Vier Szenarien zur Finanzierung Grüner-Wasserstoff-Projekte in Afrika:
- Szenario 1: Hohes Zinsniveau, kein politischer Schutz – Investierende tragen das volle Risiko. ➝ Produktionskosten ab ca. 5 €/kg
- Szenario 2: Hohes Zinsniveau, mit Preis- und Abnahmegarantien durch europäische Staaten. ➝ Produktionskosten sinken leicht
- Szenario 3: Niedriges Zinsniveau, kein politischer Schutz. ➝ Günstigere Finanzierung, aber hohes Investitionsrisiko bleibt
- Szenario 4: Niedriges Zinsniveau und politische Garantien. ➝ Best Case: Produktionskosten ab ca. 3 €/kg möglich
➔ Nur im letzten Szenario könnten rund 200 Standorte in Afrika bis 2030 wettbewerbsfähig werden.
Mehr als nur Kosten: Fairness und Entwicklung
Die Forschenden machen deutlich: Es geht nicht nur um Wirtschaftlichkeit. Der Aufbau einer Wasserstoffindustrie in Afrika kann auch entwicklungspolitisch bedeutsam sein – vorausgesetzt, die Projekte sind stabil, transparent und nutzen auch der lokalen Bevölkerung. „Wenn der momentane Hype nicht mit sinnvollen politischen Maßnahmen unterfüttert wird, riskieren wir Projekte, die am Schluss weder kostengünstig sind noch einen Mehrwert für die Bevölkerung vor Ort schaffen“, warnt Stephanie Hirmer.
Langfristige Verträge, transparente Verfahren und faire Partnerschaften sind deshalb ebenso wichtig wie technische Effizienz oder Standortvorteile. Nur so kann grüner Wasserstoff aus Afrika tatsächlich Teil einer globalen Energiewende werden – und gleichzeitig einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Kontinent leisten.
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