5 Tonnen Wasserstoff täglich: Hydrogenious startet Engineering für erste LOHC-Großanlage
Hydrogenious LOHC baut in Bayern die weltweit größte Anlage zur Freisetzung von Wasserstoff aus flüssigen Trägerstoffen. Jetzt steht ein Partner für die FEED-Phase fest – 2028 soll es losgehen. Wir zeigen, was geplant ist.
Vertragsunterzeichnung zwischen Hydrogenious LOHC-COO Dr. Stefan Bürkle (l.) und Uwe Gaudig, Managing Director bei der Griesemann Gruppe.
Foto: Jens Müller | Hydrogenious LOHC
Im bayerischen Vohburg soll ab 2028 die weltweit größte Anlage zur Freisetzung von Wasserstoff aus flüssigen Trägerstoffen entstehen. Das Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC hat dafür die Griesemann Gruppe mit dem Engineering (FEED) und Baumanagement (EPCM) beauftragt. Täglich sollen bis zu 5 t grüner Wasserstoff freigesetzt werden – der Transport erfolgt per LOHC in gewöhnlichen Tanklastwagen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist LOHC?
LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carriers – flüssige organische Wasserstoffträger. Es handelt sich dabei um ölartige Verbindungen, die Wasserstoff chemisch binden und bei Bedarf wieder freisetzen können. Hydrogenious setzt auf das Trägermedium Benzyltoluol.
Der Wasserstoff wird durch Hydrierung in den Trägerstoff eingebunden. Mit Wasserstoff „beladene“ LOHC können dann bei Umgebungstemperatur und -druck transportiert werden – also ohne zusätzliche Kühlung oder Drucktanks, ähnlich wie Diesel. Am Zielort wird der Wasserstoff dann durch Dehydrierung wieder freigesetzt. Der Clou: Das Trägeröl bleibt unverändert – laut Hydrogenious lässt es sich nahezu unbegrenzt wiederverwenden.
Seinen größten Vorteil hat das Trägeröl in puncto Transporteffizienz: Ein 30-m³-Tanklastwagen kann bis zu 1500 kg Wasserstoff in LOHC gebunden transportieren. Für dieselbe Menge würden etwa 20 Hochdruck-Trailer für gasförmigen Wasserstoff benötigt, die jeweils nur 200 kg bis 300 kg transportieren.
Was macht die Anlage genau?
Die Dehydrierungsanlage in Vohburg soll täglich bis zu 5 t RFNBO-zertifizierten Wasserstoff aus LOHC freisetzen – das entspricht 1800 t Wasserstoff pro Jahr. Dieser wird in der Bayernoil-Raffinerie grauen Wasserstoff aus Erdgas ersetzen und so jährlich bis zu 16.000 t CO₂ einsparen. Perspektivisch will Hydrogenious die Anlage noch vergrößern.
Der Wasserstoff aus LOHC besitzt nach der Freisetzung eine Reinheit von 99,9 %. Damit könnte er direkt nach der Freisetzung in der Raffinerie verwendet werden – eine Aufbereitung ist nicht nötig.
„Zu einer Zeit, in der die Wasserstoffwirtschaft vor Unsicherheiten steht, brauchen wir greifbare Projekte und technologieneutrale Ansätze“, erklärte Dr. Andreas Lehmann, CEO von Hydrogenious LOHC. „Die FEED-Phase ist nicht nur ein technischer Meilenstein – sie ist ein Signal an Politik und Industrie, beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft am Ball zu bleiben.“

Drei Flaschen mit LOHC-Proben.
Foto: picture alliance/dpa | Daniel Vogl
Wie funktioniert die LOHC-Lieferkette?
Das Projekt „Green Hydrogen @ Blue Danube“ bildet zusammen mit der „Hector„-Hydrierungsanlage im Chempark Dormagen die weltweit erste LOHC-Lieferkette in industriellem Maßstab. Sie soll vier Schritte umfassen:
- Dormagen (NRW): Wasserstoff aus einer Chloralkalielektrolyse des Chemiekonzerns Covestro wird in LOHC eingespeichert.
- Transport: Beladene LOHC werden per Lkw von Nordrhein-Westfalen nach Bayern transportiert.
- Vohburg (Bayern): Der Wasserstoff wird aus LOHC freigesetzt und in der Raffinerie genutzt.
- Rücktransport: Entladene LOHC werden zurück nach Dormagen transportiert und können dort wieder beladen werden.
Wie viel Energie benötigt der Prozess?
Die Dehydrierung verbraucht etwa 11 kWh pro kg Wasserstoff. Diese Energie wird über ein Thermoöl zugeführt, das auf rund 300 °C erhitzt wird. Hydrogenious will dafür vor allem Abwärme aus industriellen Prozessen nutzen, die ohnehin auf dem benötigten Temperaturniveau anfallen: Das erhöht die Wirtschaftlichkeit. In Vohburg wird die Prozesswärme aus der Bayernoil-Raffinerie kommen.
Bei der Hydrierung in Dormagen werden umgekehrt etwa 9 kWh Energie pro 1 kg Wasserstoff als Wärme frei. Diese speist Hydrogenious gegen eine Vergütung ins Dampfnetz von Covestro ein.
Wie ist der Zeitplan?
Die FEED-Phase soll in Kürze beginnen und in der zweiten Jahreshälfte 2026 abgeschlossen sein. Eine finale Investitionsentscheidung (FID) steht noch aus – hierfür dürften die Ergebnisse der FEED-Studie entscheidend sein. Läuft alles wie geplant, will Hydrogenious die Anlage Mitte 2028 in Betrieb nehmen. Insgesamt werden also etwa drei Jahre zwischen FEED-Phase und kommerziellen Anlagenstart vergehen.
Nach einem Ausschreibungsverfahren hatte Hydrogenious die Griesemann Gruppe als Engineering-Partner gewählt. Das Unternehmen aus Wesseling bei Köln beschäftigt über 1750 Mitarbeitende und ist auf den Bau komplexer Chemieanlagen spezialisiert. Ein prominentes Beispiel ist die Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe (TPP), die Griesemann für das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Leuna errichtet.
Wer finanziert das Projekt?
„Green Hydrogen @ Blue Danube“ ist von der EU-Kommission als „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) anerkannt. Bund und Freistaat Bayern fördern es gemeinsam mit 72,5 Mio. €.
Langfristig sieht sich Hydrogenious als reiner Technologieanbieter, der Lizenzen für die LOHC-Technologie vergibt und spezielle Ausrüstungsteile wie Reaktoren und Katalysatoren liefert. Für das Vohburg-Projekt wird das 2013 gegründete Unternehmen jedoch noch als Anlagenbauer und -betreiber auftreten, um die Funktionsfähigkeit der gesamten Prozesskette nachzuweisen. Auf seiner Website bezeichnet sich das Spin-off der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen als Weltmarktführer für LOHC-Technologie.
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