Professoren gesucht: Fachhochschulen öffnen neue Wege in die Wissenschaft
Viele Ingenieurinnen und Ingenieure wissen gar nicht, dass der Weg an die Fachhochschule offensteht – und dass Praxiserfahrung dabei sogar Voraussetzung ist. Doch genau das macht die Gewinnung neuer Professorinnen und Professoren schwierig: Wer einmal in der Industrie Fuß gefasst hat, kehrt selten in die Wissenschaft zurück. Darüber sprechen wir mit Lisa-Marie Grüner, Referentin Talentmanagement und Recruiting ProFHaachen am Rande des Vdi-nachrichten Recruiting Tages in Köln.
Der Nachwuchs fehlt: Lisa-Marie Grüner erklärt, warum viele Fachhochschulen offene Professuren kaum besetzen können.
Foto: Alexandra Ilina
Viele Hochschulen klagen über Nachwuchsprobleme bei Professuren. Woran liegt das?
Lisa-Marie Grüner: Es ist tatsächlich nicht einfach, Kandidat*innen für eine Professur zu finden. Der Karriereweg zur Fachhochschulprofessur ist vielen gar nicht bekannt. Viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen nach ihrer Promotion in die Industrie – und da verlieren wir sie oft aus dem Blick. Häufig bleiben sie dann auch in der Wirtschaft, weil sie dort schnell aufsteigen und attraktive Karrierewege finden.
Berufserfahrung als Schlüssel zur Professur
Was sind denn die Voraussetzungen, um überhaupt Professorin oder Professor an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) zu werden?
Grundvoraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, in der Regel mit Promotion. Außerdem müssen Bewerberinnen und Bewerber insgesamt fünf Jahre Berufserfahrung mitbringen – davon mindestens drei Jahre außerhalb der Hochschule, also in der Industrie. Hinzu kommt eine pädagogische Eignung, die man zum Beispiel durch Lehrveranstaltungen nachweisen kann.
Also ist Berufserfahrung in der Industrie sogar Pflicht?
Ja, genau. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Fachhochschulen. Wir wollen, dass unsere Studierenden praxisnah unterrichtet werden. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Professorinnen und Professoren die Arbeitswelt kennen und eigene Erfahrungen einbringen können.
Erfahrene Ingenieurinnen und Ingenieure sind gefragt
Sind auch Bewerberinnen und Bewerber interessant, die schon lange in der Industrie gearbeitet haben – vielleicht 20 Jahre oder mehr?
Absolut! Wenn eine Promotion vorhanden ist, sind solche Bewerberinnen und Bewerber für uns sehr interessant. Sie bringen enorme Praxiserfahrung mit und können den Studierenden viel mitgeben. Problematisch wird es nur, wenn sie zu spät kommen – ab etwa 49 Jahren ist eine Verbeamtung meist nicht mehr möglich. Dann bleibt nur ein privatrechtlicher Vertrag, was für beide Seiten oft weniger attraktiv ist.
Aus welchen Branchen rekrutieren Sie Professorinnen und Professoren?
Sehr breit – vom Maschinenbau über Automobil- und Luftfahrttechnik bis hin zu Informations- und Energietechnik. Wir bilden in allen großen Ingenieurbereichen aus und brauchen entsprechend viele Fachrichtungen in der Lehre.
Wie viele Professuren sind aktuell ausgeschrieben?
Im Prinzip haben wir dauerhaft Ausschreibungen laufen. Durch die Pensionierungen der Baby-Boomer-Generation werden in den nächsten fünf Jahren viele Stellen frei. Das ist eine echte Herausforderung für uns, weil wir das Wissen nicht verlieren dürfen und die Nachfolge rechtzeitig regeln müssen.
Projekte und Talentpools sollen den Weg erleichtern
Gibt es Initiativen, um mehr Menschen für die Fachhochschulprofessur zu gewinnen?
Ja, wir arbeiten in einem bundesweiten Projekt mit fast 100 Fachhochschulen zusammen. Ziel ist es, die Nachwuchssicherung zu verbessern und mehr qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten für Professuren zu gewinnen. Dazu gehört auch ein sogenannter Talentpool, in dem sich Interessierte registrieren und gezielt Informationen und Unterstützung auf dem Weg zur Professur erhalten können.
Was würden Sie jemandem raten, der überlegt, Professor oder Professorin an einer Fachhochschule zu werden?
Sich frühzeitig informieren! Wer den Wunsch hat, sollte schon während der Promotion überlegen, wie er oder sie Berufserfahrung in der Industrie sammelt. Und natürlich lohnt es sich, Kontakt mit uns aufzunehmen – etwa über den Talentpool oder Informationsveranstaltungen. Der Weg ist machbar, aber man muss ihn kennen.
Die FH Aachen
- mehr als 13.000 Studierende
- 240 Professor*innen
- 1300 Mitarbeitende in Lehre, Forschung und Verwaltung
- 10 Fachbereiche: Architektur, Bauingenieurwesen, Chemie und Biotechnologie, Gestaltung, Elektrotechnik und Informationstechnik, Aerospace und Automotive Engineering, Wirtschaftswissenschaften, Maschinenbau und Mechatronik, Medizintechnik und Technomathematik, Energietechnik
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