Management 19.08.2025, 09:00 Uhr

Wie Führungskräfte aus dem Motivationsloch herauskommen

Immer mehr Führungskräfte verlieren die Motivation. Das Phänomen des „Quiet Quitting“ macht auch vor den oberen Etagen nicht halt und trifft auch Ingenieure und Ingenieurinnen. Wie können Führungskräfte und ihr Umfeld entgegensteuern? Coach Violeta Nikolic weiß Rat.

Coach Violeta Nikolic hat auch Ingenieure und Ingenieurinnen in ihrer Beratung. Foto: Violeta Nikolic

Coach Violeta Nikolic hat auch Ingenieure und Ingenieurinnen in ihrer Beratung.

Foto: Violeta Nikolic

ingenieur.de: Frau  Nikolic, hat die Zahl der Führungskräfte, die selbst die Motivation verloren haben, in der letzten Zeit zugenommen? Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Violeta Nikolic: Ja, die Zahl hat deutlich zugenommen. Und nicht nur gefühlt, sondern messbar. Immer mehr Führungskräfte verlieren ihre innere Bindung zum Unternehmen, ohne es laut auszusprechen. Die Entwicklung ist nicht nur spürbar, sie zeigt sich auch in konkreten Zahlen. Laut dem aktuellen Gallup Report „State of the Global Workplace 2025″ sind in Europa nur 13 % der Beschäftigten engagiert. 73 % machen Dienst nach Vorschrift. Und 15 % haben innerlich bereits gekündigt und sind aktiv unzufrieden. Weltweit sieht es kaum besser aus. Nur 21 % der Mitarbeitenden gelten als engagiert, während 62 % nicht engagiert sind und 17 % aktiv unzufrieden. Gerade in der Führungsebene sind diese Zahlen noch alarmierender, mit einem stetigen Rückgang der Motivation, gestiegener Wechselbereitschaft und sichtbaren Rücktritten auf leiser Flamme.

Die stille Kündigung beginnt dort, wo Resonanzerleben und Sinnhaftigkeit fehlen

Führungskräfte sind davon keineswegs ausgenommen. Auch sie erleben einen tiefen Einbruch an Engagement, oft verstärkt durch strukturelle Einsamkeit, hohe Verantwortung und mangelnde emotionale Unterstützung. In den Coachings zeigt sich, dass sie gerade im Stillen leiden. Und ihre Demotivation überträgt sich auf das gesamte System. Die stille Kündigung beginnt oft dort, wo Resonanzerleben und Sinnhaftigkeit fehlen.

Immer mehr Organisationen registrieren steigende Fehlzeiten in oberen Führungsetagen, zunehmende Wechselbereitschaft und stille Rücktritte. Die Loyalität zur Firma bröckelt, wenn innere Werte nicht mehr zur gelebten Realität passen. Gleichzeitig steigt der Wunsch nach echter Gestaltung, nach Sinn, nach Balance. Was früher als Midlife-Crisis galt, ist heute oft eine Führungskrise der Mitte, ausgelöst durch strukturelle Überforderung und fehlenden Resonanzraum.

„Quiet Quitting“ ist zu einer Chiffre für inneren Rückzug geworden

„Quiet Quitting“ ist zu einer Chiffre für diesen inneren Rückzug geworden. Dieses leise Abschalten beginnt oft dann, wenn Menschen zwar noch auf dem Papier führen, aber innerlich aussteigen. Das passiert nicht aus Faulheit, sondern aus Erschöpfung, Frustration oder dem schleichenden Verlust von Sinn.

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Ich sehe das bei langjährigen Führungspersönlichkeiten ebenso wie bei ambitionierten Nachwuchskräften. Es betrifft Teamleitungen, Bereichsleitungen, Projektverantwortliche. Auch Mitglieder der Geschäftsführung kommen mit exakt diesem Thema ins Coaching. Es ist eine stille Epidemie und sie macht nicht vor Titeln halt.

Führung im Autopilot-Modus: Der Körper ist noch anwesend, das Herz ist weit weg

Was sind die Gründe dafür, dass Führungskräfte die Lust verlieren und Quiet Quitting vollziehen?

Es gibt nicht den einen Grund. Meist ist es ein unsichtbares Netz aus Belastungen, das sich über Jahre gespannt hat. Ich stelle im Coaching oft Fragen wie: Wo fehlt die Richtung im ständigen Wandel? Wann wurde Ihnen zuletzt Wertschätzung gezeigt? Wie viel innerer Widerspruch steckt zwischen dem, was Sie leben, und dem, was Sie vertreten sollen?

Wie viel Entscheidungsspielraum haben Sie wirklich? Gibt es noch Perspektiven für Entwicklung? Und was ist mit Ihrem Leben außerhalb des Jobs? Wie sehr drängt es sich inzwischen in den Vordergrund? Viele berichten mir, dass sie irgendwann den inneren Autopiloten aktiviert haben. Der Körper ist noch anwesend, das Herz schon weit weg.

Das Phänomen trifft alle Altersgruppen

Trifft das für alle Altersgruppen zu oder sind manche besonders betroffen?

Ja, dieses Phänomen betrifft alle Altersgruppen. Jüngere Führungskräfte zwischen 30 und 40 starten mit Feuer, Vision und Tempo. Und stehen dann vor der Frage: Wie soll ich dauerhaft bestehen zwischen hoher operativer Verantwortung, digitalen Daueranforderungen und dem Wunsch, ein erfülltes Leben zu führen? Die mittlere Altersgruppe zwischen 40 und 50 befindet sich oft in einem anspruchsvollen Spagat. Wie halte ich mein bisher Erreichtes stabil und entwickle mich gleichzeitig weiter? Diese Führungskräfte tragen meist große Verantwortung, beruflich wie privat.

Viele stecken mitten in der Rushhour des Lebens, mit Kindern, Pflegefällen, Veränderungsdruck in der Organisation. Die Frage, die oft mitschwingt: Wie viel von mir bleibt übrig, wenn ich immer weiter funktioniere? Reifere Führungskräfte zwischen 50 und 60 dagegen stellen sich eine andere Frage: Wofür stehe ich eigentlich noch? Wenn Erfahrung nicht mehr zählt und der Einfluss schwindet, entsteht ein Gefühl der Entkopplung. Es sind zwar unterschiedliche Fragen, aber dieselbe Sehnsucht nach Sinn, Wirksamkeit und Selbstverbindung.

Ingenieure gehören zu den Betroffenen, weil emotionale Resilienz kein Thema ist

Sind manche Branchen besonders betroffen?

Ja. Und sie haben eine Gemeinsamkeit. Oft ist es die Dominanz von Zahlen über Zwischenmenschliches. Fachwissen wird geschätzt, emotionale Intelligenz kaum eingefordert und noch seltener gefördert. Besonders häufig erlebe ich diese Dynamik in Ingenieurwesen und Technik, Pharma, Industrie und IT, Finanzwesen sowie Gesundheits- und Bildungsinstitutionen. Diese Branchen verlangen Effizienz, doch wer kümmert sich um emotionale Resilienz?

Welche Ingenieure sitzen auf Ihrer Couch?

Bis jetzt vor allem  Bau-, Elektro- und Wirtschaftsingenieure. Ingenieure, die zu mir kommen, sind klar, analytisch und selbstkritisch. Sie sagen Sätze wie: „Ich weiß, dass ich innerlich längst gegangen bin. Aber wie komme ich zurück?“ Gemeinsamkeiten aus meiner Erfahrung? Ein hoher Anspruch an sich selbst, ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein und zu wenig Übung darin, sich selbst emotional zu führen. Viele sind hervorragend ausgebildet. Doch wer hat ihnen beigebracht, wie man mit innerer Leere umgeht?

Frauen zeigen größere Bereitschaft, in die Tiefe zu gehen

Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern im Umgang mit der Situation?

Aus meiner Erfahrung? Ja, definitiv. Und dieser Unterschied beginnt oft schon bei der Wahrnehmung des eigenen Zustands. Frauen stellen sich schneller die Frage: „Was stimmt hier nicht mehr für mich?“ Sie reflektieren früher, suchen eher den Dialog und sind meist offener, sich emotional einzulassen. In Coachings zeigen sie eine größere Bereitschaft, in die Tiefe zu gehen, komplexe innere Zusammenhänge zu erforschen und auch unbequeme Wahrheiten anzuschauen.

Zudem sind sie oft neugierig auf unterschiedliche methodische Ansätze, auch solche, die nicht rein kognitiv oder lösungsorientiert funktionieren. Männer hingegen zeigen sich über längere Zeit funktional, das heißt, nach außen stabil, nach innen zunehmend unter Druck. Wenn dieser Druck zu groß wird, kommt es oft abrupt zum Zusammenbruch. Was vorher souverän und kontrolliert wirkte, fällt plötzlich in sich zusammen.

Männer möchten strukturierte Orientierung

Zudem zeigen Männer häufiger den Wunsch nach strukturierter Orientierung. Sie bevorzugen diagnostische Verfahren, bei denen Zahlen, Daten und Fakten eine Rolle spielen z. B. wissenschaftlich fundierte Analysen und Auswertungen, auf die sie sich stützen können. Es hilft ihnen, das Erlebte einzuordnen und einen Zugang zu sich selbst zu finden. Das passiert über diese Art von Klarheit, bevor die emotionale Ebene sich öffnet. Beide Wege sind legitim. Entscheidend ist, dass Coaching den Raum bietet, um die jeweilige Art des Zugangs zu ermöglichen.

Die WHO definiert Burn-out als arbeitsbezogenes Syndrom mit drei Hauptmerkmalen

Was ist der Unterschied zwischen fehlender Motivation und Burn-out?

Fehlende Motivation und Burn-out sind zwei unterschiedliche Phänomene, aber sie stehen oft in einem funktionalen Zusammenhang. In vielen Fällen ist der Verlust an Motivation ein frühes Warnsignal. Burn-out hingegen ist das Resultat, wenn über längere Zeit keine Gegenregulation erfolgt. Motivationsverlust entsteht meistens schleichend als Reaktion auf unerfüllte psychologische Grundbedürfnisse wie Sinn, Wertschätzung, Autonomie oder Zugehörigkeit. In dieser Phase beginnt der innere Rückzug.

Menschen fragen sich: „Warum tue ich das hier eigentlich noch?“ Die emotionale Bindung zur Arbeit lässt nach, Begeisterung schwindet, Zynismus nimmt zu. Doch in diesem Zustand ist noch Spielraum vorhanden, ob für Reflexion, Neuausrichtung oder bewusste Entscheidungen. Burn-out hingegen ist ein Zustand massiver, chronischer Überforderung, körperlich, emotional, kognitiv und seelisch. Die WHO definiert Burn-out als arbeitsbezogenes Syndrom mit drei Hauptmerkmalen wie emotionale Erschöpfung, Zynismus oder Depersonalisierung und reduzierter Leistungsfähigkeit.

Es ist die Wechselwirkung zwischen Mensch und System, die darüber entscheidet, ob und wie ein Burn-out entsteht.

Die Praxis zeigt ein komplexeres Bild. Burn-out entsteht nicht ausschließlich durch äußere Bedingungen, sondern immer im Zusammenspiel mit der eigenen Persönlichkeit. Wie stark Menschen auf Belastung reagieren, ist individuell sehr unterschiedlich, abhängig von inneren Mustern, Selbstansprüchen, biografischen Prägungen und emotionaler Resilienz.

Nicht jeder Mensch empfindet gleich viel Druck, nicht jeder hat dieselben Verwundbarkeiten und nicht jeder greift zu denselben Bewältigungsstrategien. In seinem empfehlenswerten Buch „Das Burnout-Syndrom“ beschreibt Prof. Dr. Matthias Burisch diesen Zusammenhang ausführlich und sehr klar. Es ist nicht nur das System, das krank macht, es ist die Wechselwirkung zwischen Mensch und System, die darüber entscheidet, ob und wie ein Burn-out entsteht.

„Quiet Quitting“ ist ein Versuch der Selbstregulation

Deshalb braucht Prävention mehr Pausen. Sie braucht Selbstkenntnis, Selbstführung und den Mut, auch das eigene Innenleben in die Betrachtung einzubeziehen. Während fehlende Motivation noch Fragen stellt, verstummt in einem Burn-out die innere Stimme. Es bleibt nicht bei Distanz, es kommt zum emotionalen Kollaps, zu tiefer innerer Leere, häufig begleitet von Schlafstörungen, Reizbarkeit, körperlichen Symptomen und einem Gefühl existenzieller Entfremdung.

„Quiet Quitting“ ist das stille Zurückziehen und in vielen Fällen kein Zeichen mangelnden Engagements, sondern ein Versuch der Selbstregulation. Es ist ein inneres Stoppsignal, bevor das System kollabiert. Coaching kann in der Phase des Motivationsverlusts hochwirksam sein, vor allem als präventiver Raum für Reflexion, Klärung und Neujustierung. Im Fall eines manifesten Burn-outs hingegen braucht es professionelle therapeutische Begleitung, medizinische Unterstützung und nicht zuletzt strukturelle Veränderungen im beruflichen und oder privaten Umfeld.

Kleine Veränderungen sind Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt

Wie kann eine Führungskraft erkennen, dass es sozusagen mit ihr bergab geht?

Nicht große Krisen, sondern kleine Verschiebungen im Inneren sind oft die ersten Anzeichen. Um diese Veränderungen wahrzunehmen, können folgende Fragen hilfreich sein: Warum ist selbst das Wochenende keine Erholung mehr? Warum ist der Kalender leer, aber der Kopf rast? Warum wirkt alles grau, obwohl äußerlich nichts passiert ist?

Warum wird jedes Feedback als Kritik empfunden? Warum ziehe ich mich von Menschen zurück, die mir eigentlich nahestehen? Oft beginnt es mit einem leisen, aber tiefen Satz: „Ich erkenne mich selbst nicht mehr.“ Was es dann braucht, ist kein Plan zum Abarbeiten, sondern einen geschützten Raum für ehrliche, selbstverantwortliche Klärung.

Führungskräfte sind auch nur Menschen in Rollen

 Leiden die Personen, die zu Ihnen kommen, unter der Situation?

Ja, und oft mehr, als sie sich selbst eingestehen wollen. Viele berichten von Schlaflosigkeit, innerer Unruhe und Gereiztheit. Manche fühlen sich wie in einem Hamsterrad, aus dem sie nicht aussteigen können. Andere sagen: „Ich fühle mich leer, obwohl ich alles erreicht habe.“

Hinter diesen Aussagen stehen echte emotionale Erschöpfung und ein tiefer Verlust von Lebensfreude. Führungskräfte sind nicht immun gegen Krisen. Sie sind Menschen in Rollen, keine Maschinen in Anzügen. Das anzuerkennen, ist der erste Schritt zur Veränderung.

Was ist größer, die Angst, wirtschaftlichen Schaden anzurichten oder den anderen nicht gerecht zu werden?

Diese Frage trifft mitten ins Zentrum vieler Coachings. Was quält mehr? Die Verantwortung für Zahlen oder die Verantwortung für Menschen? In meiner Erfahrung ist es oft Letzteres. Viele Führungskräfte haben einen tief verankerten Anspruch, anderen gerecht zu werden. Sie wollen nicht enttäuschen. Sie wollen nicht die sein, die das Team hängen lassen.

Gerade die engagierten, loyalen, empathischen Persönlichkeiten leiden besonders stark unter dem Gefühl: „Ich reiche nicht mehr.“ Natürlich existiert auch die Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen. Doch diese ist meist rationaler Natur. Die andere, emotionalere Angst – die, nicht mehr genügen zu können – geht viel tiefer. Sie kratzt am Selbstbild. Und genau deshalb wirkt sie oft so lähmend.

Der Tonfall, das Schweigen, die Gesten – all diese Veränderungen im Ausdruck können Indizien sein

Wie kann das Umfeld erkennen, dass jemand betroffen ist?

Veränderung kündigt sich oft nicht laut an. Sie schleicht sich ein, z.B. in kleinen Gesten, im Tonfall oder im Schweigen. Gerade im beruflichen Umfeld bleibt vieles ungesagt. Doch wer aufmerksam ist, erkennt erste Signale oft früh. Vorausgesetzt, er oder sie schaut wirklich hin. Nicht durch die Brille der Leistung, sondern mit echtem Interesse am Menschen dahinter. Folgende Fragen können helfen, subtile Veränderungen im Verhalten wahrzunehmen:

  • Wird die Kommunikation knapper, gereizter oder ausweichender als sonst?
  • Ziehen sich Menschen zurück, die früher präsent, interessiert oder engagiert waren?
  • Verändert sich das äußere Erscheinungsbild, etwa in Kleidung, Körperhaltung oder Gesichtsausdruck?
  • Wird Verantwortung abgegeben, nicht delegiert, sondern entledigt?
  • Fehlen Begeisterung und Emotionalität dort, wo früher spürbare Energie war?

Diese kleinen Verschiebungen im Ausdruck sind oft die ersten Hinweise darauf, dass etwas im Inneren nicht mehr im Gleichgewicht ist. Doch es braucht mehr als Beobachtung. Es braucht die Bereitschaft, hinzuspüren und nachzufragen. Nicht mit Vorwürfen, sondern mit einer echten Haltung von Interesse und Mitmenschlichkeit. Denn die wichtigste Frage in solchen Momenten lautet nicht: „Was läuft falsch?“, sondern: „Was brauchst du gerade wirklich?”

Mitarbeitende brauchen Empathie und Mut

 Wie sollten Mitarbeitende reagieren, die das feststellen? Auch wenn sie möglicherweise in der Hierarchie „unter“ der Person stehen oder aus einer anderen Abteilung sind?

Das erfordert Empathie. Und oft auch Mut. Denn eine Veränderung bei einer Führungskraft wahrzunehmen, ist das eine. Sie respektvoll und wirksam anzusprechen, das andere. Gerade dann, wenn ein Hierarchiegefälle besteht oder die Beziehung nicht eng ist, zögern viele.

Aus Unsicherheit, aus Sorge oder Angst, sich einzumischen. Doch genau hier liegt eine große Chance  für echte und mitmenschliche Kultur. Denn der Rückzug einer Führungskraft ist nicht nur ihr persönliches Thema. Er hat immer auch Auswirkungen auf das Umfeld, beispielsweise auf das Team, die Stimmung und die Wirksamkeit.

Es geht nicht darum, die Führungskraft zu analysieren und zu bewerten

Wichtig ist die innere Haltung. Es geht nicht darum, jemanden zu analysieren oder zu bewerten. Es geht um ein Angebot der Verbindung, aber feinfühlig und echt. Mögliche Wege können sein: ein wertschätzender Gesprächseinstieg: „Ich habe das Gefühl, du bist in letzter Zeit sehr still. Wenn du mal jemanden brauchst zum Entlasten …ich bin da.“ Oder: „Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbilde, aber wenn du magst, höre ich gerne zu.“ Ein Angebot auf der Sachebene wäre: „Wenn du bei der nächsten Deadline Unterstützung brauchst, ich hätte Kapazitäten.“ Oder: „Ich könnte dir einen Teil der Präsentation abnehmen, falls dir das gerade hilft.“

Auch ein sensibler Hinweis aus der Beobachtung heraus ist möglich: „Ich nehme wahr, dass du dich ein bisschen zurückziehst. Wenn das täuscht, sag es mir gern. Wenn nicht, sag mir, ob ich irgendwas für dich tun kann.“ Ein Umweg über die Meta-Ebene: „Ich weiß, es ist vielleicht ungewöhnlich, so etwas anzusprechen, aber ich erlebe dich gerade anders als sonst. Wenn du reden willst, ich bin da. Wenn nicht, ist das auch okay.“

Manchmal reicht ein Satz, um jemanden wieder an sich selbst zu erinnern

Je nach Unternehmenskultur und Beziehungsgeschichte kann auch ein Vermittlungsschritt sinnvoll sein. Eine vertraute Kollegin oder ein Teammitglied, das näher dran ist, kann eingebunden werden. Oder, wenn vorhanden, der betriebliche Mentor oder die Mentorin,  HR-Partnerin oder Team-Coach. Wichtig ist es, keine Diagnose zu stellen, sondern Raum zu schaffen für Selbstklärung. Ohne Druck, aber mit Präsenz. Manchmal reicht schon ein Satz, um jemanden innerlich wieder an sich selbst zu erinnern.

Was die oberen Hierarchieebenen tun sollten und welche Verantwortung sie haben

Was kann die obere Hierarchieebene tun, soweit vorhanden?

Sehr viel. Aber der erste Schritt ist, Verantwortung zu übernehmen. Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Kontakt. Werden regelmäßig Gespräche geführt, die über Leistung und KPI hinausgehen? Gibt es echte Räume für Führungskräfte, in denen sie reflektieren, entlasten, wachsen dürfen? Wird Unterstützung aktiv angeboten oder muss sie „diskret erkämpft“ werden?

Obere Führungsebenen sind Vorbild. Und sie haben Gestaltungsmacht. Wer diese nutzt, kann ein Umfeld schaffen, in dem auch starke Persönlichkeiten ihre Verletzlichkeit zeigen dürfen. Das ist kein Risiko, sondern eine Investition in Zukunftsfähigkeit.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Innenwelt ist unerlässlich

Was können die betroffenen Personen selbst tun?

Der erste Schritt? Anhalten. Viele meiner Klientinnen und Klienten kommen zu mir, wenn sie merken: Ich kann so nicht mehr weitermachen, aber ich weiß auch nicht, wie sonst. Selbstklärung, Selbstführung und Selbstverbindung sind zentrale Schlüsselkompetenzen moderner Führung.

Wer langfristig gesund, wirksam und authentisch führen will, kommt nicht darum herum, sich mit der eigenen Innenwelt auseinanderzusetzen. Diese Fähigkeiten lassen sich durch Reflexion, Struktur und bewusste innere Arbeit entwickeln, trainieren und gezielt kultivieren.

Ihr Konzept heißt MindShape. Was verbirgt sich hinter MindShape?

MindShape ist mehr als eine Coaching-Marke. Es ist ein Resonanzraum für Menschen, die führen wollen, ohne sich selbst zu verlieren. Der Name steht für das, was viele vergessen: Der Geist ist formbar. Haltung ist entwickelbar. Und Klarheit, Substanz und kommunikative Präsenz sind keine Zufallsprodukte. Sie sind das Resultat innerer Führung, bewusster Entscheidungen und tiefer Selbstarbeit. Zu MindShape beziehungsweise zu mir kommen Führungspersönlichkeiten, die keine Show brauchen, sondern Tiefe.

Menschen, die Großes tragen, aber im Inneren erschöpft sind. CEOs, Projektleitende, Manager, High Potentials, die ihre Kraft nicht verlieren, sondern neu fokussieren wollen. Dabei kombiniere ich wissenschaftlich fundierte Diagnostik mit emotionaler Tiefe, strukturiertem Sparring und intuitiver Schärfe. MindShape steht für Coaching mit Tiefe und Wirkung. Für die Rückverbindung zur eigenen Essenz und für innere Führung als Fundament äußerer Wirksamkeit.

Psychologische Sicherheit als Kulturziel ist ein wichtiger Aspekt

Welche Ansätze gibt es noch?

Neben Coaching? Viele, aber sie müssen zur Unternehmenskultur passen. Ein Blick auf folgende Aspekte ist hilfreich: Wird Entwicklung als Privileg oder als Pflicht gesehen? Gibt es Räume für echte persönliche Reifung oder nur Schulungen im Kalender? Wird Gesundheit strategisch mitgedacht oder nur dann, wenn jemand ausfällt?

Gute Ansätze sind jene, die Systeme mit Menschen verbinden. Dazu gehören: Empowerment-Programme mit Substanz, Mentoring mit emotionaler Tiefe, Psychologische Sicherheit als Kulturziel, Fehlerfreundlichkeit im Alltag und transparente Kommunikation auch über Unsicherheiten. Die Frage ist nicht: „Was tun wir gegen Quiet Quitting?“ Die Frage ist: „Was tun wir für lebendige, gesunde, selbstwirksame Führung?“

Hinschmeißen ist manchmal der gesündeste Schritt

Haben Sie erlebt, dass Führungskräfte hingeschmissen haben?

Ja, das habe ich. Und manchmal war es der gesündeste Schritt. Denn nicht jede Veränderung ist innerhalb der Organisation möglich. Manche Systeme erlauben keine Entwicklung, nur Anpassung. Und wenn der innere Schmerz größer wird als die Loyalität, dann kann der Schritt in die Freiheit ein Akt der Selbstachtung sein.

Aber, was ich auch aus Erfahrung sagen kann, ist: Kein Mensch wirft leichtfertig hin. Wer kündigt, hat meist vorher lange durchgehalten, gehofft, gekämpft. Ich sehe Rücktritte nicht als Scheitern, sondern als Wendepunkte.

Raten Sie oft zum Jobwechsel? Wann ist der Schlusspunkt?

Nein, ich rate in einem Coaching nie direkt zum Wechsel. Das wäre übergriffig und würde dem Prinzip der Selbstverantwortung widersprechen. Aber ich stelle Fragen, die Klarheit schaffen und manchmal unbequem sein können: Wird das, was Sie heute aushalten, morgen besser? Wie viel von sich selbst opfern Sie, um zu bleiben? Was könnte entstehen, wenn Sie den Mut hätten, zu gehen?

Diese Fragen wirken nach und setzen oft etwas in Bewegung, das schon lange unter der Oberfläche geruht hat. Der Punkt, an dem eine Veränderung unausweichlich wird, ist hochindividuell. Für die einen kommt er leise, z. B. in Form von innerer Leere, schlaflosen Nächten oder schleichender Selbstentfremdung.

Austritt als ein Akt von Würde

Für andere kommt er abrupt als Zusammenbruch, als Kündigung, als körperliches Warnsignal. Was ich im Coaching begleite, ist kein Aufbruch aus Trotz, sondern eine Rückverbindung zur eigenen Essenz. Wenn die Gesundheit leidet, wenn die Entwicklung nicht mehr möglich ist, wenn man sich selbst im System nicht mehr wiederfindet, dann ist der Austritt keine Flucht. Dann ist es ein Akt von Würde und eine Entscheidung für sich selbst. Und manchmal braucht es genau diesen Moment der Klarheit, um sich daran zu erinnern, dass die eigene Kraft nicht an ein Unternehmen gebunden ist, sondern an die Verbindung zur eigenen Integrität.

Violeta Nikolic ist Coach für Leadership & Persönlichkeitsentwicklung und Gründerin von  MindShape Coaching – Leadership Development. Sie begleitet nach eigenen Angaben seit  über 15 Jahren Fach- und Führungskräfte durch berufliche Veränderungsprozesse. Zuvor war sie Marketingmanagerin und Personalentwicklerin in diversen Unternehmen.

Ein Beitrag von:

  • Claudia Burger

    Claudia Burger ist Redakteurin im VDI Verlag. Besondere Expertise hat sie in den Bereichen Arbeitsmarkt, Karriere, Arbeitsrecht, Bildung und Gesellschaft. Im Karriere-Podcast „Prototyp“ spricht sie mit prominenten Gästen aus Wirtschaft, Forschung und Bildung über das, was die Arbeitswelt von Ingenieurinnen und Ingenieuren bewegt.

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