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Editorial der Ausgabe 10-2025 03.11.2025, 16:11 Uhr

Innovation trifft Daten: Der Weg zu einer resilienten Fertigung

Die industrielle Fertigung steht an einem Wendepunkt. Getrieben von neuen und sich schnell weiterentwickelnden Märkten, veränderten Mobilitätskonzepten und immer strengeren Nachhaltigkeitsanforderungen entwickelt sich eine Dynamik, die weit über inkrementelle Verbesserungen hinausgeht. Innovative Fertigungstechnologien wie additive Verfahren, Leichtbaukonzepte, neue Werkstoffsysteme und intelligente Produktionsmethoden verschieben die Grenzen dessen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist. Was vor wenigen Jahren noch als Zukunftsvision galt, hält nun Einzug in die industrielle Praxis.

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Dabei verändert sich nicht nur die Art, wie Produkte entstehen, sondern auch das Selbstverständnis der Fertigungstechnik. Additive Fertigung ergänzt klassische Verfahren, indem sie komplexe Strukturen erlaubt, die mit Fräsen oder Gießen kaum realisierbar wären. Leichtbau zwingt Konstrukteure dazu, Bauteile völlig neu zu denken und ressourcenschonend zu gestalten. Neue Werkstoffe eröffnen weitere Potenziale für Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig erlaubt Automatisierung eine durchgängige Prozesskette, die weniger von manuellen Eingriffen abhängt.

Unter diesen Entwicklungen nimmt die Digitalisierung eine Schlüsselrolle ein – insbesondere durch den digitalen Zwilling. Als dynamisches Modell von Maschinen, Prozessen oder ganzen Fertigungssystemen bildet er die Grundlage, um Qualität vorherzusagen, Prozesszustände zu simulieren und Produktionsstrategien vorausschauend zu steuern. Dadurch sinkt der Aufwand für aufwendige Messungen, während Transparenz und Reaktionsgeschwindigkeit steigen. Der digitale Zwilling ist damit das verbindende Element, das innovative Technologien zusammenführt und ihre Potenziale ausschöpfen lässt.

KI ergänzt diesen Ansatz, indem sie Daten aus Maschinen und Werkstücken analysiert, Muster erkennt und Steuerungen optimiert. Maschinelles Lernen, Bildverarbeitung und datenbasierte Modelle sind in der Lage, hochkomplexe Zusammenhänge zu beherrschen, die sich mit klassischen Methoden kaum noch erfassen lassen. So ent­wickeln sich Prozesse hin zu mehr Selbstständigkeit und Anpassungsfähigkeit – eine Voraussetzung für Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit in volatilen Märkten.

Doch Innovation entsteht nicht im Alleingang. Viele Unternehmen verfügen nicht über die Ressourcen, um Leichtbau, additive Verfahren oder digitale Zwillinge eigenständig zu entwickeln und einzuführen. Hier ist eine Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie unabdingbar. Hochschulen und Institute entwickeln neue Methoden, die in Pilotprojekten erprobt und anschließend in die Praxis übertragen werden. Solche Kooperationen reduzieren Risiken, bündeln Know-how und sorgen dafür, dass technologische Durchbrüche nicht in Laboren verharren, sondern in die Produktionshallen gelangen.

Entscheidend wird sein, diese Entwicklungen nicht als Einzeltrends zu betrachten, sondern als Teile eines größeren Ganzen. Die Verbindung von innovativen Fertigungstechnologien mit datengetriebenen Methoden eröffnet einen Weg, Produkte schneller auf den Markt zu bringen, Qualität zuverlässig zu sichern und gleichzeitig Ressourcen zu schonen. Wer diesen Weg aktiv beschreitet, prägt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens, sondern gestaltet die Zukunft der Industrie insgesamt.

Von T. Bergs

Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs
t.bergs@mti.rwth-aachen.de
Foto: MTI [Manufacturing Technology Institute]
leitet als Direktoriumsmitglied des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT den Bereich Prozesstechnologie sowie das Manufacturing Technology Institute (MTI) der RWTH Aachen.

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