Zum E-Paper
Unfaires Strompreispaket 17.11.2023, 10:15 Uhr

Mittelstandsindustrie bleibt außen vor: Energiewende in Frage gestellt?

Mit einem „Aufschrei“ macht derzeit der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) e.V. auf die Lage seiner Mitgliedsunternehmen aufmerksam: Das kürzlich verabschiedete Strompreispaket stellt 5.000 Mittelständler ins Abseits.

WFF energieintensiver Mittelstand

Das Strompreispaket stellt 5.000 Mittelständler ins Abseits – sie sollen doppelt so viel bezahlen wie energieintensive Konzerne.

Foto: WSM

In Zahlen ausgedrückt sind es 16,3 Cent statt 8,3 Cent: Mittelständische Stahlverarbeiter sollen für Strom doppelt so viel bezahlen wie Konzerne. Besonders absurd dabei ist nach Meinung der Verantwortlichen im Verband: Die Politik übergehe mit der getroffenen Entscheidung genau diejenigen, die wichtige Komponenten für die Energie- und Mobilitätswende herstellen. Zulieferprobleme in diesen Bereichen sind damit vorprogrammiert.

Alarmsignal für die internationale Wettbewerbsfähigkeit

Die Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Vergleich sinke derzeit noch weiter, denn deutsche Stahlverarbeiter zahlen für Strom das 2,4- bis 3,3-Fache im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz. „Goliath profitiert, David bleibt auf der Strecke. Das Strompreispaket nutzt vielleicht wenigen stromintensiven Konzernen, der Mittelstand hat nichts davon“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM), Christian Vietmeyer. Zahlen belegen das Missverhältnis: Geringere Netzentgelte, weiterhin reduzierte Abgaben, Umlagen und Steuern bringen Konzerne nach Berechnungen des WSM 2024 auf einen Strompreis von rund 8,3 Cent pro Kilowattstunde. Für mittelständische Stahl- und Metallverarbeiter werden es rund 16,3 Cent sein.

Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des WSM, kritisiert: „Es ist geradezu lächerlich, wenn die Politik versucht, uns ihr absurdes Strompaket positiv zu verkaufen.“

Foto: WSM

Der WSM mit Hauptsitz in Düsseldorf (www.wsm-net.de) vertritt die Stahl und Metall verarbeitende Industrie in Deutschland – das sind rund 5.000 vorwiegend familiengeführte Betriebe, die mit rund 500.000 Beschäftigten über 80 Milliarden Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften. Die Unternehmen beschäftigen im Durchschnitt 100 Mitarbeiter und sind mit Abstand die wichtigsten Kunden der Stahlerzeuger. Die Branche zeichnet sich durch hohe Spezialisierung und Wettbewerbsintensität aus. Die Unternehmen fertigen für die internationalen Märkte der Automobil-, Elektro- und Bauindustrie, den Maschinenbau und den Handel.

Ohne den Mittelstand gibt es keine Energie- und Mobilitätswende

„Viele Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitungsbranche stellen Komponenten für Träger der geforderten Energie- und Mobilitätswende her – wie Windkraftanlagen, E-Motoren, Gleisbau. Und trotz ihrer Relevanz für die Transformation sollen sie nun doppelt so viel für den Strom bezahlen wie energieintensive Konzerne? Das ist doch absurd, so lässt sich kein Fortschritt realisieren“, moniert Vietmeyer. Seinen Branchen reiße der Geduldsfaden: „Es ist geradezu lächerlich, wenn die Politik versucht, uns ihr absurdes Strompaket positiv zu verkaufen.“

Keine Chance auf dem Weltmarkt – Abwanderung vorprogrammiert

International agierende industrielle Mittelständler sind durch die jetzt von der Politik getroffenen Entscheidungen alarmiert: Die beschlossenen Maßnahmen lassen ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter sinken. Bereits jetzt zahlen Stahl und Metall verarbeitende Unternehmen am Standort Deutschland deutlich mehr für Strom: das 2,5-Fache ihrer Wettbewerber aus Frankreich, das 2,4-Fache der aus China und sogar das 3,3-Fache der USA-Konkurrenz. „Das macht sie chancenlos auf dem Weltmarkt. Die weitere Abwanderung ist vorprogrammiert“, betont Christian Vietmeyer.

Der WSM und insgesamt 13 Industrieverbände kämpfen daher gemeinsam für bessere Standortbedingungen: Mit der Kampagne „Wir.formen.Fortschritt“ setzen sie sich für die rund 5.000 Industrieunternehmen ein, um bei der Politik auf ihre Nachteile am Standort Deutschland aufmerksam zu machen. Zugleich wollen sie die Bedeutung der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie für die Transformation verdeutlichen. Die Kampagne wird unter anderem von folgende Verbänden unterstützt:

· Industrieverband Blechumformung e.V. – IBU 

Fachverband Industrie verschiedener Eisen- und Stahlwaren e.V. – IVEST 

· Verband der Deutschen Federnindustrie – VDFI 

· Industrieverband Härtetechnik – IHT 

· Fachvereinigung Kaltwalzwerke e.V. – FVK 

· Industrieverband Massivumformung e.V. – IMU 

· Fachverband Metallwaren- und verwandte Industrien e.V. – FMI 

· Fachverband Pulvermetallurgie – FPM 

· Deutscher Schraubenverband e.V. – DSV 

Der WSM tritt dabei als Sprachrohr für deren wirtschaftspolitische Vertretung auf Länder-, Bundes- und europäischer Ebene auf. Dabei geht es um den Ausgleich mit marktmächtigen Abnehmern und Lieferanten aus Industrie und Handel. Zugleich setzt sich der Verband für bessere Rahmenbedingungen im Hinblick auf Wachstum, Dynamik und Wettbewerb ein – zum Beispiel bei Steuern, Abgaben, Recht, Forschung, Umwelt, Energie oder Technik.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Bedeutung der Fabrik- und Logistikplanung in der heutigen Zeit

Vier „Augen“ sehen mehr als zwei: Pressteile automatisiert handhaben

Maschinensicherheit: Europäische Anforderungen entwickeln sich weiter

Von WSM / Birgit Etmanski