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Sensor im Dienste der Gesundheit 11.01.2022, 15:30 Uhr

Effiziente Oberflächenkontrolle an Hüftimplantaten

Ein Streulichtmessgerät prüft seit Kurzem bei einem Medizintechnikhersteller die Gelenkflächen an Hüftimplantaten – mit gutem Erfolg. Neben der Zuverlässigkeit konnte auch die Produktivität signifikant gesteigert werden.

Der Streulichtsensor hat sich in Medizintechnik-Anwendungen bestens bewährt. Er misst neben Metall- auch Keramikoberflächen. Foto: OptoSurf

Der Streulichtsensor hat sich in Medizintechnik-Anwendungen bestens bewährt. Er misst neben Metall- auch Keramikoberflächen.

Foto: OptoSurf

Anstelle der zuvor üblichen, visuellen Kontrolle der Oberflächenstrukturen nutzt ein führender Medizintechnikhersteller nun ein Streulichtmessgerät zur 100 %-Messung der hochglanzpolierten Oberflächen. Durch das eingesetzte System „OptoSurf OS 500“ wurden die Abläufe, die Ergebnisse und auch die Produktivität signifikant verbessert. Der Sensor misst beim Anwender inzwischen berührungslos Defekte, Rauheit und Form.

Kurze Taktzeiten und beste Genauigkeit

Mit seinen fast 4.000 Mitarbeitern gehört das baden-württembergische Unternehmen zu den größeren Akteuren im Bereich der Medizintechnik. Hergestellt werden insbesondere medizinische Produkte für die Chirurgie, bei denen die Qualität allerhöchste Priorität genießt. „Daher schaffte der Kunde bereits 2008 ein erstes OptoSurf OS 500-Streulichtmessgerät an, ein zweites System folgte 2012. Entscheidend für die Investition in unsere Produkte waren die USP’s (Unique Selling Proposition – Alleinstellungsmerkmale), die es bietet“, berichtet der OptoSurf-Geschäftsführer Dr. Rainer Brodmann: Er zählt einige auf: „So betreffen die berührungsfreien Messungen die gesamte Oberfläche und nicht nur von Ausschnitte. Erkannt werden sowohl die Polierqualität als auch Defekte. Überzeugen können zudem die Messungen von Geometrie und Form sowie die kurzen Taktzeiten.“

Die Messmaschine besteht aus einem Schwenk- und Rotationsmodul, das den Streulichtsensor über die Oberfläche führt, wobei pro Sekunde 2.000 Messungen aufgenommen werden.

Foto: OptoSurf

Der besondere Anwendungsfall

Zum Einsatz kommt das Streulichtmessgerät im Bereich „Outsourc“ des Medizintechnikherstellers. Hier befindet sich der letzte Arbeitsschritt in der Produktion, direkt vor dem Verpacken im Reinraum. In diesem Umfeld wird mit dem OS 500 das Ziel verfolgt, von der visuellen, vereinfachten „Gut/Schlecht-Bewertung“ wegzukommen, hin zu einer rückführbaren Messung.

Früher wurde übrigens eine visuelle Prüfung der hochglanzpolierten Oberflächen von zwei unabhängigen Personen durchgeführt. Diese war jedoch für Menschen sehr ermüdend, daher bestand ein erhebliches Risiko bezüglich der Zuverlässigkeit bei der Fehlererkennung. Mit dem System von OptoSurf konnte außerdem die aufwendige taktile Formmessung mit einer Koordinatenmessmaschine durch die optische Formmessung ersetzt werden.

Die Prothesenkopfoberfläche hat bei der Herstellung von künstlichen Hüftgelenken eine große Bedeutung. Sie sollte eine ideale Kugelform haben, keine Kratzer oder andere Defekte aufweisen und die Rauheit soll im Bereich von wenigen Nanometern liegen. Eine zu hohe Rauheit der polierten Kugel sowie bereits geringste Abweichungen in der Makrogeometrie führen zu erhöhtem Abrieb. Auch feinste Kratzer können den Verschleiß deutlich fördern. Die Abriebpartikel verändern nicht nur die Geometrie. Sie können außerdem in den Körper eindringen. Die Stoffe sind bedenklich: Sie gelten als potenzielle Allergie- und Krankheitsauslöser.

Das Messgerät und der Verfahrensablauf

Das Streulichtmessgerät von OptoSurf ist in der Lage, die gesamte Oberfläche des Prothesenkopfs im Sekundenbereich zu messen. Die Messmaschine besteht aus einem Schwenk- und Rotationsmodul, das den Streulichtsensor über die Oberfläche führt. Dabei werden in jeder Sekunde 2.000 Messungen aufgenommen. Durch Vergleichsmessungen mit einem Konfokalmikroskop wurde nachgewiesen, dass mit dem Streulichtsensor feinste Polierqualitätsunterschiede im Nanometerbereich – und insofern auch mit dem Auge nicht mehr sichtbare Kratzer – wiederholbar genau gemessen werden können. Formabweichungen über dem Pol und Äquator werden mit einer Genauigkeit kleiner als 0,2 Mikrometer erfasst.

Die Rauheits- und Formmessung mit der Streulichttechnik ist ein rückführbares Messverfahren, das mit Normalen und ISO 17025-Zertifikaten abgesichert ist. Es können sowohl Metall- als auch Keramikköpfe gemessen werden. „Darüber hinaus haben wir im ersten Schritt das OS 500 – basierend auf dem umfangreichen Anforderungsprofil des Kunden – weiterentwickelt. Anschließend folgten noch diverse nachträgliche technische sowie normative Anforderungen, die wir ebenfalls umsetzten“, fasst Dr. Rainer Brodmann zusammen. „Nachdem wir alle Wünsche des Medizintechnikherstellers erfüllten, kann sich das Ergebnis absolut sehen lassen: Eine deutliche Produktivitätssteigerung dank unseres Streulichtmessgeräts.“

Die Messmaschine „OptoSphere“ wurde speziell für die 100 %-Oberflächenmessung von Prothesenköpfen entwickelt.

Foto: OptoSurf

Über den Messtechnikanbieter

Die 2004 gegründete Firma OptoSurf mit Sitz in Ettlingen entwickelt, fertigt und vertreibt Inline-Oberflächenmesssysteme für die fertigungsbegleitende Qualitätssicherung von Präzisionsteilen. Die Systeme werden insbesondere in der Automobilproduktion, der Zulieferindustrie und der Medizintechnik eingesetzt. 2009 ist das Unternehmen mit dem Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet worden. Basis der innovativen Messtechnik ist die Streulichtmethode: Sie zeichnet sich vor allem durch Robustheit, Genauigkeit und eine hohe Messgeschwindigkeit aus. OptoSurf verfolgt das Ziel, mit seiner Technologie kostenintensive Fertigungsprozesse zu optimieren und die Werkzeugkosten zu senken. Der Anwender soll in die Lage versetzt werden, zu 100% geprüfte Teile herzustellen und das Funktionsverhalten von Oberflächen genauer kennen zu lernen.

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