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Deutscher Logistik-Preis 2025 24.10.2025, 12:00 Uhr

„Ein Musterprojekt für nachhaltige Logistiktransformation“

Mit dem Projekt „Logistics Next Level“ hat die Workwear-Marke Strauss den Deutschen Logistik-Preis 2025 gewonnen. Das Unternehmen setzte am Stammsitz in Biebergemünd nicht auf Neubau, sondern auf die Revitalisierung seines bestehenden Logistikzentrums – bei laufendem Betrieb. Die Jury würdigte den integrierten Ansatz aus Technologie, Ökologie und sozialer Verantwortung. Zu den Finalisten zählten Siemens und Tchibo.

Die Preisverleihung zum "Deutschen Logistik-Preis" fand jetzt  im Rahmen der BVL Supply Chain CX in Berlin statt. Foto: BVL/Christian Lietzmann

Die Preisverleihung zum "Deutschen Logistik-Preis" fand jetzt im Rahmen der BVL Supply Chain CX in Berlin statt.

Foto: BVL/Christian Lietzmann

Wenn ein Logistikzentrum in die Jahre kommt, steht meist die Entscheidung zwischen Neubau oder Modernisierung an. Bei Strauss fiel die Wahl nach intensiver Analyse auf eine Revitalisierung des Bestands – ein mutiger Schritt, der sich als zukunftsweisend erweisen sollte. COO Matthias Fischer beschreibt das Ziel klar: „Wir wollten unsere Logistik nicht nur erneuern, sondern revolutionieren.“ Das Projekt „Logistics Next Level“ überzeugte auch die Jury und das Auditing-Team und wurde im Rahmen der BVL Supply Chain CX in Berlin mit dem Deutschen Logistik-Preis 2025 ausgezeichnet. Für die Workwear-Marke ist es nicht das erste Mal auf dem Siegerpodest: Schon 2015 gewann Strauss mit dem Projekt Stargate, 2020 erreichte das Unternehmen mit der CI Factory in Schlüchtern das Finale.

Logistik zwischen Stagnation und Aufbruch

Umbau im laufenden Betrieb mit messbaren Erfolgen

Das bestehende Logistikzentrum aus den 1990er Jahren war technisch und energetisch überholt. Die Anlagen verbrauchten viel Strom, viele Prozesse liefen noch analog. Die Analyse ergab: Ein Neubau hätte die höchsten Kosten, die längste Umsetzungszeit und den größten CO2-Ausstoß verursacht.

Die gewählte Brownfield-Lösung hingegen sparte 26 000 t CO2, bot einen tragfähigen Investitionsrahmen und ließ sich schneller umsetzen. Eine Photovoltaikanlage und Geothermie sorgen für Eigenversorgung. Trotz der Komplexität gelang der Umbau im laufenden Betrieb – unterstützt durch temporäre Auslagerungen an den nahe gelegenen Standort Schlüchtern.

Insgesamt investierte Strauss 55 Millionen Euro, vollständig aus Eigenmitteln. Bei Verdoppelung der Versandleistung sanken die Stückgutkosten; der Return on Investment liegt laut Fischer bei 4,8 bis rund fünf Jahren. Ein neuer Leitstand steuert heute 45 000 Sendungen pro Tag. Die Auftragsdurchlaufzeit reduzierte sich von vier Stunden auf 40 Minuten, die Fehlerrate sank um 80 %, und die Kundenzufriedenheit liegt bei beeindruckenden 98 %.

Digitalisierung, Teamarbeit und soziale Innovation

Neben modernster Technik beeindruckte die Jury vor allem die Einbindung der Mitarbeitenden. Die Belegschaft war von Anfang an beteiligt und brachte eigene Vorschläge zu Schichtplanung, Pausenregelung und Arbeitsplatzgestaltung ein. Während der Umbauphasen fanden Schulungen am Standort Schlüchtern statt.

Ein greifbarer Erfolg: Dank der Effizienzsteigerungen konnte Strauss die Wochenarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden senken – bei vollem Lohnausgleich. So entstand ein Projekt, das nach Ansicht der Jury Technologie, Ökologie und soziale Verantwortung auf beispielhafte Weise vereint.

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Integrierter Ansatz überzeugt Jury

Die Verbindung aus Bestandserhalt, vernetzter Automatisierung, KI-gestützter Steuerung und Mitarbeiterbeteiligung macht „Logistics Next Level“ zu einem belastbaren Modell für die Zukunft. Das Konzept zeigt, wie Unternehmen angesichts knapper Flächen, steigender Anforderungen und hoher Energiekosten nachhaltige Logistikstrukturen entwickeln können. Strauss setzte damit einen neuen Maßstab – und bewies, dass Innovation nicht immer Neubau bedeutet.

Finalist Siemens: KI als Schlüssel zu Effizienz

Auch der zweite Finalist überzeugte mit Innovationskraft: Im Logistics Center Erlangen (LC) von Siemens wurden die steigenden Anforderungen im Versand von Antriebsstrang-Komponenten durch eine umfassende Transformation beantwortet. Das Team setzte im laufenden Betrieb auf Digitalisierung und Automatisierung, gestützt von vier KI-basierten Innovationen: Ein Algorithmus prognostiziert die optimale Kartongröße, Roboter erkennen unbekannte Objekte beim Picken, eine KI-gestützte Packlogik optimiert die Ablage im Karton, und ein automatisches Depalettieren integriert sich nahtlos in den Gesamtprozess.

Dr. Ekine Aristizabal, Head of Logistics Center Erlangen, erklärt: „Heute ist der gesamte Prozess von der Materialverbringung bis zum Etikettieren und Versandfertigmachen der Kleinpackstücke durchgängig automatisiert.“ Sie hebt zudem die erzielten Effizienzgewinne hervor: „Die hohe Effizienz unserer Prozesse bei den Kleinpackstücken verdanken wir der neuen Pick & Packlinie mit ihrer Produktivitätssteigerung von 124 % und der Versandlinie mit sogar 300 % Produktivitätssteigerung.“

Die Jury würdigte die Verknüpfung mehrerer modernster Technologien zu einem effizienten Gesamtsystem, das neue Maßstäbe in der industriellen Logistik setzt.

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Finalist Tchibo: Retouren als Ressource

Ein völlig anderes, aber ebenso überzeugendes Konzept präsentierte Tchibo mit dem Projekt „The Power within Retoure“. Am Standort im tschechischen Cheb wurde das Retourenmanagement zum Herzstück eines Omnichannel-Netzwerks. Fast 850 000 Rücksendungen pro Woche werden dort bearbeitet – und nicht als Kostenfaktor, sondern als Wertschöpfungsquelle verstanden. Über ein automatisiertes System mit 300 000 Taschen gelangen 27 % der Retouren direkt wieder in neue Pakete, 55 % sind binnen 30 Minuten wieder im Webshop verfügbar. Insgesamt können 96 % der retournierten Artikel erneut angeboten werden.

Laura Andersch, Head of SCM Reverse Logistics bei Tchibo, bringt es auf den Punkt: „Für uns sind Retouren nicht das Ende eines Produktzyklus, sondern ein Neuanfang.“ Mit diesem Ansatz schafft Tchibo einen geschlossenen Kreislauf zwischen E-Commerce und Retourenmanagement – und zeigt, dass Nachhaltigkeit auch im Rückstrom wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden kann.

Von BVL / RMW