Klimawandel beeinflusst Tierarten: Winter stoppt Ausbreitung
An einer Forschungsstation der Universität Stockholm zogen die Forschenden die Raupen in Gehegen auf.
Foto: Mats Ittonen
Das Klima erwärmt sich, wie Daten aus den letzten 100 Jahren belegen. Konkret ist es die Lufttemperatur in Bodennähe, die im globalen Mittel höher geworden ist. Hinzu kommt, dass der Meeresspiegel ansteigt, die Gletscher und Eiskappen schneller abschmelzen. Von den Veränderungen des Klimas sind ganze Kontinente, Meeresbecken, der Mensch, die Flora und die Faune betroffen. Ein Forscherteam aus Bremen und Stockholm hat nun im Rahmen einer Studie beobachten können, dass sich Mauerfuchs-Schmetterlinge (Lasiommata megera) während ihrer nördlichen Ausbreitung evolutionär rasch verändern. Sie besiedeln in Folge steigender Temperaturen Regionen, die ihnen bislang zu kalt waren. Diese Entwicklung steht exemplarisch für zahlreiche Tierarten, die durch den Klimawandel beeinflusst werden.
Die Studie, veröffentlicht im Fachjournal PNAS, belegt: Schnelle Anpassungen helfen den Schmetterlingen nur begrenzt, denn die harschen Winter setzen nach wie vor natürliche Schranken. Laut Evolutionsbiologe Matthew Nielsen von der Universität Bremen ist der Prozess der Ausbreitung in neue Lebensräume „nur bis zu einem gewissen Grad“ möglich – insbesondere kalte Winter bleiben ein Hindernis. „Während sich die Erde erwärmt, wandern viele Arten in Regionen ein, die zuvor kalt waren, inzwischen aber geeignete Lebensräume darstellen“, sagt Nielsen.
Tierarten müssen sich aufgrund des Klimawandels anpassen
Um die Hypothese zu überprüfen, führten die Forschenden Feldexperimente in Schweden durch. Mauerfuchs-Schmetterlinge aus südlichen und nördlichen Populationen wurden in Außengehegen an Standorten innerhalb und außerhalb des aktuellen Verbreitungsgebiets platziert. Auf diese Art und Weise konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beobachten, wie verschiedene Gruppen auf ungewohnte klimatische Bedingungen reagieren. Ziel war es, Merkmale wie schnellere Entwicklung, angepasste Überwinterungszeiten und eine verbesserte Kälteresistenz zu dokumentieren. Diese Eigenschaften könnten entscheidend sein, damit Tierarten neue Lebensräume erfolgreich besiedeln und sich dort anpassen.
Die Resultate zeigen, dass die Schmetterlinge nördlicher Herkunft tatsächlich schneller wachsen als ihre südlichen Artgenossen. Vermutlich ist dies eine Anpassung an die kürzeren Sommer in nördlichen Breiten. Auch den Zeitpunkt der Winterruhe passten die Tiere individuell an die lokalen klimatischen Bedingungen an. Besonders auffällig war allerdings, dass unabhängig von der Herkunft nahezu alle Raupen genau zur rechten Zeit in die Winterruhe gingen. Dies legt nahe, dass entweder eine genetische Stabilität oder eine bemerkenswerte Plastizität dieses Merkmals besteht. Trotzdem überlebten die meisten Raupen die Kälte in den nördlichen Regionen nicht.
Klimawandel steckt Grenzen für die Anpassungsfähigkeit von Tierarten
Die hohe Wintersterblichkeit zeigt deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten zur Anpassung sind. Dies gilt besonders für Raupen außerhalb des bisherigen Verbreitungsgebiets. Die Forschenden vermuten, dass wiederholte natürliche Selektion dafür verantwortlich ist. Aufgrund harter Winterbedingungen entsteht sie automatisch und könnte der Grund dafür sein, dass das evolutionäre Potenzial für weitere Kälteanpassungen bereits weitgehend ausgeschöpft wurde. Vor allem am Rand der Verbreitungszone stößt die Entwicklung auf natürliche Limits. Für Expertinnen und Experten ist das Wissen um diese Grenzen entscheidend, um Szenarien für die zukünftige Ausbreitung von Tierarten vom Klimawandel beeinflusst – darunter Schädlinge und Krankheitsüberträger – zu erstellen.
Evolutionäre Veränderungen können zwar recht schnell erfolgen, doch nicht alle relevanten Merkmale ändern sich ausreichend. Besonders bei Schmetterlingen wie dem Mauerfuchs bleibt die Ausbreitung nach Norden nur dann möglich, wenn die Winter milder werden. Um die Verschiebung von Lebensräumen und Arten zuverlässig vorauszusagen, müssen Forschende sowohl die anpassungsfähigen Eigenschaften als auch jene Merkmale kennen, die die ökologische Belastungsgrenze markieren. „Da viele Arten ihr Verbreitungsgebiet infolge der globalen Erwärmung verlagern, ist diese Erkenntnis entscheidend, um zukünftige Veränderungen in der Biodiversität sowie die Ausbreitung von Arten, die Landwirtschaft und menschliche Gesundheit beeinflussen könnten, besser abschätzen zu können“, erklärt Nielsen.




