Neue Carbonfaser-Generation ist aus nachwachsenden Rohstoffen
Carbonfasern erobern dank ihrer Eigenschaften zunehmend neue Anwendungsgebiete jenseits des klassischen Leichtbaus. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP forscht gemeinsam mit der BTU Cottbus-Senftenberg an nachhaltigen Alternativen zu erdölbasierten Carbonfasern und setzt dabei auf Cellulose als Ausgangsstoff.
Die Herstellung von Carbonfasern ist teuer und nicht umweltfreundlich. Das könnte sich ändern.
Foto: SmarterPix/jukai5
Herkömmliche Carbonfasern aus Polyacrylnitril (PAN) oder Pech punkten zwar mit exzellenten mechanischen, elektrischen und thermischen Eigenschaften, doch ihre Herstellung ist sehr energie- und ressourcenintensiv sowie mit hohen Kosten verbunden. Zudem fallen dabei giftige Nebenprodukte an. Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) haben nun einen Weg gefunden, leistungsstarke Carbonfasern auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch überzeugen. Dank ihrer Vielseitigkeit eignen sich die neuartigen Fasern nicht nur für den Leichtbau, sondern auch für anspruchsvolle Anwendungen wie Wasserstofftanks, Batterien, Brennstoffzellen oder zum Abschirmen empfindlicher Elektronik.
Das Geheimnis der Neuheit liegt darin, dass Cellulose als Ausgangsmaterial für die Präkursor-Fasern, die Vorstufe der Carbonfasern, verwendet wurden. Indem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Spinnverfahren wählten und die Prozessparameter anpassten, konnten sie die Struktur und die resultierenden Eigenschaften der Fasern präzise steuern. So lassen sich unterschiedliche Porositäten, Orientierungs- und Kristallinitätsgrade sowie Faserquerschnitte erzeugen. Indem sie zusätzlich Additive wie Lignin in die Spinnlösung einbanden, erhöhten die Forschenden zudem die spätere Kohlenstoffausbeute bei der Konvertierung zu Carbonfasern deutlich.
Cellulosefasern punkten bei der Carbonfaser-Herstellung
Nach dem Spinnen durchlaufen die cellulosischen Endlosfasern ein wässriges Bad mit funktionellen Zusätzen, die für die anschließende thermische Umwandlung zu Carbonfasern aktiviert werden. Dabei zeigt sich ein entscheidender Vorteil der Cellulosefaser: Sie saugt die Zusätze wie ein Schwamm auf. Ein spezielles Katalysator- und Additivsystem des Fraunhofer IAP senkt die benötigte Carbonisierungstemperatur um mehr als 1.000 Grad Celsius, beschleunigt den Prozess und steigert die Kohlenstoffausbeute von 15 auf beeindruckende 45 Gewichtsprozent.
Während der Carbonisierung können die Forschenden durch gezielte Optimierung von Temperatur, Verweilzeit oder mechanischer Verstreckung Faserdurchmesser von deutlich unter vier Mikrometern erreichen – ein entscheidender Vorteil für den Einsatz in Brennstoffzellen. Marktübliche Carbonfasern liegen zum Vergleich bei rund sieben Mikrometern. Die geschickte Kombination aus Spinn-, Aktivierungs- und Carbonisierungstechnologie ermöglicht die Entwicklung maßgeschneiderter Carbonfasern für verschiedene Anwendungen.
Biobasierte Carbonfasern vereinen Nachhaltigkeit und Performance
Die am Fraunhofer IAP entwickelten Carbonfasern auf Basis von Cellulose verbinden ökologische Nachhaltigkeit mit hoher technischer Performance. Jens Erdmann, Experte für biogene Carbonfasern am Institut, betont: „Ihre mechanischen Eigenschaften erreichen das Niveau erdölbasierter High-Modulus-Carbonfasern aus PAN – also das von Hochleistungs-Carbonfasern. Zudem zeigen sie eine elektrische und thermische Performance, wie man sie von pechbasierten Fasern kennt.“
Die erfolgversprechenden Ergebnisse der Technikumsversuche sollen nun im Rahmen der Initiative „Carbon Lab Factory Lausitz“ in den Pilotmaßstab überführt werden. Diese länderübergreifende Initiative zwischen Sachsen und Brandenburg wurde gemeinsam mit der TU Chemnitz und dem Institut für Leichtbau und Wertschöpfungsmanagement der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gestartet. Ihr Ziel ist es, den Aufbau einer weltweit einzigartigen Forschungsinfrastruktur für Carbonfasern entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu unterstützen, vom Rohstoff bis zum Bauteil, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Strukturwandel in der Lausitz.
Biobasierte Carbonfasern als Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft
Das stetig wachsende Interesse an nachhaltigen Materialien zeigt, dass die Zukunft den biobasierten Carbonfasern gehört. Doch um sich am Markt zu etablieren, müssen sie nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich überzeugen. Genau an diesem Punkt setzt das Fraunhofer IAP an: „Uns ist es gelungen, ökologische Verantwortung mit technischer Exzellenz und ökonomischer Effizienz zu verbinden“, erklärt Erdmann. „Die Möglichkeit, die Eigenschaften unserer Fasern gezielt und flexibel anzupassen, eröffnet neue Anwendungsfelder und klare Wettbewerbsvorteile – ein entscheidender Schritt zur wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit.“
Die Carbonfasern der nächsten Generation haben das Potenzial, die Welt ein Stück nachhaltiger zu machen, ohne Abstriche bei der Leistungsfähigkeit. Mit ihrer Performance und Vielseitigkeit sind sie bestens geeignet, um traditionelle erdölbasierte Fasern in immer mehr Hightech-Anwendungen zu ersetzen und so einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz zu leisten.




