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Kunststoffe im Kreislauf 27.03.2024, 10:00 Uhr

Kunststoffkreisläufe schonen Ressourcen und Klima

Die Kreislaufwirtschaft ist der wirkungsvollste Hebel, um mehr Ressourcenschonung und Klimaschutz in der Kunststoffindustrie zu erreichen. Dass dies funktioniert, zeigt ein Kunststoffverarbeiter aus Niedersachsen. Er vertreibt erfolgreich in mehreren Branchen kreislauffähige Serienprodukte und ruft alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette zum gemeinsamen Handeln auf.

Alles unter einem Dach bei Pöppelmann in Niedersachsen: von der Produktentwicklung über die schnelle Herstellung von Musterteilen und Kleinserien im 3-D-Druck bis zur Serienfertigung. Foto: Pöppelmann

Alles unter einem Dach bei Pöppelmann in Niedersachsen: von der Produktentwicklung über die schnelle Herstellung von Musterteilen und Kleinserien im 3-D-Druck bis zur Serienfertigung.

Foto: Pöppelmann

Die Kunststoffwirtschaft in der EU arbeitet an ganzheitlichen Konzepten, um ihren Beitrag zur Erreichung der Ziele der „Circular Plastic Alliance“, die die EU-Kommission 2018 initiierte, des Green Deals der EU von 2019 oder der Klimaabkommen von Paris, 2015, und von Glasgow, 2021, zu leisten. Aktuelle Studien, darunter die Studie „ReShaping Plastics“ der Denkfabrik SystemIQ mit Hauptsitz in London, kommen zu dem Ergebnis, dass der Kreislaufwirtschaft bei der Reduzierung von Treibhausgas (THG)-Emissionen eine zentrale Bedeutung zukommt.

In der Kunststoffverarbeitung beinhaltet Kreislaufwirtschaft sowohl Mehrweg- als auch Recyclingkonzepte. Bei dem Recycling entsteht ein echter Kreislauf letztlich nur dann, wenn die Post-Consumer-Rezyklate (PCR) von Kunststoffprodukten, die bereits ihrerseits aus Rezyklaten bestehen, stammen.

Der Kunststoffspezialist Pöppelmann aus Lohne in Niedersachsen ist davon überzeugt, dass in dem Wechsel zur Kreislaufwirtschaft das einzig erfolgreiche Zukunftsszenario in der Kunststoffverarbeitung liegt. Für mehr Ressourcenschonung und Klimaschutz rief die Unternehmensgruppe bereits 2018 die Initiative „Pöppelmann blue“ ins Leben und entwickelte eigene Ziele für funktionierende Kreislaufkonzepte und weniger THG-Emissionen. So hat das Unternehmen seine THG-Emissionen von Fachleuten der international anerkannten „Science Based Targets initiative“ (SBTi) berechnen lassen.

Kreislaufwirtschaft wird in Lohne, Niedersachsen, in Serie hoch gehalten – beispielsweise durch ressourcenschonende Bauteile für die Automobilindustrie aus Post-Consumer-Rezyklaten wie den Halter Soundgenerator der Abteilung K-Tech.

Foto: Pöppelmann

Ehrgeizige Klimaziele

2021 betrugt der Kohlenstofffußabdruck, der Carbon Footprint, der Pöppelmann-Gruppe rund 322 203 t CO2-Äquivalente. Die direkten Scope-1-Emissionen in den Gebäuden des Unternehmens waren für etwa 1,3 % verantwortlich, die indirekten Scope-2-Emissionen durch eingekauften Strom und Wärme für 7,4 %. Der Großteil der THG-Emissionen stammt damit aus den vor- und nachgelagerten Lieferketten, dem Scope-3-Bereich: Eingekaufte Waren wie Kunststoffe sowie Dienstleistungen waren danach für etwa 45 % der Emissionen verantwortlich, die „End-of-Life der Produkte“ und hier vor allem die Produkte, die verbrannt werden, für rund 36 %.

Auf Basis dieser Daten hat die Unternehmens-Gruppe ihre Klimaziele bis 2030 definiert: Bis dahin will sie im Vergleich zu 2021 die Scope-1- und Scope-2-Emissionen halbieren und die Scope-3-Emissionen um ein Viertel senken. Im Herbst 2023 haben SBTi-Fachleute diese Ziele bewertet und bestätigt, dass diese im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens stehen.

Kreislauf: Nachhaltig in Serie

Um diese Ziele zu erreichen, setzt Pöppelmann bei der Produktentwicklung in allen Geschäftsbereichen auf das „Eco-Design“-Prinzip. Die Klima- und Umweltauswirkungen eines Produktes werden dabei entlang des gesamten Lebensweges berücksichtigt und so gering wie möglich gehalten. Nach dem Motto „Reduce, Reuse, Recycle“ entstehen Konzepte, die den Material- und Energieeinsatz bei der Produktherstellung verringern, ohne dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Dabei wird, wo dies möglich ist, auf Mehrfachnutzung gesetzt, um bestenfalls den Wertstoffkreislauf durch ein vollständiges Recycling zu schließen.

Dabei werden auch bestehende Artikel stetig – etwa durch die Nutzung recycelbarer Monomaterialien oder Rezyklate, sowie durch effizientere Herstellungsprozesse und den Einsatz von erneuerbaren Energien – verbessert. Eine weitere Stellschraube ist die Logistik: Optimierungen, die zu verbesserter Platzausnutzung bei Lagerung und Transport führen, sparen ebenfalls THG-Emissionen ein.

Erfolgreich Kunststoffkreisläufe

In allen Märkten, in denen der Kunststoffspezialist vertreten ist, hat er Serienartikel auf Post-Consumer-Rezyklate umgestellt. Zu den Paradebeispielen zählen die kreislaufschließenden Pflanztöpfe Circular360 der Abteilung „Teku“. Die Abkürzung steht für „Technische Kunststoffe“. Diese Pflanztöpfe enthalten einen PCR-Kunststoffanteil von mindestens 80 % am Gesamtprodukt. Dies belegen das deutsche Umweltzeichen „Blauer Engel“ der RAL und des Umweltbundesamtes sowie das Gütesiegel „RecyClass“ der Control Union Certifications Germany GmbH aus Berlin.

Diese Pflanztöpfe „Circular360“ der „Pöppelmann blue“-Initiative aus der Abteilung Teku bestehen mindestens zu vier Fünfteln aus Rezyklaten aus Verbraucherabfällen.

Foto: Pöppelmann

Die Teku-Produkte sind zudem vollständig recyclingfähig, belegt durch ein Zertifikat des Aachener Zertifizierers cyclos-HTP GmbH. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts Umwelt, Energie- und Sicherheitstechnik Umsicht in Oberhausen, in dem der Effekt der Kreislaufwirtschaft im Vergleich zur Linearwirtschaft untersucht wurde, zeigt zudem den klimaschützenden Effekt der Artikel wissenschaftlich.

Die Abteilung „Famac“ (Food and Medical and Cosmetics“) wiederum bietet im Standardprogramm seine Einschweißausgießer für Verpackungsbeutel aus Kunststoff nun auch als Variante aus PCR an. So sind beispielsweise zur Herstellung eines 1,7 g leichten Ausgießers mit Schraubkappe, von denen geplant jährlich etwa 2,5 Millionen Stück hergestellt werden, 4 250 kg recyceltes Polyethylen erforderlich. Im Vergleich zu Neuware lassen sich damit 3,5 t CO2-Äquivalente einsparen beziehungsweise die THG-Emissionen von der Wiege bis zum Werkstor um 49 % reduzieren.

Kreislauf ist auch in der Pharmabranche möglich: Diese 1 g leichten Reaktionsgefäße bestehen vollständig aus Kunststoffrezyklaten aus Verbraucherabfällen. Pöppelmann verkauft sie für Qiagen, einen Anbieter von Probenvorbereitungs- und Testtechnologien etwa für die molekulare Diagnostik und die pharmazeutische Industrie.

Foto: Pöppelmann

Das Famac-Geschäftsfeld Labor & Diagnostik machte sogar im Pharmabereich eine Materialumstellung möglich: Zusammen mit dem Kunden Qiagen, einem Anbieter von Probenvorbereitungs- und Testtechnologien etwa für die molekulare Diagnostik und die pharmazeutische Industrie, entwickelte die Abteilung ein Reaktionsgefäß, das vollständig aus Kunststoffrezyklat besteht. Das Leichtgewicht von nur 1,0 g spart bei einer geplanten Menge von fünf Millionen Stück jährlich etwa 7,3 t CO2-Äquivalente ein und reduziert den Ausstoß damit um 62 %.

Die Abteilung „Kapsto“ („Kappen und Stopfen“) hat Schutzkappen und -stopfen aus Rezyklat zum neuen Standard erhoben und bietet diese vorrangig an. Die nachhaltigen Schutzlösungen gibt es entweder vollständig aus recyceltem Polyethylen oder, für besondere Farbwünsche, aus einer Mischung aus recyceltem und frisch hergestelltem Polyethylen. Im Vergleich zu Produkten aus Neuware erzielen diese erhebliche Emissionsreduzierungen. Das zeigt unter anderem das Beispiel eines Kunden, der jährlich 340 000 Stück der Schutzkappe „GPN 610 U 20“ aus recyceltem Polyethylen bezieht: Durch die Umstellung konnte Pöppelmann selber eine Emissionsreduzierung im Vergleich zu Neuware um 49 % erreichen.

Pöppelmanns Abteilung „Kapsto“ bietet Schutzkappen und -stopfen an, die vollständig aus recyceltem Polyethylen oder aus einer Mischung aus recyceltem und frisch hergestelltem Polyethylen bestehen.

Foto: Pöppelmann

Bei der Abteilung „K-Tech“ („Kunststofftechnik“) spart die Materialumstellung des Serienartikels „Waschkappe“ für die Automobilbranche mehr als die Hälfte an CO2-Äquivalenten ein. Die eingesetzte Materialmischung enthält überwiegend Rezyklate aus Post-Industrial-Rezyklaten (PIR), also aus Abfällen, die in der Industrie bei Herstellungsprozessen anfallen, sowie aus Neuware und PCR. Das eingesetzte PCR-Material besteht teilweise aus gebrauchten Waschkappen, die vom Kunden zurückgenommen wurden. Durch die Materialumstellung wurden die Emissionen, berechnet auf die komplette Lebensdauer des Produkts, um 5 777 t CO2-Äquivalente gesenkt – ein Rückgang um 77 %.

Ein weiteres Produkt, der speziell für Mercedes-Benz entwickelte Halter für Soundgenerator, besteht vollständig aus einem PCR-Polypropylen. Es zählt zu den ersten Serienbauteilen für den Automobilbereich, deren Kunststoffanteil komplett aus haushaltsnahen Wertstoffsammlungen stammt. Die Emissionsreduzierung durch die Umstellung beträgt 560 t CO2-Äquivalente beziehungsweise 46 % im Vergleich zu Neuware.

Diesen „Halter Soundgenerator“ hat die Abteilung K-Tech von Pöppelmann für Mercedes entwickelt. Es ist eines der ersten Serienbauteile für den Automobilbereich, dessen Kunststoffmaterial komplett aus haushaltsnahen Wertstoffsammlungen stammt.

Foto: Pöppelmann

Zusammenarbeit

Die Beispiele zeigen, dass das Zukunftsmodell Kreislaufwirtschaft funktioniert. Allerdings ist der Anteil von echten Kreislaufprodukten noch viel zu gering, um im großen Umfang primäre Ressourcen zu schonen und zum Klimaschutz beizutragen. Darum ruft Pöppelmann alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette dazu auf, gemeinsam eine ganzheitliche systemische Perspektive einzunehmen, bei der in Materialströmen gedacht wird, also vom Material über das Produkt zurück zum Material, um im Zusammenschluss noch schlagkräftiger zu handeln. Die Zeit drängt: Echte Kreislaufwirtschaft – Jetzt. Machen.

Von Antje Bosche

Antje Bosche ist stellvertretende fachliche Marketingleitung bei der Pöppelmann GmbH & Co. KG
AntjeBosche@poeppelmann.com