Laborkopplung testet Zukunft des Stromsystems
Wie lässt sich ein Energiesystem stabil halten, wenn Wärmepumpen, Batteriespeicher und Photovoltaik-Anlagen in immer größerer Zahl ans Netz gehen? Antworten soll ein Verbundtest mit Partnern aus unterschiedlichen Fachbereichen geben.
Foto: Smarterpix/olly18
Der Verbundtest wurde im Zukunftslabor Energie des Zentrums für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) durchgeführt: Drei Forschungslabore wurden technisch miteinander gekoppelt, um das Zusammenspiel dezentraler Energiekomponenten unter realistischen Bedingungen zu untersuchen. Ziel ist es, neue Wege zu einer stabilen Netzführung trotz wachsender dezentraler Lasten zu finden. Die Partner kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen, teilen aber eine gemeinsame Vision: ein intelligentes, flexibles und sich selbst stabilisierendes Stromnetz.
Drei Labore, ein digitales Energiesystem
Das Labor Regenerative Energien der Hochschule Emden/Leer verfügt über ein umfassendes Netzmodell zur Simulation elektrischer Verteilnetze, ergänzt durch reale Energieerzeuger – von der Photovoltaik (PV)-Anlage über ein Blockheizkraftwerk (BHKW) bis hin zum Batteriespeicher.
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Das DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg betreibt das „Nestec“ (Networked Energy Systems Emulation Centre) – eine hochmoderne Emulationsumgebung, in der reale Hardware wie Ladesäulen oder PV-Wechselrichter unter kontrollierten, aber realitätsnahen Bedingungen getestet werden kann. Und an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel ergänzt das Labor für Heizungstechnik den Verbund mit Wärmepumpen, Wärmespeichern, Gaskesseln und Solarthermieanlagen.
Gemeinsam bilden sie ein digital gekoppeltes Testfeld, das exemplarisch zeigen soll, wie ein modernes Energiesystem funktionieren kann: dezentral, vernetzt, flexibel. Getestet wurde ein Szenario auf Basis von § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dieser Paragraph erlaubt Netzbetreibern, bei drohender Überlastung die Leistung sogenannter steuerbarer Verbrauchseinrichtungen – etwa Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge – temporär zu drosseln, um die Netzstabilität zu sichern.
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Für die Simulation wurde eine Wärmepumpe der Ostfalia mit einer mobilen Kleinsteuerung nachgerüstet, die als Schnittstelle zwischen digitaler Simulation und realer Hardware fungiert. Damit konnten auch ältere Geräte ohne eingebaute Kommunikationsschnittstelle in das Testsystem integriert werden – ein wichtiger Schritt, um die Energiewende in Bestandsanlagen voranzubringen.
Um ein digitalisiertes Energienetz stabil zu halten, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Wenn die Spannung im Energienetz zu niedrig ist, dann können zum Beispiel Verbraucher wie Wärmepumpen gezielt abgeschaltet oder überschüssige Energie – sogenannte Flexibilitäten – aus Batteriespeichern genutzt werden, um Defizite auszugleichen“, erklärt Jan Petznik vom DLR.
Wenn Spannung fällt, reagiert das System
Die Forschenden simulierten unterschiedliche Netzsituationen und legten dabei besonderen Wert auf die Spannungsstabilität im Niederspannungsnetz. Als Schwellenwert galt 214 V – rund 7 % unter der Nennspannung. Wird dieser Wert unterschritten, gilt das Netz als gefährdet. Das Ergebnis: Das System reagierte wie gewünscht. Bei Spannungseinbrüchen sendete der digitale Netzregler automatisch Steuerbefehle an Wärmepumpe und Elektroauto-Ladestation. Die Geräte reduzierten ihren Stromverbrauch, während der Batteriespeicher zeitgleich seine Einspeiseleistung erhöhte. So wurde das Netz in Sekundenbruchteilen wieder stabilisiert. Diese dynamische Reaktion zeigt, wie wichtig kommunizierende Energiesysteme künftig werden. Nur wenn Erzeuger, Speicher und Verbraucher miteinander „sprechen“, lässt sich die wachsende Komplexität des Energiesystems beherrschen.
Künftige Versuche mit Einbindung weiterer Anlagen geplant
Ein zentrales Ergebnis der Laborstudie: Standardisierte Schnittstellen und universell einsetzbare Kleinsteuerungen ermöglichen die Integration unterschiedlichster Gerätegenerationen. Damit lassen sich auch bestehende Anlagen in zukünftige Smart-Grid-Strukturen einbinden – eine entscheidende Voraussetzung für die Breitenwirksamkeit digitaler Netzsteuerung. Für Netzbetreiber bedeutet das: mehr Flexibilität, geringere Risiken bei Netzüberlastungen und eine bessere Ausnutzung erneuerbarer Energiequellen. Durch die Kopplung realer und simulierter Systeme entsteht ein Testumfeld, in dem Innovationen sicher erprobt und später in die Praxis übertragen werden können. In künftigen Versuchen sollen weitere Anlagen, darunter auch Elektrolyseure oder bidirektional ladende Fahrzeuge, in die gekoppelte Umgebung eingebunden werden. So ließe sich nicht nur die Netzstabilität, sondern auch das intelligente Energiemanagement ganzer Quartiere untersuchen.




