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Carbon Management 26.01.2024, 14:30 Uhr

Baustein für Klimaneutralität

Die EU-Kommission stellt Anfang Februar eine Carbon-Management-Strategie zum Umgang mit schwer vermeidbaren CO2-Emissionen vor. Im Mittelpunkt stehen die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2.

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Braunkohlekraftwerk in Tschechien.

Foto: PantherMedia/vladvitek

Am 6. Februar stellt die EU-Kommission ihre „Carbon Management Strategy“ vor. Im Mittelpunkt stehen Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU), also Einfang von Kohlenstoffdioxid (CO2) und dessen Endlagerung in tiefen geologischen Formationen oder dessen Nutzung als Chemierohstoff.

Vor allem CCS ist in Deutschland verpönt. Aus Angst, das CO2 könne irgendwann wieder entweichen, ist diese Technik gegen den Klimawandel in Deutschland verboten. Doch ohne CCS beziehungsweise CCU geht es nicht, so die EU, wenn das Klimaziel, eine durchschnittliche Erwärmung um allenfalls 1,5 °C, eingehalten werden und gleichzeitig die Stromversorgung gesichert und bezahlbar bleiben soll.

Auch Biogasanlagen sind Klimasünder

„CCS kann in Industrieanlagen wie Zement- oder Stahlwerken sowie in Kraftwerken eingesetzt werden“, heißt es in einem EU-Papier. Auch die Abtrennung von CO2 aus Biogas ist eine Möglichkeit, das Klima zu entlasten. Bisher wird dieses Gas noch oft an die Atmosphäre abgegeben. Übrig bleibt Methan, das in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Wird es verbrannt wird lediglich so viel CO2 frei wie die Pflanzen, die in der Biogasanlage vergoren wurden, der Atmosphäre während ihres Wachstums entzogen haben.

Mit Erdgas gegen Stromausfälle

„Wenn zusätzliche Wind- und Solarkraftwerke schnell genug genehmigt und gebaut würden, fielen immer weniger CO2-Emissionen an“, ist ein beliebtes Argument gegen CCS/CCU. Dann würde der Anteil der Erneuerbaren zwar weiter steigen – er liegt in Deutschland jetzt schon bei mehr als 50 % –, doch bei fehlender Sonneneinstrahlung und Flauten sind wetterunabhängige Kraftwerke unumgänglich, wenn die Versorgungssicherheit gewährleistet sein soll. Heute sorgen dafür vor allem Kohlekraftwerke, in Zukunft sollen es vermehrt neu zu bauende Gaskraftwerke sein; 25 GW sind nötig. Bisher ist praktisch noch kein Schritt zur Realisierung unternommen worden. Dabei geht der Branchenverband BDEW davon aus, dass die ersten schon 2030 in Betrieb sein müssen. Erdgaskraftwerke emittieren zwar weit weniger CO2 als Kohlekraftwerke, aber klimaneutral sind sie noch lange nicht. Hier böte sich die Abtrennung des Klimagases aus den Abgasen an.

Neues Verfahren zur CO2-Abtrennung

Während der Abtrennprozess normalerweise in einer Flüssigkeit stattfindet, die CO2 bindet – wenn sie gesättigt ist muss sie regeneriert werden, sodass das Klimagas ausgetrieben und eingefangen werden kann –, hat das Helmholtz-Zentrum für Membranforschung in Geesthacht an der Elbe ein Membranverfahren entwickelt, das CO2 etwa aus industriellen Abgasströmen abtrennt, auch aus denen von Kraftwerken und Dieselmotoren. Die erste Anlage ist kürzlich in den Dillinger Hüttenwerken im Saarland in Betrieb genommen worden.

CO2-Pipeline soll 19 000 Kilometer lang werden

Speicherraum für das Klimagas gibt es vor allem unter dem Meer, etwa der Nordsee. Dort lassen sich ausgebeutete Öl- und Gasfelder nutzen, um CO2 dauerhaft zu lagern. Es soll von Schiffen aus oder per Pipeline in die tief liegenden geologischen Formationen gepresst werden. Um es an die Küsten zu transportieren schlägt die Organisation der Europäischen Kommission für Wissenschaft, Forschung und Innovation ein CO2-Pipelinenetz vor, an das 20 EU-Staaten angeschlossen werden sollen. Im Endausbau soll es 19 000 km lang sein und jährlich 250 Mio. t CO2 in Hafenstädte transportieren, sodass das Klimagas von dort aus zu den Lagerstätten transportiert werden kann.

Norwegen hat eine Menge Speicherplatz

Die Öl- und Gaskonzerne Wintershall Dea in Kassel und Equinor im norwegischen Stavanger entwickeln bereits „eine umfassende und sichere Wertschöpfungskette für die Abscheidung, den Transport und die untermeerische Speicherung von CO2“. Es ist geplant, eine rund 900 km lange Pipeline für CO2 von Norddeutschland zu unterirdischen Speicherstätten in Norwegen zu bauen – Norwegen ist ein bedeutender Förderer von Erdgas. In der Folge gibt es dort riesige Felder, die bereits ausgebeutet sind, sodass sie CO2 aufnehmen können.

Norwegen hat bereits jahrelange Erfahrungen mit dem Verpressen des Klimagases in den Untergrund. Bei der Erdgasförderung kommen auch große Mengen CO2 ans Tageslicht, die abgetrennt und endgelagert werden. Die Pipeline, die vor 2032 in Betrieb gehen soll, wird pro Jahr 20 bis 40 Mio. t CO2 abtransportieren, die vor allem aus Gaskraftwerken und Zementfabriken stammen dürften. Gegebenenfalls kann die unterirdische Lagerung schon früher starten. Bis zur Fertigstellung der Pipeline würde das CO2 per Schiff transportiert.

Wintershall Dea und Equinor wollen sich gemeinsam um Lizenzen für die Offshore-Speicherung von CO2 zu bewerben, um 15 bis 20 Mio. t/a auf dem norwegischen Festlandsockel tief unter der Nordsee zu speichern.

Speicherprojekt startet in diesem Jahr

Equinor, Shell und Total Energies verfolgen ebenfalls ein CO2-Speicherprojekt. Im Rahmen von „Northern Lights“ soll verflüssigtes Klimagas, das etwa aus Industrieanlagen in der Europäischen Union abgeschieden wird, per Schiff nach Norwegen transportiert werden. Von einem Terminal in Øygarden an der norwegischen Westküste, das in diesem Jahr fertig werden soll, wird das CO2 dann per Unterwasser-Pipeline zu seinen endgültigen Speicherorten mehr als 2 000 m unter dem Meeresboden verbracht. Die geplanten Speicherstätten des Projekts können in der ersten Phase, die schon in diesem Jahr beginnen soll, jährlich bis zu 1,5 Mio. t CO2 aufnehmen. Ziel ist es, die Speicherkapazität entsprechend der Marktnachfrage auf 5 Mio. t/a zu erhöhen.

Robert Habeck eckt an

Robert Habeck, grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, der 2012 als schleswig-holsteinischer Umweltminister das Verbot der unterirdischen Endlagerung von CO2 durchgesetzt hatte, denkt über diese Technik heute ganz anders, was Teile seiner Partei gar nicht gut finden. Vor rund einem Jahr besuchte er das Zementwerk von Norcem in Brevik, etwa zwei Stunden südwestlich von Oslo. Norcem nutzt die CCS-Technik, um die gigantischen CO2-Mengen, die bei der Produktion anfallen, im Boden zu verpressen. Das hat Habeck gefallen.

Endlagerung ist das kleinere Übel

Klaus Wallmann, Professor am Kieler Meeresforschungszentrum Geomar, stärkt ihm den Rücken. CCS sei eine Chance, den Klimawandel einzudämmen. „Der überwiegende Teil der europäischen Speicherkapazität befindet sich in Sandsteinschichten im tiefen Untergrund der Nordsee“, so Wallmann. „Wenn es heißt: Weiter so wie bisher CO2 in die Atmosphäre blasen, dann bin ich für CCS. Es ist für das Meeresökosystem besser, mit diesem kleinen Risiko zu leben.“

Von Wolfgang Kempkens