Präzision neu definiert: Mikropumpen der Zukunft
Mikropumpen sind eine Schlüsseltechnologie für eine effiziente und präzise Handhabung von Flüssigkeiten und Gasen beispielsweise in der Medizin. Mit der Entwicklung der weltweit kleinsten Pumpe hat sich ein Fraunhofer-Institut als Innovationstreiber etabliert und neue Maßstäbe gesetzt. Neben der Miniaturisierung standen dabei auch Zuverlässigkeit und Dosiergenauigkeit im Fokus.

Eine Silizium-Mikropumpe aus München in einem additiv hergestellten Gehäuse.
Foto: Fraunhofer EMFT/Bernd Müller
3,5 x 3,5 x 0,6 mm3 misst die kleinste piezoelektrische Mikropumpe des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien EMFT aus München. Zum Vergleich: Eine MicroSD-card mit Abmessungen von 15 x 11 x 1 mm3 ist 22-mal größer. Gleichzeitig steckt in dem Pumpenzwerg jede Menge Power: Die Mikropumpe erreicht Förderraten von 500 µl Gas/min – und dies auch bei einem beachtlichen Gegendruck von 25 kPa.
Die Gegendruckfähigkeit gibt an, wie viel Druck die Pumpe erzeugen kann, um Flüssigkeiten oder Gase zu fördern, selbst wenn Widerstände oder Druckverluste im System vorhanden sind. Dies ist insbesondere bei sensiblen Anwendungen wie in der Medizintechnik wichtig, um eine konstante Dosierrate aufrechtzuerhalten. Diese Pumpe kann Gase und Flüssigkeiten mit einem Hubvolumen von nur 20 nl dosieren, was etwa 0,05 % des Volumens eines Wassertropfens entspricht. Das macht sie für Anwendungen, die kleinste Volumina erfordern, interessant. Ein Beispiel ist perspektivisch etwa die Dosierung hochkonzentrierter Medikamente wie ein U1000-Insulin.
Die extreme Miniaturisierung ebnet damit den Weg für völlig neue Einsatzmöglichkeiten von Mikropumpen wie der Integration in tragbare medizinische Geräte bis hin zu komplexen industriellen Anwendungen.
Also alles einfach „eine Nummer kleiner“ bauen? Ganz so trivial ist es nicht.
Störgrößen beim Verkleinern umgehen
Es ist kein Zufall, dass es beispielsweise keine Motoren oder Pumpen im Mikrometermaßstab gibt. Das liegt daran, dass bei einer Miniaturisierung volumenskalierte Nutzeffekte wie das Hubvolumen bei einer Pumpe mit der dritten Potenz der Abmessung abnehmen. Oberflächenskalierte Störgrößen wie Reibung oder der Einfluss von Partikeln verringern sich dagegen mit der zweiten Potenz. Ab einer bestimmten Miniaturisierung dominiert daher immer die Störgröße über die Nutzgröße. Bei den Mikropumpen sind diese Störgrößen vor allem Oberflächen von Gasblasen sowie Partikel, die beide in der Praxis nicht vermieden werden können.
Damit die Pumpen durch die „Schrumpfkur“ also nicht an Performance einbüßen, müssen beim Design wesentliche Funktionszusammenhänge insbesondere hinsichtlich der Hubvolumina, der Totvolumina und des Kompressionsverhältnisses, also dem Verhältnis zwischen Hubvolumen und Totvolumen der Pumpe, berücksichtigt werden.
Clou 1: Pumpen mit piezoelektrischem Effekt
Hier kommt der „inverse piezoelektrische Effekt“ ins Spiel: Er führt bei piezoelektrischen Materialien dazu, dass das Anlegen einer elektrischen Spannung das Material verformt. Das liegt daran, dass im Material Ionen vorliegen, die so angeordnet sind, dass Dipole entstehen – der negative und positive Ladungsschwerpunkt also nicht übereinander liegen. Diese Dipole werden beim Anlegen eines Feldes ausgerichtet, sodass eine makroskopische Polarisation des Materials vorliegt. Dadurch kann durch Anlegen einer Spannung das gesamte Material verformt werden. Für dauerhaft stabilen Betrieb ohne Degradation ist es wichtig, eine Polarisationsumkehr zu vermeiden, also nie eine so große negative Spannung anzulegen, die die Polarisation in die entgegengesetzte Richtung umdrehen würde.
Genau dies machen sich die Forschenden am Fraunhofer EMFT zunutze, um die Minipumpen anzutreiben. Diese bestehen aus einem Pumpkörper, der je nach Größe vollständig aus Silizium oder Metall gefertigt wird. Dieser Pumpenkörper umfasst eine Pumpkammer mit Einlass- und Auslassventil und der dünnen kreisförmigen Membran aus Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) in Form einer Scheibe verklebt. Der Verbund aus dem Metall oder Silizium mit der aktiven piezoelektrischen Scheibe ist der Biegewandler, der die Pumpe antreibt.
Wird an diese piezoelektrischen Scheibe eine positive Spannung angelegt, zieht sie sich zusammen und drückt die Membran nach unten. Eine negative Spannung erzeugt hingegen eine Biegung nach oben. Wird nun eine Wechselspannung angelegt, oszilliert die Membran, also der Biegewandler, und entsprechend verändert sich das Volumen in der Pumpkammer. In Kombination mit passiven Klappenventilen führt das zu einem Gas- oder Flüssigkeitstransport vom Ein- zum Auslass. Diese Antriebstechnologie ermöglicht durch ihre feinjustierbare Position, hohe Reaktionsgeschwindigkeiten und designbedingte minimale Volumenwechsel äußerst präzise Dosierraten.
Herausforderung Totvolumen
Allerdings ist Vorsicht geboten: Um die beschriebene Umkehr der Polarisation zu vermeiden, darf keine hohe negative Spannung angelegt werden. Deshalb ist die Aufwärtsbewegung des Biegewandlers begrenzt und der größte Anteil der Bewegung findet nach unten statt. Diese Asymmetrie in der Bewegung hat einen Haken: Sie erfordert viel Platz in der Pumpkammer, um die Membran nach unten auslenken zu können. Dadurch wiederum entsteht ein hohes Totvolumen, also ein Restvolumen, dessen Gasinhalt nicht ausgestoßen wird. Ein hohes Totvolumen ist jedoch kritisch: Es verringert das Kompressionsverhältnis und damit den erreichbaren Gasgegendruck und es senkt die Blasentoleranz der Pumpe. Insbesondere bei sensiblen Anwendungen wie in der Medizintechnik kann die damit verbundene Beeinträchtigung der Dosiergenauigkeit oder sogar Gefahr von Pumpausfällen kritisch sein.

Ein Medikamentendosiersystem zur Digitalisierung in der Medizin mit einer Mikropumpe aus Metall zum Fluidtransport, einer Steuereinheit zur Regelung der genauen Flussrate, einer kabellosen Datenschnittstelle und einem Akku zur Energieversorgung.
Foto: Fraunhofer EMFT/Bernd Müller
Clou 2: Spannung auf die Membran
Es ist daher sicher nicht übertrieben, von einem Meilenstein zu sprechen, dass es dem Team des Fraunhofer EMFT gelungen ist, das Totvolumen ihrer Mikropumpen deutlich zu verringern und somit den Druck sowie das Saugvermögen zu erhöhen.
Der Clou: Während der Montage der Piezokeramik wird die Membran gezielt mit dem Piezoeffekt vorgespannt. Dabei wird eine Spannung an die Keramik angelegt, während der verwendete Epoxidharzkleber flüssig ist. Die Membran zieht sich durch die Spannung zusammen und wird in diesem Zustand verklebt. Wird die Spannung nach der Aushärtung wieder verringert, wölbt sich der Biegewandler nach oben. Weil die Membran jetzt dauerhaft vorgespannt ist, ist keine tiefe Pumpkammer mehr erforderlich.
Dieser innovative Ansatz schlägt quasi zwei Fliegen mit einer Klappe: Er ermöglicht es, sowohl hochminiaturisierte Mikropumpen zu konstruieren als auch Mikropumpen, die über hohe Kompressionsverhältnisse und damit Gasgegendrücke verfügen.
Mikropumpen: flexibel gestaltbar
Beim Design piezoelektrischer Mikropumpen kann das Fraunhofer-Forschungsteam wichtige Parameter wie die Gegendruckfähigkeit, Flussrate oder Dosiergenauigkeit gezielt auf eine bestimmte Anwendung anpassen. Dazu ist detailliertes, interdisziplinäres Wissen beispielsweise zu den Materialeigenschaften des verwendeten piezoelektrischen Materials, zur Strömungsmechanik, zur Elastomechanik und den Oberflächeninteraktion notwendig. Aber auch die spezifische Anwendung sowie die chemischen und fluidischen Eigenschaften der zu dosierenden Medien spielen eine Rolle. Ein tiefes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren ist essenziell, um ein reibungsloses Zusammenspiel aller Komponenten in einem Mikrodosiersystem zu gewährleisten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die technologischen Herausforderungen bei der Optimierung der Pumpen für innovative, maßgeschneiderte Anwendungen, sei es in der Medizintechnik oder in industriellen Bereichen, sind äußerst komplex. Die Aspekte Miniaturisierung, hohe Dosiergenauigkeit und Robustheit gegenüber Störeinflüssen stehen dabei im Mittelpunkt, da sie die Grundlage für Anforderungen wie Druckstabilität, Partikelresistenz, Blasentoleranz oder „Free Flow“-Schutz bilden.
Dr. Agnes Bußmann ist Gruppenleiterin Backend & Test / Mikrodosiersysteme am Fraunhofer-Institut für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien EMFT
Dr. Martin Richter leitet die Abteilung Mikropumpen am Fraunhofer EMFT