Höhere Erlöse mithilfe Künstlicher Intelligenz
Solarstrom wird heute weitgehend ohne Rücksicht auf den Bedarf ins Netz eingespeist. Mit Wolkenbildern und Künstlicher Intelligenz (KI) lässt sich künftig der beste Zeitpunkt dafür bestimmen. Das bringt mehr Geld und stabilisiert das Netz.

Die Daten des Forschungsprojekts stammen aus einem Photovoltaik-Feld im bayerischen Buttenwiesen. Im Abstand von einem Kilometer sind hier zwei All Sky Imagers (ASI) installiert, die durch ihre Fischaugenlinsen alle zehn Sekunden Fotos vom Himmel schießen.
Foto: Andreas Boschert/TH Rosenheim
Betreiber von Photovoltaik (PV)-Anlagen, die den erzeugten Strom direkt über die Börse vermarkte, können künftig höhere Erlöse erzielen und gleichzeitig der Allgemeinheit einen guten Dienst erweisen, indem sie quasi nebenbei das Stromnetz stabilisieren. Die Informatik-Professorin Grit Behrens von der Hochschule Bielefeld (HSBI) und Energiemeteorologen an der Technischen Hochschule Rosenheim nutzen Kameras, die die Wolken beobachten, und KI, um vorherzusagen, wann die jeweilige PV-Anlage besonders viel Strom erzeugt und wann sie diesen ins Netz einspeisen, also verkaufen soll, und wann der Solarstrom besser gespeichert oder für die Eigenversorgung genutzt wird. Das geschieht im 15-Minuten-Takt, in dem auch die Börse den jeweiligen Ankaufspreis festlegt.
Manchmal muss sogar zugezahlt werden
Strom, der ins Netz eingespeist wird, obwohl das Angebt schon so groß ist, dass er nahezu unverkäuflich ist, erlöst weniger Geld oder die Erträge sind sogar negativ. Anders als in Mangelzeiten. Dann ist der Stromabnahmepreis besonders hoch. Bisher kann das von den Betreibern von Solaranlagen kaum genutzt werden. Sie sind weitgehend abhängig vom Managementsystem, das den Stromabnahmepreis bisher nicht berücksichtigen kann. Es sorgt in erster Linie für die Eigenstromversorgung, dann fürs Laden der Batterie und wenn dann noch was übrig ist öffnet es die „Schleusen“ für die Einspeisung ins Netz. Künftig werden die Prioritäten anders gesetzt: Strom fließt nur ins Netz, wenn er hoch vergütet wird, also ein wirklicher Mangel besteht.
Mit KI geht es viel schneller
Behrens ist am Campus Minden der HSBI im Lehrgebiet Angewandte Informatik tätig. „Ich beschäftige mich eigentlich immer mit Umweltinformatik“, sagt sie. „Mein Steckenpferd ist das maschinelle Lernen auf Zeitreihen. Ich trainiere neuronale Netzwerke darauf, aus Daten der Vergangenheit Prognosen für die Zukunft abzuleiten.“ Genau damit kommt Behrens jenen Forschenden ins Gehege, die mit klassischen analytischen Werkzeugen und aufwendigen 3-D-Modellierungen ihre Vorhersagen treffen, etwa fürs Wetters. Aber sie hat die KI auf ihrer Seite, und ist damit vor allem eines: stets viel, viel schneller.
Wolken-Prognose mithilfe von Kameras
„Wir haben uns gesagt: Eigentlich wäre es cool, eine Kamera auf dem PV-Feld zu haben, um zu erfahren, welche Wolken in den nächsten 15 Minuten heranschweben“, so Behrens. „Dann könnten wir eine kurzfristige Prognose des PV-Ertrages errechnen lassen.“ Das war die Geburtsstunde des Energiemeteorologie-Projekts „Helios“ an der HSBI unter Beteiligung von Professor Mike Zehner, der an der TH Rosenheim Nachhaltige elektrische Energietechnik lehrt.

All Sky Imagers (ASI) schießen durch ihre Fischaugenlinsen Fotos vom Himmel. Mit diesen Bildern füttert Prof. Dr.-Ing. Grit Behrens ihre KI, die dann zeitlich und räumlich hochauflösende Kurzfristprognosen für solare Einstrahlung erstellt.
Foto: Projekt Helios/TH Rosenheim
Alle zehn Sekunden ein Foto
Daraus ging ein Feldversuch im PV-Feld in Buttenwiesen im Landkreis Dillingen an der Donau hervor. Dort sind im Abstand von 1 km zwei All Sky Imagers (ASI) installiert, Kameras, die durch ihre Fischaugenlinsen alle zehn Sekunden Fotos vom Himmel schießen. „Mit diesen Bildern füttern wir Tag für Tag unsere KI, die damit implizit alles über Meteorologie lernt, was für unseren Zweck von Bedeutung ist“, sagt Behrens.
Genauigkeit von 100 Prozent
Denn die KI soll vor allem eines: zeitlich und räumlich hochauflösende Kurzfristprognosen für solare Einstrahlung erstellen. Jede getroffene Prognose wird mit dem zugehörigen realen Ertrag für Solarstrom abgeglichen. So wird das System kontinuierlich „schlauer“, und die Prognosen fallen noch genauer aus. Das zusätzliche Einspeisen von aktuellen Wetterdaten macht die Vorhersagen abermals präziser. „Bis zum Ende des Jahres wollen wir uns, was die Genauigkeit angeht, der 100-Prozent-Marke möglichst weit annähern“, so Behrens.
Mehr Pausen für fossile Kraftwerke
Behrens geht davon aus, dass sich ihre Technologie auf PV-Feldern in absehbarer Zeit durchsetzen wird, zumal sie dazu beiträgt, das Netzt zu stabilisieren. In Zeiten, in denen ohne die Behrens`sche Regelung zu viel Strom eingespeist würde, wird dieser zurückgehalten, um später Lücken zu füllen, wenn die Erzeugung von erneuerbarem Strom schwächelt. Heutige Lösungen bestehen im zeitweisen Abschalten ganzer Solar- und Windkraftwerke, um Überfluss zu vermeiden, und im Anfahren von fossilen Kraftwerken, um Stromlücken zu füllen. Beides wird künftig seltener nötig sein, vorausgesetzt, es gibt genügend Speicherkapazität.