Zum E-Paper
Luftreinhaltung 01.06.2019, 00:00 Uhr

Feinstaub kostengünstig messen

Kleine tragbare Messgeräte werden heute immer öfter genutzt, um Feinstaub zu messen. Diese kosten teilweise weniger als 50 Euro. Sie können Messungen etwa der Landesumweltämter an festen Stationen ergänzen. Allerdings liefern die Sensoren der kleinen Geräte nicht bei jedem Wetter zuverlässige Daten.

Einzelteile des Nova Fitness Feinstaubsensor, den viele Bürger bereits nutzen. Bild: Tristan Jakubczyk

Einzelteile des Nova Fitness Feinstaubsensor, den viele Bürger bereits nutzen. Bild: Tristan Jakubczyk

Die gesundheitsschädigende Wirkung von Feinstaub ist seit langem bekannt. Die Quellen des Feinstaubs sind dabei vielfältig und umfassen neben gefassten Quellen wie Schornsteine, mobile Quellen wie den Straßenverkehr auch diffuse Emissionen wie Haldenabwehungen oder Bodenerosion. Die Feinstaubbelastung hat in Deutschland zwar über die letzten Jahrzehnte stetig abgenommen, eine Entwarnung kann jedoch nicht gegeben werden. Epidemiologische Studien ergaben nämlich, dass es keinen Schwellwert für die Feinstaubkonzentration gibt, unter dem eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden könnte.

Die Feinstaubkonzentration in der Umgebungsluft muss daher kontinuierlich und idealerweise flächendeckend überwacht werden. Als Referenzverfahren werden hierzu Filter über 24 Stunden beprobt und gravimetrisch ausgewertet. Somit ergeben sich Tagesmittelwerte der Feinstaubkonzentration jeweils für den Ort der Probenahme. Das Referenzverfahren wird in den Messnetzen der Landesumweltämter und des Umweltbundesamtes ergänzt durch direktanzeigende Geräte, welche die Konzentrationen mit höherer Zeitauflösung messen. Derzeit existieren in Deutschland einige hundert derartiger Messstationen mit sehr unterschiedlichen Standortcharakteristika, um ein möglichst vollständiges Bild der Feinstaubbelastung in den unterschiedlichen Regionen in Deutschland zu erhalten. Eine flächendeckendere messtechnische Erfassung der Konzentrationen scheitert im Wesentlichen am hohen Preis der Messtechnik sowie am Platzbedarf der Messcontainer. Die Verteilung der Feinstaubkonzentrationen zwischen den Messstationen wird stattdessen mit speziellen Rechenmodellen bestimmt.

Der Sensorbaustein SDS 011 im Nova Fitness-Feinnstaubmessgerät. Bild: Tristan Jakubczyk

Der Sensorbaustein SDS 011 im Nova Fitness-Feinnstaubmessgerät. Bild: Tristan Jakubczyk

 

Weniger als 50 Euro

In den letzten Jahren haben sich jedoch neue und erheblich kostengünstigere Möglichkeiten zur Messung luftgetragener Feinstaubkonzentrationen ergeben. Getrieben durch die starke Luftverschmutzung in China und deren zunehmende Wahrnehmung durch die Bevölkerung wurde dort die Entwicklung von Sensoren zur Messung von Feinstaubkonzentrationen vorangetrieben. Als Startpunkt dienten hierzu Rauchdetektoren, die bereits als Massenprodukt kostengünstig erhältlich waren. Mittlerweile ist eine Vielzahl derartiger Sensoren erhältlich, die größtenteils erheblich weniger als 50 € kosten. Im Gegensatz dazu bewegen sich die Preise für die durch die Umweltämter verwendeten Referenzmessgeräte typischerweise im Bereich um 20.000 €. Die Sensoren basieren auf dem Photometerprinzip. Das heißt, sie bestimmen die Feinstaubkonzentrationen mittels des durch die Partikel gestreuten Lichts. Hierzu wird das zu vermessende Aerosol durch ein Messvolumen geleitet, durch einen Laser beleuchtet und die Streulichtintensität gemessen. Im Gegensatz zum Spektrometerprinzip, bei dem die Lichtstreuung an Einzelpartikeln gemessen wird und somit auch Informationen zur Partikelgröße verfügbar sind, erfolgt die Messung in den photometrischen Sensoren immer an Partikelwolken. Da die von den Partikelwolken erzeugte Streulichtintensität neben der Partikelgröße bzw. deren Größenverteilung und Konzentration auch von anderen Partikeleigenschaften, insbesondere Brechungsindex und Partikelform, abhängig ist, erfordern die Sensoren eine sorgfältige Kalibrierung für die zu vermessenden Partikel. Herstellerseitig erfolgt die Kalibrierung der Sensoren für typische Außenluftaerosole.

Die Wetterstation auf einem Feinstaubmesscontainer auf dem Gelände des IUTA in Duisburg-Rheinhausen. Bild: Tristan Jakubczyk

Die Wetterstation auf einem Feinstaubmesscontainer auf dem Gelände des IUTA in Duisburg-Rheinhausen. Bild: Tristan Jakubczyk

 

Durch die niedrigen Kosten für die Anschaffung der Sensoren ergeben sich neue Möglichkeiten. In Bürgerbeteiligungsprojekten werden diese Sensoren bereits heute vielfach eingesetzt. In einem vom OK Lab in Stuttgart initiierten Projekt betreibt mittlerweile eine große Anzahl von Privatleuten miteinander vernetzte Feinstaubsensoren, die ihre Messwerte zur Verfügung stellen um auf einer Feinstaubkarte im Internet (https://luftdaten.info/) dargestellt zu werden.

Engmaschige Netze

Durch den Aufbau solcher engmaschiger Netzwerke lassen sich auch außerhalb von „Citizen Science“ mit überschaubarem finanziellen Aufwand wesentlich flächendeckendere Daten erzeugen, um beispielsweise die Modellierung der Feinstaubkonzentrationen zu unterstützen. Auch lassen sich gegebenenfalls so temporär auftretende Feinstaubquellen identifizieren und deren Emissionen mit zeitlich hoher Auflösung messen. Hierzu zählen beispielsweise diffuse Emissionen von Halden oder an Baustellen, die sonst nur schwer zu erfassen sind. Auch die Messung der Arbeitsplatzexposition ist denkbar.

Grenzen der Anwendung

Für all diese Anwendungen sind jedoch stets die Grenzen der Sensorik zu bedenken. Einerseits sind die Sensoren für typische Partikelzusammensetzungen in der Außenluft kalibriert. Je nach Anwendungsbereich sowie Messort und -zeit können jedoch erhebliche Abweichungen auftreten, die eine spezifischere Kalibrierung erfordern. Generell ist eine genaue Messung nur dann möglich, wenn die Aerosoleigenschaften während der Kalibrierung und der Messung identisch sind. Bei wechselnden Zusammensetzungen oder Größenverteilungen der Partikel kann dies eine Messung nicht gewährleistet. In der Regel können aber immer noch gute Schätzwerte ermittelt werden. Weiterhin wird die Messung mit den Sensoren durch Umwelteinflüsse, insbesondere durch die Luftfeuchtigkeit, beeinflusst. Hygroskopische Partikel lagern bei hoher Luftfeuchtigkeit Wasser ein und können dadurch erheblich anwachsen. Im Sensor führt dies zu verstärkter Lichtstreuung, die als hohe Feinstaubkonzentration fehlinterpretiert wird. Es wurde beobachtet, dass die Messwerte der Sensoren beispielsweise bei Regen mitunter das Zehnfache der realen Konzentrationen betragen können. Aufgrund der Komplexität der Partikelhygroskopizität scheint eine Datenkorrektur der Feuchteeinflüsse nicht möglich zu sein. Die Messwerte der Sensoren sind daher für eine relative Feuchtigkeit von über ca. 70% nicht zu verwerten. Die Entwicklung eines geeigneten kostengünstigen Aerosoltrockners könnte dieses Problem lösen. Derzeit steht aber zumindest kommerziell keine entsprechende Lösung zur Verfügung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sensoren einerseits viele neue Möglichkeiten bei der Erfassung von Feinstaub eröffnen, wie bei der Erfassung der Emissionen unterschiedlicher Quellen. Gleichzeitig müssen aber andererseits die Grenzen der Sensorik im Auge behalten werden. Eine vergleichbare Genauigkeit wie die sehr viel höherpreisige Referenzmesstechnik können photometrisch arbeitende Feinstaubsensoren nur unter idealen Bedingungen leisten. Im Realfall ist die Sensormessung hingegen mit wesentlich größeren Unsicherheiten behaftet und sollte daher eher als semi-quantitativ angesehen werden. Zur Überwachung der Grenzwerte sind die Sensoren daher nicht geeignet. Für viele Anwendungen hingegen ist der semi-quantitative Charakter der Messung völlig ausreichend. Sollen beispielsweise zeitlich oder räumlich begrenzt auftretende Quellen identifiziert werden, so ist das Erkennen des Anstiegs der Konzentration ausreichend. Ebenso kann es im Sinne des vorausschauenden Arbeitsschutzes ausreichend sein, eher qualitativ zu erkennen, ob die Staubkonzentration am Arbeitsplatz hoch oder niedrig ist, um einen etwaigen Bedarf an Maßnahmen abzuleiten.

Von Christof Asbach

Christof Asbach, Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA), asbach@iuta.de