Zum E-Paper
Photovoltaik 12.03.2020, 11:45 Uhr

9 Wege, aus Sonnenlicht Strom zu machen

Mit kristallinen Silizium-Solarzellen begann das solare Zeitalter. Mittlerweile sind zahlreiche andere Techniken zur Umwandlung von Licht in Strom entwickelt worden. Doch an Silizium führt immer noch kein Weg vorbei.

Erneuerbare Energien Kombo Solarenergie Windenergie ökologisch Solarpanel Sonnenblume eco Sonnenenergie Rapsfeld Windmühle Windrad Natur blauer Himmel photovoltaik

Die Sonne als Energiequelle.

Foto: panthermedia.net/Mauro Manfredini

1987 ging in Wedel bei Hamburg die erste Großanlage zur Herstellung von Solarzellen in Betrieb. In den Folgejahren mauserte sich Deutschland zum mit Abstand führenden Solarzellenproduzenten. Davon ist heute nichts mehr übrig. Zellen und Module kommen fast ausschließlich aus Fernost, vor allem aus China, Südkorea und Japan. Völlig aus dem Rennen ist der einstige Marktführer jedoch nicht. Die Forschungsergebnisse sind immer noch excellent, auch wenn vor allem andere Länder davon profitieren.

Nice Solar Energy, hervorgegangen aus Würth Solar, gehört zu den innovativen Unternehmen der Branche. In Schwäbisch Hall betreibt es eine Innovationslinie, auf der so genannte CIGS-Zellen hergestellt werden. CIGS steht für Kupfer-Indium-Gallium-Selen. Hauchdünn auf eine Unterlage gedampft fängt dieses Material Sonnenlicht weit effektiver ein als der Klassiker Silizium. Bei der Herstellung wird weit weniger Energie benötigt, und auch der Materialaufwand macht nur einen kleinen Bruchteil dessen aus, was Siliziumzellen benötigen. Die 160 Mitarbeiter von Nice, das von der Manz AG in Reutlingen und drei chinesischen Unternehmen gegründet worden ist, arbeiten daran, den Wirkungsgrad der Zellen immer weiter zu verbessern. Auf der Fertigungslinie testen sie jeden Fortschritt. In Peking baut das Unternehmen derzeit eine große Produktionsanlage.

Neuer Weltrekord beim Wirkungsgrad

Möglicherweise nutzt Nice auch ein Forschungsergebnis des EU-Projekts Sharc25, an dem elf Forschungseinrichtungen in acht EU-Staaten mitgearbeitet haben, darunter das Helmholtz-Zentrum Berlin. Der neue Wirkungsgrad-Weltrekord für diesen Zelltyp liegt bei 22,6 nach 21,7 %. Damit kommt dieser Zelltyp den Siliziumzellen sehr nah. Die Forscher schafften das durch eine Nachbehandlung der Oberflächen mit Alkali-Elementen wie Kalium, Rubidium oder Cäsium. Dadurch veränderten sich die chemischen und elektronischen Eigenschaften der hauchdünnen solaraktiven Schicht, weil einige Alkali-Atome sich darin einnisten. Das reduziert die so genannte Rekombination, also die Neutralisierung von Elektronen, die durch Beschuss mit den Lichtteilchen (Photonen) entstehen und eigentlich als elektrischer Strom genutzt werden sollen. Die Änderungen in den Schichten wiesen die Berliner Forscher mit Hilfe von extrem hellen Röntgenstrahlen des Berliner Elektronen-Synchrotrons (Bessy II) nach.

Solarenergie reduziert die Kohlendioxid-Emissionen

Die in Deutschland installierten Solarkraftwerke – derzeit sind mehr als 46 Gigawatt installiert – erzeugten 2019 46,4 Milliarden Kilowattstunden. Bei Emissionen von 474 Gramm pro Kilowattstunden – eine Zahl, die das Bundesumweltamt jedes Jahr auf Grund des Strommixes in Deutschland ermittelt, bedeutet das eine Einsparung von 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Kristalline Siliziumzellen

Nicht nur bei AEG begann das Solarzeitalter mit Silizium. Noch heute dominiert das Material auf dem Markt. Sieht man von den Konzentrator-Solarzellen einmal ab haben sie in kristalliner Form den höchsten Wirkungsgrad und den höchsten Materialverbrauch.

Die Zellen werden auf so genannten Wafern aufgebaut, mikrometerdünnen Siliziumscheiben. Diese werden ganz klassisch durch Sägen aus einem großen Kristall gewonnen, als würde man eine Salami mit zahlreichen Messern gleichzeitig in Scheiben schneiden. Der viele Kilogramm schwere Ausgangskristall wird in einem komplexen Schmelzprozess aus reinem Sand gewonnen. Da die Temperatur dabei höher als 1.400 Grad Celsius sein muss, ist der Energieaufwand beträchtlich.

Die erste Technik zur Herstellung der mächtigen Kristalle ist das Czochralski-Verfahren, als der gleichnamige polnische Chemiker 1916 Im Metall-Labor der AEG per Zufall entdeckte. Er tauchte, wie es heißt, seinen Federhalter aus Versehen nicht in Tinte, sondern in einen Schmelztiegel mit flüssigem Zinn. Das Metall erstarrte an der Feder. So kam er auf die Idee, einen Siliziumkeim in flüssiges Silizium zu tauchen und langsam herauszuziehen. Wenn der Vorgang immer wieder wiederholt wird entsteht ein dicker Kristall. Für Solarzellen reicht die Qualität schon aus. Kristalle für die Chipindustrie müssen noch energieaufwändig nachbehandelt werden. Bei Zersägen des großen Kristalls fallen bis zu 40 % Abfälle an, die wieder eingeschmolzen werden – erneut mit hohem Energieaufwand. Heute werden für solare Zwecke auch Blöcke gegossen.

Auf den Wafern, die mit dreiwertigen Boratomen „verunreinigt“ – dotiert sind, wird im Vakuum eine Grenzschicht aufgebracht. Darin werden bei Lichteinfall Elektronen freigesetzt, die in die darüberliegende Siliziumschicht abwandern. Diese ist mit Phosphoratomen dotiert. Obern und Unten werden noch metallische Kontakte angebracht, über die der erzeugte Solarstrom abgegriffen werden kann.

Mehrere Solarzellen werden in Modulen zusammengefasst. Sie bekommen einen stabilen Rahmen, damit sie bei Wind und Wetter nicht brechen, und eine gläserne Schutzschicht, die zuweilen so behandelt wird, dass Licht nicht reflektiert wird, also für die Stromerzeugung verloren geht.

Amorphe Siliziumzellen

Der hohe Materialverbrauch bei kristallinen Zellen ließ Forscher nicht ruhen. Sie suchten nach Wegen, ihn zu verringern. Das gelang, sogar in großem Stil. Amorphe Solarzellen begnügen sich mit einem Bruchteil an Silizium. Die aktive Schicht ist weitaus dünner als ein Blatt Papier. Sie wird in der Regel auf eine Unterlage, etwa eine Glasscheibe, aufgedampft. Die Herstellung ist nicht nur mit äußerst wenig Material möglich. Sie ist auch weitaus billiger als kristalline Zellen.

Dass sie dennoch nur in geringen Stückzahlen produziert werden, liegt am mickrigen Wirkungsgrad. Der beträgt mit etwa zehn Prozent kaum halb so viel wie bei kristallinen Zellen. Bei beschränktem Platz, etwa auf dem Dach, fällt die Entscheidung eher zu Gunsten von leistungsfähigeren Zellen.

Konzentrator-Solarzellen

Eine deutsche Domäne waren Konzentrator-Solarzellen. Entwickelt wurden sie am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Die Forscher haben den Wirkungsgrad kontinuierlich verbessert. Derzeit liegt er bei 41,4 %, und das bezieht sich auf ein komplettes Modul. Die Zellen selbst schaffen noch deutlich mehr. Sie bestehen aus einem winzigen Hochleistungsmodul aus so genannten III-V-Halbleiter wie Galliumnitrid, auf das eine Linse das Sonnenlicht bündelt. Die Intensität steigt dadurch auf das mehr als Hundertfache.

Die ISE-Forscher gründeten ebenfalls in Freiburg das Unternehmen Concentrix Solar, das eine Fertigungslinie aufbaute. 2009 wurde es von Soitec übernommen, einem internationalen Industrieunternehmen mit Hauptsitz in Frankreich, welches sich auf die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungsmaterialien für die Halbleiterindustrie spezialisiert hat. Sechs Jahre später hatten die Franzosen die Lust an der Zelle verloren. Sie versuchten die Solarsparte an das chinesische Unternehmen Concen Solar zu verkaufen. Als das scheiterte schloss Soitec seine Produktionsstätte in Freiburg. Heute gibt es nur noch wenige Hersteller dieses Zelltyps, darunter das Schweizer Unternehmen Insolight aus Lausanne.

Konzentrator-Solarzellen sind ausschließlich für Regionen geeignet, in denen die Sonne meist wolkenlos vom Himmel brennt. Sobald das Licht diffus wird, sogar dann, wenn Schleierwolken aufziehen, sinkt der Wirkungsgrad der Zellen auf nahezu Null, weil sich dieses Licht nicht bündeln lässt. Da sie weitaus teurer sind als Siliziummodule haben sie es am Markt schwer. Denn der geringe Platzbedarf spielt in wüstenähnlichen Regionen, für die sie ideal sind, keine sonderlich große Rolle. Bei Raumfahrzeugen sieht das anders aus, vor allem, wenn die Zellen extrem leicht sind. Forscher an der Ben-Gurion University of the Negev im israelischen Be’er Scheva haben gemeinsam mit US-Kollegen eine Konzentrator-Solarzelle entwickelt, die nur 1,7 Millimeter dick ist. Das Sonnenlicht passiert die teiltransparente Zelle und wird von einem dahinter befindlichen Spiegel reflektiert, sodass weiterer Strom erzeugt wird. Die US-Weltraumbehörde Nasa ist daran in höchstem Maße interessiert, weil jedes Gramm, das ins All befördert wird, tausende Dollar an Transportkosten verursacht.

Perowskit-Zellen

Die schnellsten Fortschritte in Sachen Wirkungsgrad machen seit einigen Jahren Perowskit-Solarzellen. Sie basieren auf einem natürlich vorkommenden Kristall, der auch synthetisch hergestellt werden kann. Er enthält unter anderem Calcium, Titan und Sauerstoff. Nichts sammelt Sonnenlicht so effektiv ein wie dieses Material. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart und von Nice haben darauf basierend eine Zelle entwickelt, die nahe an 30 % herankommt. Sie besteht eigentlich aus zwei übereinander angeordneten Zellen. Die obere basiert auf transparentem Perowskit, die untere ist eine CIGS-Zelle.

Forscher am KIT, dem Technological Educational Institute of Western Greece sowie die Solarindustrieunternehmen Sunovation in Aschaffenburg und Brite Hellas aus Thessaloniki arbeiten derzeit daran, Perowskit-Zellen per Drucker herzustellen. „Ein Ziel unseres Projekts ist es, die Laborprozesse durch digitale Druckverfahren zu ersetzen, die bei niedrigen Temperaturen ablaufen und sich für die industrielle Produktion eignen“, sagt Ulrich W. Paetzold, Leiter der Forschungsgruppe „Advanced Optics and Materials for Next Generation Photovoltaics“ am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) und am Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT. Dazu ist es nötig, Tinten zu entwickeln, die druckergeeignet sind und die gewünschten fotoelektrischen Eigenschaften haben. Weiteres Ziel ist es, Module herzustellen, die beliebig eingefärbt sind. Damit soll die Integration in Fassaden erleichtert werden.

Grüne Solarzellen

Pflanzen wandeln Sonnenlicht in elektrischen Strom um, den sie umgehend für die eigene Energieversorgung nutzen. Forscher wollen zumindest einen Teil davon abzwacken, um ihn anderweitig zu nutzen. An den Universitäten Birmingham im Vereinigten Königreich und Utrecht in den Niederlanden nutzen sie Cyanobakterien und Rotalgen. Diese Mikroorganismen sind in der Lage, 95 % des einfallenden Sonnenlichts einzufangen. Wie sich die entstehenden Elektronen effektiv nutzen lassen ist allerdings noch offen.

Auf dem richtigen Weg ist möglicherweise die Chemikerin Kadi Liis Saar von der University of Cambridge im Vereinigten Königreich. Sie hat ein Zweikammersystem entwickelt In der ersten setzen Photonen, also Lichtteilchen, Elektronen frei. In der zweiten werden diese zu einem Strom formiert. Das ermöglicht es, beide Schritte getrennt voneinander zu optimieren. Trotzdem ist die Ausbeute der Biozelle im Vergleich zu einer technischen Zelle verschwindend gering. Die Entwicklung steht allerdings erst am Anfang.

Organische und transparente Solarzellen

Auf organische Solarzellen setzt das Dresdner Unternehmen Heliatek. Sie bestehen aus elektrisch aktiven Kunststoffschichten, ähnlich wie organische Leuchtdioden. Material und Herstellung sind nahezu konkurrenzlos günstig. Die Folien, Heliafilm genannt, werden per Drucker als Endlosfolie hergestellt. Am Wirkungsgrad hapert es jedoch. Er liegt auf dem Niveau von amorphen Siliziumzellen.

Doch sie haben andere Vorteile. Sie können transparent und flexibel sein, sodass sie sich ideal für stromerzeugende Fassaden eignen. ENGIE Laborelec, ein belgisches Energieunternehmen, ließ in die neue Fassade eines seiner Gebäude in Linkebeek Heliafilm integrieren. Der Film lässt sich auf Beton oder auch auf Fenster kleben. In Singapur haben die Dresdner einen Fußweg mit einem stromspendenden Dach ausgestattet.

Im Windpark Breña in Spanien ist der Turm einer Windenergieanlage mit Heliafil-Modulen beklebt. Sie haben eine Spitzenleistung von 9,36 Kilowatt. Sie erzeugen Strom für die Hilfssysteme der Anlage, die auch bei Windstille Strom benötigen. Normalerweise wird er aus dem Netz bezogen. Künftig soll es auch bei Dunkelheit eine Versorgung mit Solarstrom geben. Heliatek plant den Einbau einer Pufferbatterie.

Infrarot-Solarzellen

Die auf Menschen so wohltuend wirkenden Wärmestrahlen der Sonne geht in Solarzellen verloren, schlimmer noch: In Siliziumzellen reduziert sie den Wirkungsgrad. Nicht jedoch in einer Zelle, die Forscher am ISE in Freiburg gemeinsam mit Kollegen der Universität Bern und der Heriot-Watt-Universität Edinburgh entwickelt haben. Sie ist mit einem so genannten Hochkonverter ausgestattet, der einen Teil der Wärmstrahlen ebenfalls in Strom um. Der Hochkonverter besteht hauptsächlich aus einem mikrokristallinen Pulver aus Natrium-Erbium-Fluorid, das in ein Polymer eingebettet ist.

Das Infrarotlicht gibt seine Energie an die Erbium-Atome ab, sodass sie ein höheres energetische Niveau erreichen. Das wollen sie möglichst schnell wieder verlassen und in den Normalzustand übergehen. Dabei senden sie Licht aus, das auf die zuunterst befindliche Siliziumzelle fällt. Sie nutzt es, um Strom zu erzeugen.

Oberhalb dieser Zelle befinden sich zwei weitere, die transparent sind und jeweils einen bestimmten Frequenzbereich in Strom umwandeln. Sie bestehen aus III-V-Halbleitern wie Gallium-Indium-Phosphid und Gallium-Arsenid. Was diese übriglassen verarbeitet die Siliziumzelle, die auf der Unterseite vom umgewandelten Infrarotlicht getroffen wird, sodass der Wirkungsgrad steigt. Mit dieser Anordnung lassen sich Wirkungsgrade von 40 % erzielen. Allerdings ist die Herstellung der Zellen aufwändig und teuer.

Grätzel-Zelle

Große Hoffnung ruhten anfangs auf der Grätzel-Zelle, die der gleichnamige Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule 1991 erstmals vorstellte. Statt Halbleitermaterial absorbiert in dieser Zelle ein Farbstoff das Licht, beispielsweise Chlorophyll oder eine Rutheniumverbindung. Die Funktionsweise ist der Natur nachempfunden. Es handelt sich gewissermaßen um eine technische Fotosynthese. Mit im Spiel ist noch Titandioxid. Alle Materialien sind kostengünstig und die Herstellung der Zelle benötigt wenig Energie.

Trotzdem hat sie sich nicht durchgesetzt. Die Lebensdauer war zu gering. Außerdem bekamen Grätzel und andere Forscher, die es mit diesem Zelltyp versuchen wollten, die Abdichtung nicht hin. Farbstoffe diffundierten hindurch, sodass der Wirkungsgrad im Laufe der Zeit abnahm.

Cadmium-Tellurid-Zellen

Höchst umstritten, aber leistungsfähig sind Cadmium-Tellurid-Solarzellen. Cadmium ist ein giftiges Element, das zu den Übergangsmetallen gezählt wird. Hauptproduzenten sind die amerikanische First Solar und die chinesische Hanwha Q Cells & Advanced Materials Corp. Seine beiden Hauptquartiere unterhält es in Seoul, Südkorea (Global Executive) und im sächsischen Thalheim (Technology & Innovation). Cadmium-Tellurid-Zellen gehören zu den Dünnschichtzellen mit einer nur mikrometerdicken aktiven Schicht. Die Herstellung ist energetisch günstig und materialsparend. Trotzdem kommen Zellen dieser Art auf einen ähnlich hohen Wirkungsgrad wie multikristalline.

In den Jahren 2009/2010 gab es massive Versuche, diese Zellen in Misskredit zu bringen. Bei Bränden sei die Gefahr groß, dass sich giftiges Cadmium in der Umwelt ausbreite. Die Hersteller argumentierten, dass das Gift bei hohen Temperaturen mit den Abdeckglas verschmelze und so sicher eingeschlossen würde.

Von Wolfgang Kempkens