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Kreislaufwirtschaft 01.09.2019, 00:00 Uhr

Nährstoffe aus Gärprodukten

Wege zur Rückgewinnung von Nährstoffen wie Stickstoff, Phosphor und Kalium aus Bioabfällen und Gärrückständen sind gefragt. In einer Anlage in Niedersachsen werden mineralische Stickstoffdünger, hochwertige Fasern und phosphorreiche Fraktionen gewonnen.

Im niedersächsischen Ottersberg werden Bioabfällen und Gärrückständen wertvolle Mineralien wie Phosphor und Stickstoff sowie Biofasern gewonnen. Bild: GNS - Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung

Im niedersächsischen Ottersberg werden Bioabfällen und Gärrückständen wertvolle Mineralien wie Phosphor und Stickstoff sowie Biofasern gewonnen. Bild: GNS - Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung

Das übermäßige Ausbringen an Gülle und Gärrückständen auf landwirtschaftlichen Flächen hat zu einer erheblichen Belastung des Grundwassers mit Nitrat geführt. Inzwischen weisen 30 bis 50 Prozent der deutschen Grundwassermessstellen Nitratwerte über 50 mg/l aus. Seit Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung im Mai 2017 gelten daher strengere Grenzwerte und Kontrollen für die Ausbringung von Stickstoff und Phosphor aus Wirtschaftsdüngern. Eine nachhaltige Rückgewinnung und Nutzung wertvoller mineralischer Komponenten und Rohstoffen aus Gärprodukten ist daher sehr wichtig.

In dem EU-Projekt Systemic werden mehrere Techniken zur Nährstoffrückgewinnung und -wiederverwendung aus Gülle, Mist, Klärschlamm und Bioabfall an fünf Vergärungsanlagen in fünf Ländern mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen getestet und bewertet. Ammoniak wird mit Strippen oder Vakuumverdampfung entfernt. Phosphor mit Lösungs-, Fällungs- und Separationsprozessen zurückgewonnen. Hinzu kommen Feinfiltration und Umkehrosmose, um sauberes Wassers und ein Nährstoffkonzentrats aus Stickstoff, Phosphor und Kalium zu erzeugen. Auch werden diese Techniken zur teilweisen oder vollständigen Aufbereitung der Gärrückstände miteinander kombiniert. Einige Techniken laufen bereits, andere befinden sich in der Bauphase oder Planung.

Christoph Heitmann, Geschäftsführer von Benas, steht vor einem der sieben Biogas-Fermenter. Bild: GNS

Christoph Heitmann, Geschäftsführer von Benas, steht vor einem der sieben Biogas-Fermenter. Bild: GNS

Jede Technik hat ihre Vorteile und optimalen Anwendungsbereiche. Nicht in jedem Fall ist eine Totalaufbereitung zu einem einleitfähigen Wasser nötig, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. In dem EU-Projekt wird auch die Qualität der erzeugten mineralischen und mineralisch-organischen Düngeprodukte in Bezug auf die Anforderungen der regionalen Märkte bewertet. Dieser Ansatz soll die Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit der Lösungen für Europa gewährleisten.

Stickstoffdünger

Der deutsche Standort ist die Benas-Biogasanlage im niedersächsischen Ottersberg östlich von Bremen. Das Besondere hieran ist die bereits seit mehr als zehn Jahren praxiserprobte auf Gärrückstände angepasste Ammoniakstrippung. Die Verfahrensgrundlagen hierzu hat die Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung (GNS) aus Halle (Saale) verwirklicht. Hier werden Gärrückstände ohne Zusatz von Chemikalien vom flüchtigen Ammonium-Stickstoff (NH4+) befreit. Statt der üblichen Schwefelsäure in Strippanlagen, um Ammoniak (NH3) als Ammoniumsulfat ((NH4)2SO4) zu binden, wird bevorzugt Gips (CaSO4) aus der Rauchgasentschwefelung – Rea-Gips – eingesetzt, aber auch Naturgips oder Gips aus anderen Prozessen wie der Zitronensäuregewinnung aus Zitrusfrüchten. Dies senkt Betriebskosten, was sich bei größeren Anlagen sehr schnell bezahlt macht. Zudem entsteht zusätzlich Kalk, also Kalziumkarbonat (CaCO3), das ein geeignetes Düngemittel bei gleichzeitiger Anhebung des pH-Wertes im Boden ist.

Im Schnitt werden in der Benas-Biogasanlage täglich etwa 160 t Biomasse wie Mais- und Grassilage sowie 90 t Geflügelmist und Hühnertrockenkot eingesetzt. Durch die Ammoniakstrippung werden täglich 15 t Ammoniumsulfat und 4 t Kalkdünger hergestellt. Diese konzentrierten, transportfähigen Düngeprodukte sind nach der Düngemittelverordnung (DümV) zugelassene mineralische Düngemittel. Anstelle eines Verkaufs setzt der Landwirt und Anlagenbetreiber der Biogasanlage diese mineralischen Düngemittel lieber auf den eigenen landwirtschaftlichen Flächen (3.500 ha) ein. Das senkt Kosten beim Zukauf von mineralischem Dünger und verringert gleichzeitig Emissionen bei der Düngung.

Eine weitere Besonderheit ist, dass der vom Ammoniak weitgehend befreite Gärrückstand in den Fermenter zurückgegeben werden kann. Dies hat Vorteile: Der Gehalt an Ammonium-Stickstoff im Fermenter sinkt, Gärhemmungen durch Ammoniak bei steigendem Ammonium-Stickstoffgehalt werden vermieden. Dies erhöht die Flexibilität bezüglich des Einsatzes von Gärsubstraten mit hohem Stickstoffgehalt wie Hühnertrockenkot. Außerdem steigt der Ertrag an Biogas, was auf die Vermeidung der Gärhemmung und auf den zusätzlichen Aufschlusseffekt zurückzuführen ist.

Fasern für Laminatplatten

GNS hat zudem die Ammoniakstrippung durch die „FaserPlus“-Technologie weiterentwickelt. Dadurch kann der Betreiber der Benas-Biogasanlage seit 2016 auch sehr faserreiche Gärrückstände aus den Stroh- und Pflanzenanteilen – ohne vorherige Abtrennung der Feststoffe – von Ammonium-Stickstoff befreien. Erfolgt im Anschluss eine Abtrennung und gegebenenfalls Trocknung, werden nährstoffarme „Biogasfasern“ erzeugt, die vielseitig einsetzbar sind. Solche Ottersberger Fasern wurden unter anderem bereits in der Holzwerkstoffindustrie großtechnisch etwa in MDF-Laminatplatten erprobt. Damit kann der Anlagenbetreiber die Rohstoffbasis für den Biogasprozess um weitere faserreiche Substrate erweitern und neue Einkommensmöglichkeiten erschließen.

MDF-Laminatplatten, die Biofasern aus der Ottersberger Biogasanlage enthalten. Bild: GNS

MDF-Laminatplatten, die Biofasern aus der Ottersberger Biogasanlage enthalten. Bild: GNS

Stromerzeugung

Die Biogasanlage, welche für 5 MW elektrische Leistung ausgelegt ist und seit 2012 stündlich 1200 m³ Biomethan produziert, wurde 2019 mit zwei zusätzlichen Blockheizkraftwerken (BHKW) ausgestattet. Damit kann jetzt bis zu 11 MW regelbarer Strom erzeugt werden. Die Anlagen arbeiten flexibel und werden durch den Oldenburger Netzbetreiber EWE extern angesteuert.

Stellt EWE die BHKW extern ab, wird entstehendes Biogas in den auf 32.500 m3 ausgebauten Gasspeichern der Fermenter gespeichert. Sowohl die Biogasanlage als auch die FaserPlus-Anlage arbeiten trotz dieser Schwankungen durch die Flexibilisierung der Strom- und Wärmeerzeugung zuverlässig und passen sich diesen Schwankungen problemlos an. Damit ist das Erfolgsmodell der Demonstrationsanlage in Ottersberg mit der Gärproduktaufbereitung nach dem FaserPlus-Verfahren von GNS fit für die Zukunft.

Phosphordünger

Auch Phosphor ist ein für die Feldapplikation von Gärprodukten limitierter Nährstoff. Für die Abtrennung von Phosphor wird dieser meist mit Säure in Lösung gebracht und anschließend ausgefällt. Dies ist aus der MAP-Fällung (Magnesium-Ammonium-Phosphat) bekannt. Es hat sich gezeigt, dass nach der Ammoniakstrippung mit dem FaserPlus-Verfahren und der Gewinnung der Biogasfasern der Phosphor aus der verbleibenden Flüssigphase auch ohne Säureeinsatz mit geeigneter Separationstechnik als organischer, phosphorreicher Feststoff gut abgetrennt wird.

Um zu prüfen, ob dieser Phosphordünger von Pflanzen genutzt werden kann, hat GNS den Gesamtgehalt an Phosphor sowie den Gehalt an wasserlöslichem und an pflanzenverfügbarem Phosphor bestimmt. Nach einer Flockung, bei welcher statt petrochemischer Polymere biologisch abbaubare Stärkeprodukte und Eisenchlorid eingesetzt wurden, konnte ein klares Prozesswasser und einen an Phosphor stark angereicherter Feststoff erzeugt werden. Dieser Feststoff enthielt 97 Prozent des ursprünglich in der Probe enthaltenen Phosphors, für den eine gute Pflanzenverfügbarkeit nachgewiesen wurde. Durch Variation und Anpassung der Versuchsbedingungen mit geringeren Verbräuchen an Flockungsmitteln wurden zwischen 30 und 70 Prozent des Phosphors abgetrennt.

Somit kann je nach Notwendigkeit bezüglich der Ausbringungsgrenzen für Phosphor aus dem verbleibenden flüssigen Gärprodukt ein organischer, phosphorreicher Feststoffdünger erzeugt werden. Gemeinsam mit der Stickstoffrückgewinnung ist so ein angepasstes Düngemanagement möglich, was der optimalen Versorgung der Pflanzen dient, ohne die Umwelt zu belasten.

Kalium

Das FaserPlus-Verfahren hat sich als Basistechnologie für eine Totalaufbereitung auch von Gärrückständen einer Speiserestvergärung bewährt. Nach der Ammoniakstrippung mit dem FaserPlus-Verfahren, anschließender Flockung und Separation werden 95 Prozent des Stickstoffs und 97 Prozent des Phosphors entfernt. Zurück bleibt ein nährstoffarmes Prozesswasser. Um dies direkt in Gewässer einzuleiten, könnte eine Umkehrosmose mit geringen Betriebskosten eingesetzt werden, da nahezu aller Stickstoff und Phosphor bereits entfernt wurden. Hiermit werden dann auch Kalium und andere gelöste Ionen entfernt, wie Chlorid oder Natrium.

Fazit

Die Erprobung und Bewertung solcher Technologien und der Kombination von Technologien kann beispielhaft demonstrieren, wie man am besten mit Bioabfällen umgehen, Nährstoffe zurückgewinnen und Kreisläufe schließen kann. Im Systemic-Projekt werden Erfahrungen zu Barrieren und Chancen, die mit den Daten der Demonstrationsanlagen ermittelt werden, zusammengefasst. Ein Ziel des Projektes ist es auch, Partnerschaften, Zusammenarbeit, gute Beratung und Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern, Unternehmen und Wissenschaftlern zu initiieren und zu fördern. Neben der Bewertung der fünf Demonstrationsstandorte wurden inzwischen aus einer größeren Anzahl von Bewerbern elf weitere große Biogasanlagen in ganz Europa als externe Standorte ausgewählt. Für diese wird nun eine Beratung und Prüfung geeigneter Businessmodelle mit Nährstoffrückgewinnungstechnologien durchgeführt.

Systemic-Projekt der EU

Die EU fördert das Projekt von 2017 bis 2021 im im Rahmen des Forschungsprogramm Horizont 2020. Ein Konsortium aus 15 Partnern aus 7 EU-Ländern unter der Leitung der Universität Wageningen (NL) führt jährliche Treffen im Land einer der fünf Demonstrationsanlagen durch. Nach den Meetings im Juni 2017 in Wageningen und 2018 in Mailand fand das Symposium dieses Jahr in Halle (Saale) statt. Organisiert wurde dies von der Firma GNS, welche mit der Benas-Biogasanlage in Ottersberg einen der fünf ausgewählten Demonstrationsstandorte und somit Deutschland vertritt. Über die Webseite www.systemicproject.de sind Interessenten vom Anlagenbetreiber bis zur Wissenschaft und Politik eingeladen, die Ergebnisse und Angebote des Projekts zu nutzen.

 

Von Ute Bauermeister

Ute Bauermeister, Ansprechpartnerin des Systemic-Konsortiums für Deutschland, Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung (GNS), info@gns-halle.de