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Condition Monitoring 28.11.2023, 10:40 Uhr

Windenergieanlagen mit KI überwachen

Bei Windenergieanlagen fallen tausende von Parametern an, die überwacht werden müssen. KI könnte helfen, die Anlagen trotz der Datenfülle intelligent zu überwachen.

HKA und EnBW präsentierten auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung ein gemeinsames Projekt, in dem mit maschinellem Lernen KI zur intelligenten Überwachung von Windenergieanlagen genutzt werden kann. Foto: EnBW

HKA und EnBW präsentierten auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung ein gemeinsames Projekt, in dem mit maschinellem Lernen KI zur intelligenten Überwachung von Windenergieanlagen genutzt werden kann.

Foto: EnBW

Prof. Dr. Christine Preisach aus der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik der Hochschule Karlsruhe (Die HKA) und Dr. Martin Kato, Lead Data Scientist der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, haben das gemeinsame Projekt „AutoDiagCM“ auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung in der Session „Wertschöpfungskette im Fokus: Wie digitale Prozesse und Produkte Anwenderunternehmen im globalen Wettbewerb erfolgreich machen“ vorstellen können.

Um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung und der Europäischen Union bei den erneuerbaren Energien zu erreichen, gilt es, die Ressourcen für die Energieversorgung effizient zu nutzen. Die Zustandsüberwachung von Windenergieanlagen spielt dabei eine wichtige Rolle, weil sie Stillstandzeiten und Folgeschäden verhindern kann. Darüber hinaus ermöglicht eine präzise Fehlerfrüherkennung eine Steigerung des Energieertrags und den Übergang von einer rein reaktiven zu einer zustandsbasierten Instandhaltung der Anlagen.

Prof. Dr. Christine Preisach und Dr. Martin Kato bei der Präsentation des Projekts „AutoDiagCM“ während des Digital-Gipfels der Bundesregierung.

Foto: Maik Schlechtingen/EnBW

Die Leistungsfähigkeit erneuerbarer Erzeugungsanlagen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, wodurch auch zunehmend mehr Informationen verfügbar sind. Jede neue Analyse, Überwachungsmethode oder ein neuer Kennwert erhöht jedoch den Aufwand in deren Bewertung durch Experten. Mit zunehmender Anzahl der zu überwachenden Anlagen, Kennwerte und verfügbaren Signale wird auch die Verwaltung und Aktualisierung von Schwellenwerten zur Erkennung von Abweichungen immer komplexer und zeitintensiver. Ohne automatisierte und damit maschinelle Unterstützung wird es dadurch immer schwieriger, den Zustand der Anlagen zu beurteilen.

Selbstlernende Verfahren benötigen viele Daten

Weil Schäden selten und sehr vielfältig auftreten können, benötigen selbstlernende Verfahren viele charakterisierende Schadensdaten. Diese Daten fehlen in der Praxis, wodurch solche Verfahren in der Regel nur allgemeine Aussagen über den Zustand einer Anlage erlauben, beispielsweise dass die Anlage auffällig ist. Notwendig wird dann eine manuelle Analyse, um auf bestimmte defekte Komponenten zu schließen.

Um die Ziele des Ausbaus erneuerbarer Energieerzeugung und die Optimierung der Instandhaltungskosten zu erreichen, ist daher die Entwicklung von skalierbaren Überwachungsmethoden notwendig. Der Überwachungsaufwand darf sich mit steigendem Ausbau solcher Anlagen nicht weiter erhöhen. Dies erfordert automatisierte Diagnosen von Schäden und den Austausch von Erkenntnissen zwischen Anlagen.

An der Entwicklung eines solchen Systems arbeiten Expertinnen und Experten der HKA und der EnBW derzeit mit Hochdruck im Projekt „Condition Monitoring 4.0 bei Windenergieanlagen (AutoDiagCM)“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 1,34 Mio. Euro bis Ende September 2025 gefördert wird.

2000 Betriebsdatenpunkte bei einer moderenen Windenergieanlage

Eine moderne Windenergieanlage verfügt heute über knapp 2000 Betriebsdatenpunkte bezüglich Temperaturen, Druckverhältnisse oder Ströme. Hinzu kommen Messdaten und Ergebnisse von Spezialsystemen wie Rotorblatt-, Struktur- oder Triebstrangüberwachung. Will man alle diese Daten aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, Abweichungen von deren Normalzuständen interpretieren oder müssen diese Daten für unterschiedliche Überwachungsaufgaben speziell aufbereitet und weiterverarbeitet werden, entstehen schnell zehntausende von Parametern pro Anlage, die überwacht werden müssen. Werden diese vielen Parameter allerdings mit Schäden und Ereignissen kombiniert, wie sie sich zum Beispiel aus Instandsetzungsprotokollen ergeben, entstehen Datensätze, mit denen maschinelles Lernen möglich wird.

Deutlich wird dieses Prinzip zum Beispiel beim Betrachten eines defekten Windgeschwindigkeitssensors. Das Signal „Windgeschwindigkeit“ kann aus verschieden Richtungen eingeordnet werden:

  • Passt die Windgeschwindigkeit noch zur Leistung?
  • Verhält sich das Signal an sich auffällig (beispielsweise träger oder im Niveau verändert)?
  • Bei zwei verbauten Sensoren: Weicht die Windgeschwindigkeit A von der Windgeschwindigkeit B an der gleichen Anlage ab?
  • Hat sich das Verhältnis der Windgeschwindigkeit von der einen Anlage zur Windgeschwindigkeit der Nachbaranlage geändert?

All diese Fragen lassen sich mit modernen Überwachungsmethoden beantworten und in Form von Parametern ausdrücken, die eine Abweichung beschreiben. Problematisch ist allerdings dabei, dass jede Überwachungsmethode nicht zu 100 % genau und damit fehleranfällig ist. Ein solches System produziert ohne weitere Nachbearbeitung bei entsprechend großer Abweichung eine Vielzahl von Alarmen, die nur für den Einzelfall händisch analysierbar sind und zur richtigen Diagnose führen. Angewendet auf eine Vielzahl von Anlagen versagt dieser Ansatz schlicht schon aufgrund der absoluten Fallzahl und des zu bearbeitenden Datenvolumens. Die Verknüpfung der Vielzahl an Informationen mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) könnte an dieser Stelle helfen, das Problem zu lösen.

Gemeinsam möchten nun HKA und EnBW im Projekt AutoDiagCM mit maschinellem Lernen KI dazu einsetzen, ein System zur intelligenten Überwachung von Windenergieanlagen zu entwickeln, um folgende Ziele zu erreichen:

  • hohe Überwachungsbreite und -tiefe
  • Automatisierung des Diagnoseprozesses
  • kontinuierliche Weiterentwicklung auf Basis historischer und bereits erkannter Schäden
  • Übertragbarkeit von Erkenntnissen und Fehlern auf Anlagen des gleichen Typs
  • flexible Erweiterbarkeit, indem zusätzliche Datenquellen und Analysemethoden integriert werden können

Durch die Verfolgung dieser Ziele wird eine ganzheitliche und fortschrittliche Überwachungslösung angestrebt, die den manuellen Überwachungsaufwand deutlich senkt.

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Von HS Karlsruhe/Udo Schnell