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Unterschätzte Maschinenelemente: Freiläufe und Rücklaufsperren 03.05.2016, 00:00 Uhr

Geländerollstuhl mit Klemmkörperfreilauf

Für viele Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist der Rollstuhl ein unverzichtbares Hilfsmittel. Allerdings sind sie auch damit noch erheblich eingeschränkt, was das Gelände angeht, in dem sie sich bewegen können. Deshalb erfand Tim Morgan das „Mountain Trike“, einen Rollstuhl speziell für Gelände und andere anspruchsvolle Bedingungen. Diese Art des Einsatzes verlangt den Komponenten einiges ab und es war nicht ganz einfach Teile aufzutreiben, die robust genug für diese Umgebung sind. Zum Glück konnte die Firma Stieber eine Lösung anbieten, die sich bislang bestens bewährt hat.

Bild 1: Anstelle eines herkömmlichen Fahrrad-Sperrklinkenfreilaufs wählte der Entwickler des „Mountain Trike“ einen Klemmkörperfreilauf für die Übertragung der Energie auf die Räder – aus guten Gründen. (Bild: Stieber)

Bild 1: Anstelle eines herkömmlichen Fahrrad-Sperrklinkenfreilaufs wählte der Entwickler des „Mountain Trike“ einen Klemmkörperfreilauf für die Übertragung der Energie auf die Räder – aus guten Gründen. (Bild: Stieber)

Viele Rollstuhlfahrer wünschen sich, mehr im Freien zu sein und die Natur genießen zu können. Aber schon ein-fache Aktivitäten wie ein Familienausflug im Park oder ein Spaziergang im Grünen sind mit dem normalen Rollstuhl schwierig oder gar unmöglich, wenn die Wege uneben, schlammig oder steil sind. Zwar gibt es einige Rollstühle auch mit klobigen Off-Road-Reifen, aber auch hier werden die Räder direkt mit den Händen angetrieben, die dabei schmutzig und rutschig werden. Das ist nicht nur unangenehm, sondern erschwert auch enorm die Kraftübertragung.

Das Mountain Trike ist der einzige mechanische Rollstuhl auf dem Markt, der speziell für den Geländeeinsatz konzipiert und zugleich alltagstauglich ist. Er funktioniert mit einem einzigartigen Hebelantrieb. Hierbei bewegt, lenkt und bremst der Fahrer das Trike mit zwei Hebeln, die vor ihm angebracht sind. Die Hebel sind mit den Rädern verbunden und treiben diese unabhängig voneinander an. Die Funktionsweise entspricht derjenigen eines Mountainbikes. Das dritte Rad hinten stabilisiert den Rollstuhl und lässt sich über einen Joystick- Mechanismus an einem der Hebel lenken.

Klemmkörperfreilauf mit Vorteilen gegenüber Sperrklinkenfreilauf

Anstelle eines herkömmlichen Fahrrad-Sperrklinkenfreilaufs wählte der Entwickler des Mountain Trike, Tim Morgan, einen Klemmkörperfreilauf für die Übertragung der kinetischen Energie von den Hebeln auf die Räder. Den Grund für dieses Konstruktionsdetail erklärt Tim Morgan folgendermaßen: „Wenn sich die Räder eines Mountainbikes ohne Pedalantrieb frei drehen, klickt der Freilauf. Das Mountain Trike ist aber für Familienausflüge und andere Freizeit- und Alltagsaktivitäten gedacht. Deshalb habe ich Wert auf lautlosen Lauf gelegt. Außerdem habe ich festgestellt, dass die Fahrradfreiläufe einen gewissen Leerlauf haben, bevor sie greifen. Weil die Hebel ziemlich lang sind, ergaben sich für jede Hebelbewegung mehrere Zentimeter ohne Wirkung. Das fühlt sich für den Fahrer unharmonisch an und schmälert den Gesamtwirkungsgrad. Der Klemmkörperfreilauf löst beide Probleme auf einmal.“

Die Freiläufe, die für die ersten Testmodelle verbaut wurden, funktionierten zunächst wie gewünscht, konnten aber auf Dauer den Anforderungen des Trikes nicht standhalten. Durch minderwertige Dichtungen drangen Schmutz und Fremdkörper in den Freilauf ein. Die Komponenten begannen zu klemmen. Schlecht verarbeitete Innenteile begannen durchzurutschen und führten schließlich zum Totalausfall infolge der regelmäßigen Stoßlasten durch das Ein- und Auskuppeln des Antriebs mit jeder Hebelbewegung.

Für Extrembedingungen ausgelegter Freilauf

Bild 2: Das Mountain Trike ist wahrscheinlich der einzige mechanische Rollstuhl auf dem Markt, der speziell für den Geländeeinsatz konzipiert und zugleich alltagstauglich ist. (Bild: Stieber)

Bild 2: Das Mountain Trike ist wahrscheinlich der einzige mechanische Rollstuhl auf dem Markt, der speziell für den Geländeeinsatz konzipiert und zugleich alltagstauglich ist. (Bild: Stieber)

Tim Morgan war klar, dass hier nur ein für Extrembedingungen ausgelegtes Bauteil funktionieren würde und wandte sich daher an Stieber Clutch: „Mir war Stieber Clutch schon ein Begriff für besondere Qualität und Zuverlässigkeit in anspruchsvollen Industrieanwendungen. Als die Probleme mit den ursprünglich zugekauften Komponenten anfingen, habe ich deshalb bei Stieber nach-gefragt, ob man eine Lösung für mich hätte. Stieber schickte mir daraufhin den Klemmkörperfreilauf CSK PP zur Probe, und die Überlegenheit dieser Komponente war sofort offensichtlich. Der Dichtungsschutz war sehr viel besser und der ganze Bewegungsablauf war viel runder.“

Konstruktive Besonderheiten

Die Freiläufe von Stieber Formsprag zeichnen sich durch mehrere konstruktive Besonderheiten aus, die sie langlebiger und zuverlässiger machen als andere Komponenten am Markt. Die Klemmkörper werden mit der im patentierten Stieber-„Formchrome“-Verfahren hergestellten Oberflächenhärtung versehen. Hierbei diffundiert Chromkarbid in die Schleißfläche des Klemmkörpers, wo es die Oberflächenhärte entscheidend erhöht und für exzellenten Verschleißschutz sorgt. Zudem sind die Klemmkörper präzisionsgefertigt. Hierdurch sind die Formabweichungen zwischen den einzelnen Klemmkörpern auf ein Minimum reduziert, was der Laufruhe zugute kommt.

Stieber – Spezialist für Freiläufe und Rücklaufsperren

Stieber wurde 1937 in München gegründet und ist heute ein mittelständisches Unternehmen mit 140 Mitarbeitern an den Standorten Heidelberg und Garching bei München. Die Stieber GmbH kann in der langjährigen Firmengeschichte auf zahlreiche innovative Entwicklungen zurückblicken. So hat Stieber sein technisches Potenzial u. a. bei der Entwicklung und Konstruktion der größten Rücklaufsperre der Welt unter Beweis gestellt. Stieber, ein Unternehmen der Altra Industrial Motion Corp., ist – zusammen mit den Schwesterfirmen Formsprag und Marland in den USA – weltweit führend bei Freiläufen und Rücklaufsperren. Neben Standardprodukten werden entsprechend Kundenwunsch und Anwendungsfall Sonderprodukte entwickelt und gefertigt. Die Produktpalette reicht von Komponenten mit einer Drehmomentkapazität unter 1 Nm bis hin zum Freilauf mit 1 700 000 Nm. Letzterer stellt den größten bisher in der Welt gefertigten Freilauf dar.

In der Klemmkörper/Käfig-Baugruppe sind die Klemmkörper frei und individuell beweglich. Hierdurch kann sich der einzelne Klemmkörper den Unregelmäßigkeiten des Ringspalts (Exzentrizitäten) anpassen, sodass die Last gleichmäßig auf alle Klemmkörper verteilt wird, wenn der Freilauf im Eingriff ist. So ist ausgeschlossen, dass der Freilauf versagt, weil die Gesamtlast von einigen wenigen Klemmkörpern aufgenommen wird. Im Betrieb sind die Klemmkörper durch Spezial- federn angefedert, sodass sie unmittelbar spielfrei in Eingriff gehen. Tim Morgan weiter: „Nach der Testphase war klar, dass der Freilauf von Stieber deutlich überlegen ist, was die Zuverlässigkeit angeht. Deshalb gehört er jetzt zur Standardausstattung aller Mountain Trikes. Wir haben seitdem keine einzige Reklamation gehabt, auch nicht von besonders unternehmungslustigen Kunden.“

 

AutorJürgen Schwär Produktmanager, StieberKontakt: Stieber GmbH Hatschekstr. 36 69126 Heidelberg Tel.: 0 62 21/30 47-0 E-Mail: juergen.schwaer@stieber.de www.stieber.de