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Digitalisierte Materialforschung 30.07.2025, 10:00 Uhr

KI in der Batterieforschung: Multiagentensystem beschleunigt Entwicklung neuer Elektrolytmaterialien

Ein Forschungsteam der Universität Bayreuth und der Hong Kong University of Science and Technology nutzt ein KI-gestütztes Multiagentensystem zur beschleunigten Entwicklung neuer Elektrolytmaterialien für Batterien. Durch automatisierte Literaturauswertung und kreative Hypothesenbildung lassen sich vielversprechende Materialkombinationen deutlich schneller identifizieren. Der innovative Ansatz unterstützt die Erforschung langlebiger, nachhaltiger Batterien im Kontext der globalen Energiewende.

In einem neuartigen Ansatz haben Forschende der Universität Bayreuth und der Hong Kong University of Science and Technology erstmals ein sogenanntes Multiagentensystem im Batteriedesign eingesetzt. Mit diesem KI-basierten Tool lassen sich Vorschläge für neue Materialien für Batterien deutlich schneller generieren, was das Design von langlebigen und nachhaltigen Next-Generation-Batterien vorantreibt. Foto: Smarterpix/a4ndreas

In einem neuartigen Ansatz haben Forschende der Universität Bayreuth und der Hong Kong University of Science and Technology erstmals ein sogenanntes Multiagentensystem im Batteriedesign eingesetzt. Mit diesem KI-basierten Tool lassen sich Vorschläge für neue Materialien für Batterien deutlich schneller generieren, was das Design von langlebigen und nachhaltigen Next-Generation-Batterien vorantreibt.

Foto: Smarterpix/a4ndreas

Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts haben Forschende der Universität Bayreuth und der Hong Kong University of Science and Technology ein sogenanntes Multiagentensystem auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) für die Batterieentwicklung eingesetzt. Ziel war es, den langwierigen Prozess der Materialidentifikation – insbesondere für neue Elektrolyte – zu beschleunigen und damit einen Beitrag zur Entwicklung langlebiger und nachhaltiger Energiespeicher zu leisten. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Advanced Materials veröffentlicht.

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Bedeutung nachhaltiger Batterien für die Energiewende

Für den Fortschritt der globalen Energiewende sind leistungsfähige, langlebige und umweltfreundliche Batterien entscheidend. Die Optimierung von Batteriedesigns erfordert neue Materialien mit verbesserten elektrochemischen Eigenschaften. Insbesondere die Auswahl geeigneter Elektrolyte – also jener Komponenten, die in der Batterie den Ionenfluss zwischen den Elektroden ermöglichen – ist ein zentraler Faktor für Leistungsfähigkeit und Lebensdauer.

Die Identifikation solcher Materialien erfolgt bislang überwiegend manuell und experimentell – ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess. Das neue KI-basierte Multiagentensystem adressiert genau diese Herausforderung und soll die frühe Forschungsphase deutlich verkürzen.

Struktur und Funktionsweise des Multiagentensystems

Das von Prof. Dr. Francesco Ciucci und seinem Team am Bayerischen Zentrum für Batterietechnik (BayBatt) entwickelte Multiagentensystem basiert auf Large Language Models (LLM) und besteht aus zwei spezialisierten Softwareagenten. Während der erste Agent umfassende Literaturanalysen durchführt, bringt der zweite domänenspezifisches Fachwissen in die Bewertung ein. Gemeinsam analysieren die beiden Agenten Problemstellungen, simulieren eine wissenschaftliche Diskussion und generieren neue Materialvorschläge.

Ciucci erläuterte den Ansatz so: „Unser neues Multiagentensystem fungiert als kreativer wissenschaftlicher Partner mit zwei spezialisierten Agenten, die relevante Literatur analysieren. Durch eine anschließende Simulation einer wissenschaftlichen Debatte verknüpfen die beiden Agenten Ideen aus ihren umfangreichen Trainingsdaten und der Literatur, um neuartige Elektrolytzusammensetzungen vorzuschlagen.“

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KI wird zum aktiven Teil des Forschungsprozesses

Die Rolle Künstlicher Intelligenz im wissenschaftlichen Prozess verändert sich durch diesen Ansatz grundlegend. Dr. Matthew J. Robson von der Hong Kong University of Science and Technology erklärte: „Das Wichtigste dabei ist die Entwicklung der Rolle der KI im wissenschaftlichen Prozess. Wir haben eine Blaupause für die wissenschaftliche Forschung entworfen, die KI von einem passiven Werkzeug für die Datenanalyse zu einem aktiven, kreativen Partner macht, der wirklich neuartige und hochwertige Hypothesen generieren kann.“

Der KI-Einsatz beschränkt sich somit nicht mehr nur auf die Analyse bestehender Daten, sondern wirkt aktiv an der Generierung neuer Erkenntnisse mit.

Experimentelle Validierung neuer Elektrolytvorschläge

Ein bedeutender Schritt in der Forschung war die Überführung von der Theorie in die Praxis. Das Multiagentensystem schlug mehrere neue Elektrolytformulierungen vor, die kostengünstig und umweltverträglich sein sollen. Einer dieser neu entwickelten Elektrolyte wurde anschließend im Labor getestet und zeigte laut Forschenden außergewöhnliche Leistungseigenschaften.

Das System konkurrierte dabei mit aktuellen High-End-Elektrolyten für Zinkbatterien. Die Testbatterien auf Basis des neuen Designs hielten über 4 000 Lade- und Entladezyklen stand. Darüber hinaus wurde ein neuer Schnellladerekord innerhalb dieser Elektrolytklasse erreicht und eine um rund 20 % höhere Kapazität bei Schnellladevorgängen gemessen – verglichen mit etablierten Lösungen.

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Potenziale über die Batterieforschung hinaus

Ciucci betonte in diesem Zusammenhang, dass die beobachtete Effizienz des Systems auch auf andere Bereiche der Materialwissenschaft übertragbar sei: „Die nachgewiesene Wirksamkeit unseres Multiagentensystems revolutioniert die Entdeckung fortschrittlicher Materialien – auch über Batteriedesign hinaus. Durch unseren KI-Ansatz kann die anfängliche Forschungsphase drastisch verkürzt werden.“

Die KI fungiert dabei nicht als Ersatz, sondern als ergänzendes Werkzeug zum menschlichen Fachwissen. Durch die Kombination mit experimenteller Validierung könnten vielversprechende Materialideen schneller in die praktische Anwendung gelangen.

Förderung und institutioneller Kontext

Die Studie wurde durch Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (INST 91/452-1 LAGG) sowie des Research Grants Council (RGC) of Hong Kong im Rahmen des Hong Kong Ph.D. Fellowship Scheme (HKPFS) unterstützt.

Das Projekt unterstreicht die Rolle internationaler Zusammenarbeit in der Entwicklung digital unterstützter wissenschaftlicher Methoden – insbesondere im Bereich der Batterieforschung mit KI. In Verbindung mit experimentellen Testreihen bietet das Multiagentensystem einen methodischen Rahmen für eine beschleunigte Materialentwicklung unter realen Bedingungen.

Von Universität Bayreuth / Rolf Müller-Wondorf