Birkenholz im Belastungstest – FH Aachen erforscht neue Wege im mehrgeschossigen Holzbau
Im Aachener Zentrum für Holzbauforschung (AZH) untersucht ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Uibel die Tragfähigkeit von Birkenholz im modernen Holzbau. Die Versuche, Teil des vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat geförderten Projekts „HolzSysteMe“, zeigen: Die bislang unterschätzte Laubholzart bietet bemerkenswerte Festigkeitswerte – und könnte künftig eine echte Alternative zur Fichte werden.
Der Riss im Biegeträger aus Birken-Brettschichtholz nach dem Versuch.
Foto: FH Aachen/Pia Schieren
Ein dumpfer Schlag hallt durch die Versuchshalle in Simmerath, als der Prüfzylinder der gewaltigen Maschine sein Maximum erreicht. Der Biegeträger aus Birken-Brettschichtholz hat der Belastung standgehalten – ein Moment, der den Höhepunkt monatelanger Forschungsarbeit markiert.
Im Aachener Zentrum für Holzbauforschung (AZH) der FH Aachen widmet sich das Team um Prof. Dr. Thomas Uibel der Frage, wie sich Laubholzarten im tragenden Holzbau einsetzen lassen. Der Fokus liegt dabei auf der Birke, deren technische Eigenschaften bislang kaum im konstruktiven Bereich genutzt werden. „Wir wollen zeigen, dass heimische Laubhölzer wie die Birke eine echte Alternative zur Fichte darstellen können“, erklärt Thomas Uibel. „Unsere Versuche belegen, dass Birkenholz eine deutlich höhere Festigkeit aufweist – das eröffnet neue Möglichkeiten für ressourceneffizientes, nachhaltiges Bauen.“
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Projekt „HolzSysteMe“ – Standardisierung im Fokus
Das Forschungsvorhaben ist Teil des Projekts „Holzbau-Systemlösungen für Mehrgeschossigkeit“ (HolzSysteMe), das vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) gefördert wird. Ziel ist die Entwicklung standardisierter Lösungen für den mehrgeschossigen Holzbau – ein Bereich, der in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Neben der FH Aachen arbeiten daran Partner aus Forschung, Industrie und Handwerk, darunter NR Ingenieurgesellschaft holztragwerke mbH, Pirmin Jung Deutschland GmbH, Adams Holzbau GmbH, das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, die Pollmeier Massivholz GmbH & Co. KG sowie das Holzbau Deutschland Institut. Das Projektvolumen beträgt rund 1,7 Millionen Euro.

Der Biegeträger hat dem Druck der Prüfmaschine bis zum Äußersten standgehalten.
Foto: FH Aachen/Sascha Halabut
Versuchshalle mit modernster Prüftechnik
In der Versuchshalle des AZH in Simmerath steht den Forschenden eine umfangreiche Infrastruktur zur Verfügung. Hier können Biegeträger und Holzbauelemente im realen Maßstab getestet werden. So lassen sich Tragfähigkeit und Verformungsverhalten präzise analysieren – entscheidende Faktoren für die Bewertung von Holz im Bauwesen.
Die Experimente werden von Tom Jansen, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehr- und Forschungsgebiet Holzbau, geleitet. Jansen führt die Arbeiten im Rahmen seiner Promotion im Promotionskolleg NRW durch. „Wir wollen die Biegefestigkeit und das Verformungsverhalten von Birkenholz möglichst präzise erfassen“, erläutert Tom Jansen. „Dazu kombinieren wir experimentelle Versuche mit numerischen Simulationen. Die Ergebnisse sollen helfen, die Normen für den Einsatz von Laubholz im Bauwesen weiterzuentwickeln.“
Durch die Verbindung von Messdaten und Simulationen entsteht ein detailliertes Bild über das Materialverhalten von Birkenholz unter verschiedenen Belastungsbedingungen – eine Voraussetzung, um es künftig normgerecht und wirtschaftlich einsetzen zu können.
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Wissenschaft trifft Praxis
Bei einem der jüngsten Versuche waren auch Prof. Dr. Josef Rosenkranz, Prorektor für Studium, Lehre und Internationales, Prof. Dr. Christof Schelthoff, Prorektor für Strategische Planung und IT, sowie Wilhelm Grafen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen, anwesend. Sie zeigten sich beeindruckt vom Engagement des Teams und den erzielten Ergebnissen. „Das AZH steht beispielhaft für das, was die FH Aachen auszeichnet: praxisnahe Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz“, sagt Josef Rosenkranz. „Hier wird Zukunft gebaut – nachhaltig, interdisziplinär und mit einem starken regionalen Bezug.“
Thomas Uibel ergänzt: „Der Holzbau ist ein Schlüsselbereich der nachhaltigen Entwicklung. Mit dem AZH haben wir in Simmerath ein Forschungszentrum für den Holzbau geschaffen, das NRW-weit einzigartig ist und den Wissenstransfer in die Wirtschaft aktiv fördert.“
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Austausch und Perspektiven
Im Anschluss an die Testreihen nutzten Forschende, Gäste und Vertreter aus dem Handwerk die Gelegenheit zum Austausch. Beim Rundgang durch die Hallen und einem gemeinsamen Grillen wurde deutlich, wie eng Forschung und Praxis im Aachener Zentrum für Holzbauforschung zusammenarbeiten. Das Interesse an neuen Werkstoffen und nachhaltigen Baukonzepten ist groß – ebenso die Bereitschaft, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis zu überführen. Die Arbeiten am AZH verdeutlichen, dass Birkenholz im modernen Bauwesen eine größere Rolle spielen könnte, als bislang angenommen. Seine hohe Festigkeit, die regionale Verfügbarkeit und das Potenzial zur CO2-Reduktion machen es zu einem interessanten Werkstoff für den mehrgeschossigen Holzbau.




