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Recht und Praxis 20.02.2024, 14:31 Uhr

Baustelle: Wenn der Auftraggeber nicht zum Aufmaß kommt

Damit die Abrechnung von Auftragnehmerleistungen später ohne Beanstandungen verläuft, sollten alle relevanten Feststellungen möglichst im Wege eines gemeinsamen Aufmaßes getroffen werden. Aber was geschieht, wenn der Auftraggeber einem solchen Termin fernbleibt?

PantherMedia D5856404

Foto: panthermedia/discovery (YAYMicro)

Der Auftragnehmer einer Bauleistung ist dazu verpflichtet seine Leistungen prüfbar abzurechnen (Paragraf 14 Absatz 1 VOB/B). Diese Forderung ist von besonderer Bedeutung bei Einheitspreisverträgen, da sich – anders als bei einer Pauschalvereinbarung – erst aus der Rechnung – und insbesondere den beigefügten Aufmaßen – ergibt, in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet wird. Mit Fragen der Prüfbarkeit und vor allem des Aufmaßes hatte sich das Kammergericht (Urteil vom 24. 9. 2021 – 7 U 35/15) zu befassen.

Umfang der Leistungen durch Aufmaße belegen

Das Gericht stellt zunächst heraus, welche Anforderungen an die Prüfbarkeit zu stellen sind. Danach ist eine Rechnung prüffähig, „wenn sie (…) nachvollziehbar angibt, welche Maße der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird.“ Der Auftraggeber muss die Berechtigung der Forderung gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen überprüfen können, wobei die konkreten Anforderungen sich nach dem Einzelfall richten. Regelmäßig ist es erforderlich, den Umfang der Leistung, für den der Auftragnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist, durch Aufmaße (Zeichnungen, Berechnungen) zu belegen.

Das Gericht geht davon aus, dass Aufmaße grundsätzlich vor Ort zu nehmen sind und nicht auf der Basis von Plänen. Abschnitt 5 der DIN 18299 geht dagegen grundsätzlich vom Aufmaß nach Zeichnungen aus, soweit diese der ausgeführten Leistung entsprechen; ein örtliches Aufmaß ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Speziellere Vereinbarungen der Parteien gehen der genannten Regelung jedoch vor.

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Auftragnehmer Aufmaße vorgelegt, der Auftraggeber hatte sie bestritten.

Gemeinsamer Termin für mehr Transparenz

Grundsätzlich muss der Auftragnehmer den Umfang der erbrachten Leistung beweisen, wenn der Auftraggeber die Darlegung (die Aufmaße) des Auftragnehmers bestreitet. Dies ist allerdings in manchen Bereichen nachträglich nicht mehr oder jedenfalls nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich, etwa bei Abbruchleistungen oder bei Leistungen, die zwischenzeitlich durch weitere Leistungen verdeckt worden sind.

Um dem Auftragnehmer diesen Nachweis zu erleichtern, sollen nach Paragraf 14 Absatz 2 VOB/B die für die Abrechnung der Leistung erforderlichen Feststellungen dem Baufortschritt entsprechend möglichst gemeinsam vorgenommen werden; dies wird als gemeinsames Aufmaß bezeichnet. Das gemeinsame Aufmaß bindet die Parteien, insbesondere auch den Auftraggeber, hinsichtlich des aufgemessenen Leistungsumfangs; der Auftragnehmer ist von seiner Beweislast befreit.

Im Fall des Kammergerichts hatten sich die Parteien zu einem Aufmaßtermin getroffen. Der Vertreter des Auftraggebers hatte jedoch seine Mitwirkung von der Vorlage bestimmter Unterlagen abhängig gemacht, die der Auftragnehmer nicht vorlegen konnte. Der Termin scheiterte. Der Auftragnehmer konnte demgemäß nur ein einseitiges Aufmaß vorlegen, das vom Auftraggeber bestritten wurde.

Beweislastumkehr möglich, wenn Auftraggeber nicht kommt

Der Auftragnehmer berief sich jedoch auf eine Beweislastumkehr. Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 22. 5. 2003 – VII ZR 143/02) entschieden, dass die Teilnahme des Auftraggebers am gemeinsamen Aufmaß, wenn er vom Auftragnehmer dazu aufgefordert wird, aus der dem VOB-Vertrag immanenten Kooperationspflicht abzuleiten ist. Bleibt der Auftraggeber dem Aufmaßtermin unberechtigt fern, kann das für ihn nachteilige Konsequenzen haben. Grundsätzlich kann auch in diesem Fall der Auftraggeber das Aufmaß des Auftragnehmers bestreiten. Es kommt aber dann zu einer Beweislastumkehr, das heißt nicht der Auftragnehmer muss die Richtigkeit, sondern der Auftraggeber muss die Unrichtigkeit der vom Auftragnehmer erstellten Aufmaße beweisen, wenn ein neues Aufmaß oder die Überprüfung des vom Auftragnehmer erstellten Aufmaßes unter zumutbaren Bedingungen nachträglich nicht mehr möglich ist, weil zum Beispiel die Leistung des Auftragnehmers durch nachfolgende Leistungen verdeckt oder nach Kündigung durch einen Drittunternehmer fertiggestellt worden ist.

Das Kammergericht kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Vertreter des Auftraggebers die Teilnahme am Aufmaßtermin berechtigt verweigert habe. Nach den Abreden der Parteien hätte der Auftragnehmer die Unterlagen vorlegen müssen. Schon vor diesem Hintergrund konnte sich der Auftragnehmer nicht auf die Rechtsprechung zur Beweislastumkehr berufen. Zudem konnte er sich insoweit nicht darauf berufen, wie nachträglich Feststellungen zum Leistungsumfang noch möglich waren.

Pflicht zur Kooperation

Wenn der Auftraggeber zum gemeinsamen Aufmaß eingeladen wird, hat er dieser Einladung Folge zu leisten, sonst verstößt er gegen die ihn treffende Kooperationspflicht. Aus diesem Verstoß werden weitere Nachteile des Auftraggebers abgeleitet, wenn der Auftragnehmer durch die verweigerte Teilnahme am Abnahmetermin in Beweisnot gerät, weil nachträglich die erforderlichen Feststellungen nicht mehr möglich sind. Ausnahmsweise tritt die Beweislastumkehr nicht ein, wenn der Auftraggeber die Teilnahme am Abnahmetermin zu Recht verweigert. Der Auftraggeber sollte sich in dieser Hinsicht aber sehr sicher sein.

Von Dr. Reinhard Voppel, Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel, Köln