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Bedenkenanmeldung und Mängelhaftung 02.03.2023, 14:01 Uhr

Baupraxis: Zweifel besser frühzeitig äußern

Bestehen berechtigte Zweifel daran, dass ein Auftrag unter den gegebenen Bedingungen fachgerecht ausgeführt werden kann, sollten Auftragnehmer ihre Bedenken frühzeitig anmelden. Eine Mängelhaftung kann dadurch ausgeschlossen werden.

Foto: panthermedia/discovery (YAYMicro)

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Mit dem Urteil vom 2.12.2022 – 22 U 113/22 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf Folgendes entschieden: Die Beklagte hat im Auftrag der Klägerin Betonierarbeiten ausgeführt. Die Klägerin behauptet einen Mangel der Leistung der Beklagten; die Wände seien nicht standsicher ausgeführt worden. Sie hat den Mangel durch ein Drittunternehmen beseitigen lassen und macht dessen Kosten geltend. Die Beklagte bestreitet einen Mangel, die Leistung sei nach den Vorgaben der Klägerin ausgeführt worden. Eine Bedenkenanmeldung sei nicht erforderlich gewesen, da die Klägerin ein professionelles Bauunternehmen sei. Im übrigen habe sie gegenüber dem bauleitenden Angestellten der Klägerin Bedenken angemeldet, der aber nicht reagiert habe. Ausgehend von der werkvertraglichen Erfolgsverpflichtung des Werkunternehmers stellt das Gericht zutreffend fest, dass die Beklagte wegen der mangelnden Standsicherheit hafte; das Werk habe nicht die vereinbarte Beschaffenheit. Die Leistung des Unternehmers ist auch mangelhaft, wenn die Mangelursache in der Sphäre des Auftraggebers liegt, etwa bei mangelhafter Planung. Das ist nur dann anders, wenn der Unternehmer Bedenken gegen die Vorgaben des Auftraggebers anmeldet. Als Grundlage für die Bedenkenanmeldung ist der Auftragnehmer zu einer vertieften Prüfung der auftraggeberseitigen Vorgaben verpflichtet.

Auch professionelle Auftraggeber machen Fehler

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte von ihrer Haftung nicht befreit ist. Eine Bedenkenanmeldung war erforderlich. Die Verpflichtung, Bedenken anzumelden, besteht auch gegenüber professionellen Auftraggebern; denn diese Verpflichtung besteht nicht zum etwaigen Ausgleich mangelnder Sachkunde beim Auftraggeber, sondern aufgrund der Erfolgsverantwortung des Auftragnehmers.

Haftungsbefreiend ist die Bedenkenanmeldung zudem nur, wenn dadurch der Auftraggeber hinreichend gewarnt wird. Dazu genügen allgemeine und vage Hinweise nicht. Vielmehr müssen die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben des Auftraggebers so konkret dargelegt werden, dass dem Auftraggeber die Tragweite einer Nichtbefolgung der Bedenken klar wird.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe dem angestellten Bauleiter der Klägerin mitgeteilt, dass die Temperaturen für die Durchführung der Arbeiten zu hoch seien; eine ordnungsgemäße Herstellung sei praktisch nicht möglich. Das liege auch an der fehlerhaften Körnung des Betons. Das genügt dem Gericht nicht als wirksame Bedenkenanmeldung: Es sei nicht ansatzweise erkennbar, dass über die nachteiligen Folgen, insbesondere darüber aufgeklärt worden sei, dass die Wände möglicherweise nicht standsicher sein würden. Angesichts der gravierenden Folge wäre ein besonders deutlicher Hinweis erforderlich gewesen. Aus den Prozessvortrag der Beklagten (rückblickend betrachtet seien ungünstige Umstände zusammengetroffen; sie habe seinerzeit nicht in die Zukunft blicken können) ergibt sich nach Auffassung des Gerichts, dass der Beklagten die Problematik bei Ausführung der Arbeiten selbst noch nicht bewusst gewesen ist. Damit war nach Ansicht des Gerichts kein genügender Bedenkenhinweis erteilt worden.

Bedenken müssen direkt gegenüber dem Auftraggeber geäußert werden

Zudem sei der Hinweis an die falsche Person erteilt worden. Bedenken müssen gegenüber dem Auftraggeber geäußert werden. Empfangsberechtigt ist grundsätzlich auch ein Vertreter, etwa auch der vom Auftraggeber beauftragte Objektüberwacher. Ob der Bauleiter der Klägerin bevollmächtigt war, war streitig, konnte aber offengelassen werden. Die Bedenkenanzeige gegenüber einem bevollmächtigten Vertreter geht nämlich dann dem Auftraggeber nicht zu, wenn der Vertreter selbst für den Mangel/die fehlerhaften Vorgaben verantwortlich ist oder sich den Bedenken verschließt. Soweit ersichtlich erstreckt das Gericht die bislang auf externe Berater bezogene Rechtsprechung erstmals auf angestellte Mitarbeiter des Auftraggebers. Da sich der Bauleiter den Bedenken verschlossen habe, hätte die Beklagte die Bedenken unmittelbar gegenüber dem Auftraggeber äußern müssen. Daher muss die Beklagte der Klägerin die Kosten der Mangelbeseitigung erstatten.

Die Entscheidung macht die umfassende Erfolgsverpflichtung des Auftragnehmers deutlich, die auch dann eingreift, wenn die Mangelursachen vom Auftraggeber (seinem Planer) gesetzt sind. Der Auftragnehmer kann sich durch Bedenkenanmeldung von der Haftung befreien; an deren Inhalt werden strenge Anforderungen gestellt. Sie muss so deutlich ausfallen, dass der Auftraggeber sowohl die Problematik als solche als auch die nachteiligen Folgen/Risiken einer unveränderten Ausführung konkret erkennen kann. Allgemeine Ausführungen genügen nicht. Zudem muss der Auftragnehmer auf den zutreffenden Adressaten achten. Regelmäßig können Bedenken beim Objektüberwacher oder dem angestellten Bauleiter des Auftraggebers wirksam angebracht werden. Wenn diese für die Problematik verantwortlich sind oder sich den Bedenken verschließen, muss der Auftraggeber selbst informiert werden. Im Fall eines Angestellten muss das dann offenbar der Geschäftsführer sein.

Von Dr. Reinhard Voppel, Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel, Köln