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Umgang mit Starkregen 03.12.2025, 15:17 Uhr

Künstliche Intelligenz macht Kanalnetze klimaresilient

Sie wollen den Klimawandel smarter bewältigen: Dreieinhalb Jahre wurde im Verbundprojekt „InSchuKa 4.0“ erprobt, wie Kanalnetze durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz zukünftig besser auf Starkregen und Trockenphasen reagieren. Jetzt wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Digital steuerbare Kanalklappen im Einsatz. Foto: JenaWasser

Digital steuerbare Kanalklappen im Einsatz.

Foto: JenaWasser

Der Klimawandel stellt die kommunale Wasserwirtschaft vor wachsende Herausforderungen: Immer heftigere Starkregenereignisse überfluten die Kanalisation, während längere Trockenperioden Leitungen austrocknen und Schäden verursachen. Das Forschungsprojekt „InSchuKa 4.0“ („Intelligente Steuerung von Kanalnetzen“) hat sich genau dieser Problematik angenommen. Dreieinhalb Jahre lang arbeiteten kommunale Praxispartner, Technikunternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen, um zu erforschen, wie Abwassersysteme künftig sicher, effizient und klimaresilient betrieben werden können.

Ein Schwerpunkt lag auf der Integration von Betriebswissen in ein KI-basiertes Fallbezugssystem (Case-Based Reasoning, CBR) – einer Methode, die aus vergleichbaren Situationen lernt und daraus Steuerungsempfehlungen für Kanalnetze ableitet. Koordiniert wurde das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt durch das Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa) der Hochschule Hof. Weitere Projektpartner sind die Hochschule Magdeburg-Stendal, das Ingenieurbüro HST Systemtechnik GmbH & Co.KG, der Softwareentwickler Pegasys, der Messtechnikspezialist Niuvus und JenaWasser, als regionaler Wasserversorger.

Intelligente Klappen steuern den Wasserfluß

Herzstück des Projekts ist ein neu entwickeltes Konzept zur digitalen Kanalnetzbewirtschaftung. In der Praxis getestet wurde es in Jena, wo zwei groß dimensionierte Edelstahlklappen in den Hauptsammler eingebaut wurden. Diese lassen sich digital ansteuern und künftig durch eine KI-basierte Steuerung regeln. Das System verarbeitet Messwerte, Modellierungen und Wetterprognosen, um zu entscheiden, ob Wasser im Kanalnetz gespeichert oder abgeleitet werden soll. Ziel ist es, zwei gegensätzliche, aber gleichermaßen dringliche Herausforderungen des Klimawandels zu meistern:

  • Starkregenmanagement: Entlastung überlasteter Kanalisationen zur Vermeidung von Überflutungen.
  • Trockenphasenmanagement: Rückhalt von Wasser im Netz, um Leitungen vor Austrocknung und Ablagerungen zu schützen.

„Wir wollten zeigen, dass man mit bestehenden Netzen arbeiten kann, ohne gleich neue Rückhaltebecken errichten zu müssen“, so Robert Köllner, stellvertretender Werkleiter beim Versorger JenaWasser. „Die intelligente Steuerung macht unser Kanalnetz flexibler und robuster gegenüber Extremwetter.“ Seit September 2025 läuft das System in Jena im Echtbetrieb.

Was erwarten die Versorger?

Ein zentrales Ziel von „InSchuKa 4.0“ war neben der technischen Entwicklung auch der Transfer in die kommunale Praxis. Das Team der Hochschule Hof untersuchte daher auch die Entscheidungsprozesse in Stadtwerken und Verwaltungen: Welche Erwartungen bestehen an KI-gestützte Steuerungssysteme? Welche Chancen werden gesehen – und welche Hürden? Eine bundesweite Online-Befragung von 154 Fachleuten aus Kommunen, Ingenieurbüros und Behörden zeigte: Intelligente Kanalnetzsteuerung wird als notwendiger Schritt zur Klimaanpassung erkannt. Gleichzeitig nannten die Teilnehmenden Hindernisse wie Fachkräftemangel, Ressourcenknappheit und Transparenzanforderungen bei KI-Entscheidungen.

Steuerungsansätze auf weitere Projekte übertragen

Zum Projektende im lud JenaWasser zur Abschlussveranstaltung ein. Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, Fachverbänden und Ingenieurbüros konnten die Ergebnisse nicht nur hören, sondern auch sehen: Bei einer Live-Demonstration im Kanalnetz wurde gezeigt, wie das System Stauraum aktiviert, Abflüsse drosselt und gezielte Spülwellen auslöst. „Mit ‚InSchuKa 4.0‘ konnten wir zeigen, dass KI im Kanalnetz keine Zukunftsvision ist, sondern bereits heute funktioniert“, betont Professor Günter Müller-Czygan, Leiter des inwa. „Die Lösung ist erklärbar, übertragbar – und bereit für den Einsatz in anderen Städten.“ Der Verbund plant, die entwickelten Konzepte und Steuerungsansätze in weiteren Projekten fortzuführen – mit Fokus auf Wissenstransfer, Schulungen für Betriebspersonal sowie der Weiterentwicklung der KI-Algorithmen.

Von Hochschule Hof / Marc Daniel Schmelzer