Kündigung: Ordentlich oder aus wichtigem Grund?
Der Auftraggeber einer Bauleistung kann den Vertrag mit dem Unternehmer jederzeit ohne Grund („ordentlich“) oder aus wichtigem Grund kündigen. Die Art der Kündigung wirkt sich allerdings auf den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers aus.

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Das Oberlandesgericht Naumburg (Urteil vom 25. 5. 2023 – 2 U 126/20) hatte über eine Kündigung zu entscheiden. Der Auftraggeber hatte den Bauunternehmer mit Fliesenlegerarbeiten beauftragt. Vereinbart war eine Abrechnung nach Stundenaufwand, im Angebot waren 960 Stunden vorgesehen. Die VOB/B war vereinbart. Der Auftragnehmer begann am 5. August mit den Leistungen. Am 15. August meldete er Bedenken wegen mangelhafter Estricharbeiten an und zeigte Behinderung an. Mit E-Mail vom 20. August rügte der Auftraggeber, der Leistungsstand entspreche nicht der Stundenabrechnung und zeigte Verzug an. In einem Telefonat vom selben Tag vereinbarten die Parteien eine Aufstockung der Arbeitskolonne des Auftragnehmers. Am 21. August kündigte der Auftraggeber per Sprachnachricht die Kündigung des Vertrages an. Am 23. August erklärte er per E-Mail: „Hiermit beenden wir die Zusammenarbeit basierend auf der mündlichen Anordnung vom 20. August nochmals schriftlich.“
Der Auftragnehmer rechnete 684 Stunden ab; 276 Stunden machte er als Kündigungsvergütung geltend. Der Auftraggeber meint über die erbrachten Stunden hinaus keine Vergütung leisten zu müssen, da er aus wichtigem Grund gekündigt habe.
Anspruch auf Vergütung für nicht erbrachte Leistungen?
Das Gericht musste nun klären, ob es sich tatsächlich um eine Kündigung aus wichtigem Grund (Paragraf 8 Abs. 3 VOB/B) oder um eine ordentliche oder freie Kündigung (Paragraf 8 Abs. 1 VOB/B) handelte. Im ersten Fall besteht kein Anspruch des Auftragnehmers auf Vergütung der kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen, im zweiten Fall sehr wohl.
Wenn eine Willenserklärung – hier die Erklärung der Kündigung – nicht eindeutig ist, muss durch Auslegung festgestellt werden, was der Erklärungsinhalt ist. Dabei kommt es bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nicht auf den inneren, gegebenenfalls nicht hinreichend zum Ausdruck gekommenen Willen des Erklärenden an, sondern darauf, wie ein objektiver Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf.
Die Kündigungserklärung des Auftraggebers lässt nicht erkennen, dass aus wichtigem Grund gekündigt wird. Allerdings bedarf auch die Kündigung aus wichtigem Grund keiner Begründung; auch nach Ausspruch der Kündigung können Gründe noch nachgeschoben werden. Ungeachtet dessen muss sich aber aus der Kündigungserklärung selbst oder aus den Begleitumständen ihrer Abgabe aus der objektiven Empfängersicht erkennen lassen, dass der Kündigende eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt, weil es etwa schwerwiegende Vertragsverletzungen oder einen Vertrauensverlust gegeben habe. Ergibt sich der Wille, eine Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen, nicht eindeutig, geht diese Unklarheit zu Lasten des Erklärenden.
Der Auftraggeber hat lediglich die Beendigung der Zusammenarbeit erklärt. Bereits diese Wortwahl, so das Gericht, deute nicht auf einen wichtigen Grund hin, es bestehe kein Bezug zu einer Pflichtverletzung, hier insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Leistungszeit, oder einem Vertrauensverlust. Zudem war die im ursprünglichen Bauzeitenplan vorgegebene Leistungszeit noch nicht ausgeschöpft, sodass eine Kündigung wegen Verzugs gar nicht in Rede stehen konnte. Da der Auftragnehmer nach der E-Mail des Auftraggebers vom 20. August mit der Rüge des Leistungsstandes noch am selben Tag eine Aufstockung der Kolonne angeboten und vereinbart habe, sei die am Folgetag angekündigte und später ausgesprochene Kündigungserklärung aus der objektiven Sicht des Auftragnehmers „aus heiterem Himmel“ erfolgt. Er habe sie nicht anders als eine jederzeit zulässige ordentliche Kündigung verstehen können.
Hypothetisch in Ansatz zu bringende Arbeitsstunden werden vergütet
Das Gericht kommt also zu dem Ergebnis, dass es sich um eine ordentliche Kündigung handelte. Demnach kann der Auftragnehmer nicht nur die Vergütung für die bereits erbrachten Leistungen, sondern auch die komplette Vergütung für die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen beanspruchen. Der Ansatz von weiteren 276 Stunden, die als Differenz aus dem Mengenvordersatz und den erbrachten Stunden ermittelt worden sind, wird vom Gericht akzeptiert. Maßgeblich ist der fiktive Umfang der in Kenntnis sämtlicher Ausführungsbedingungen hypothetisch in Ansatz zu bringenden Arbeitsstunden bis zur Fertigstellung aller beauftragten Leistungen. Diese sind nicht dargelegt. Der Auftraggeber wird aber nach Ansicht des Gerichts im zu entscheidenden Fall durch den Ansatz nicht beschwert, da der tatsächliche Bauverlauf darauf hindeutete, dass der im Angebot geschätzte Stundenansatz noch überschritten worden wäre.
Ersparte Aufwendungen muss sich der Auftragnehmer nicht anrechnen lassen: Die Personalkosten fallen weiter an; Allgemeine Geschäftskosten und Gewinn werden nicht erspart. Auch anderweitiger Erwerb ist nicht anzusetzen. Der Auftragnehmer hat nachvollziehbar vorgetragen, dass er für den Zeitraum von zwei Wochen verbleibender Restbauzeit kurzfristig keinen Füllauftrag für vier Arbeitskräfte habe akquirieren können. Bei einem BGB-Vertrag (auch einem Planervertrag) gilt nichts anderes.
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