Geothermie-Beschleunigungsgesetz 07.10.2025, 14:58 Uhr

Bundesregierung äußert sich zu Risiken der Tiefengeothermie

Anfang August hat die Bundesregierung den Entwurf eines Geothermie-Beschleunigungsgesetzes (GeoBG) im Kabinett beschlossen. Es sieht Vereinfachungen und Beschleunigungen in den Genehmigungsverfahren von Tiefenbohrungen zur Energiegewinnung vor. Doch das Parlament hatte auch Fragen zu möglichen Risiken.

Am Michaelibad im Ortsteil Neuperlach bauen die Münchener Stadtwerke zurzeit die größte Geo­thermieanlage auf dem europäischen Festland. In Tiefen von 2.000 bis über 3.000 Metern unter der Stadt München befindet sich ein riesiger Vorrat heißen Thermalwassers mit Temperaturen von 80 °C bis über 100 °C. Insgesamt dauern Planung und Bau allerdings zwölf Jahre. 2033 soll die Geother­mieanlage dann Fernwärme für rund 75.000 Menschen liefern. Im Bild die bereits bestehende Anlage ­Freiham. Die Geologen unterscheiden zwischen hydrothermal und petrothermal. Hydrothermal: Das heiße Tiefenwasser hat bereits die gewünschte Temperatur wie in München und kann direkt als Fernwärme eingesetzt werden. Petrothermal: Injiziertes Wasser wird am heißen Gestein erhitzt. Foto: Stadtwerke München

Am Michaelibad im Ortsteil Neuperlach bauen die Münchener Stadtwerke zurzeit die größte Geo­thermieanlage auf dem europäischen Festland. In Tiefen von 2.000 bis über 3.000 Metern unter der Stadt München befindet sich ein riesiger Vorrat heißen Thermalwassers mit Temperaturen von 80 °C bis über 100 °C. Insgesamt dauern Planung und Bau allerdings zwölf Jahre. 2033 soll die Geother­mieanlage dann Fernwärme für rund 75.000 Menschen liefern. Im Bild die bereits bestehende Anlage ­Freiham. Die Geologen unterscheiden zwischen hydrothermal und petrothermal. Hydrothermal: Das heiße Tiefenwasser hat bereits die gewünschte Temperatur wie in München und kann direkt als Fernwärme eingesetzt werden. Petrothermal: Injiziertes Wasser wird am heißen Gestein erhitzt.

Foto: Stadtwerke München

Tiefengeothermieanlagen ab etwa 400 Meter nutzen Erdwärme aus Tiefenbohrungen zur Wärme- und Stromerzeugung. Die Bundesregierung hat angekündigt, Geothermie durch innovative Techniken weiterzuentwickeln und als Beitrag zur Energieunabhängigkeit ausbauen zu wollen. In der öffentlichen Debatte werden sowohl die Potenziale dieser Technologie für die Energieversorgung als auch mögliche wirtschaftliche und ökologische Risiken thematisiert. Zwei Bereiche stehen in der ökologischen Bewertung im Vordergrund: der Schutz von Boden und Grundwasser gegen austretende radioaktive Salze sowie das Erdbebenrisiko.

Radioaktive Salze: untergeordnete und beherrschbare Fragestellung

Aus dem Parlament kam zum ersten Komplex die Frage: Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche Mengen an radioaktiven Salzen bei der Nutzung als Geothermieanlage zur Fernwärme- oder Stromerzeugung pro Jahr anfallen? Als Beispiel wurde eine für den Oberrheingraben (zwischen Karlsruhe und Speyer) typische Anlage mit 40 MW Fernwärme oder 5 MW Stromerzeugung benannt.

Als Antwort verweist die Bundesregierung auf eine Veröffentlichung des Bundesamts für Strahlenschutz. Dies schreibt: „Rückstände mit einem erhöhten Gehalt natürlicher Radionuklide entstehen vor allem bei der Nutzung von Tiefenwässern mit einem hohen Salzgehalt (bis 300 Gramm Salz pro Liter Wasser). Diese Konzentrationen treten nach bisherigem Kenntnisstand nur in wenigen Tiefenwässern aus Norddeutschland und im Oberrheingraben auf. In den geothermischen Tiefenwässern des Voralpenlandes beträgt der Salzgehalt weniger als ein Gramm pro Liter“. Die Salzmengen beziehen sich demnach im Wesentlichen auf Kochsalz (NaCl) und Kalk und können daher nicht mit möglichen Mengen radioaktiver Isotope gleichgesetzt werden. Jedoch kann Kalk in Geothermieanlagen zu Ablagerungen (Scalings) führen, in denen sich radioaktive Isotope entsprechend ihrem natürlichen Vorkommen mit absetzen.

Die Scalings müssen im Turnus entfernt werden. Die Bundesregierung: „Im Rahmen geförderter Forschungsvorhaben, wie etwa SUBITO, ist es bereits gelungen, deren Menge deutlich zu reduzieren, sodass davon auszugehen ist, dass Scalings im Betrieb geothermischer Anlagen eine untergeordnete und beherrschbare Fragestellung bilden. Durch bereits verfügbare Inhibitoren ist es jetzt schon möglich, den weit überwiegenden Teil der im Wasser enthaltenen Salze in Lösung zu halten und so wieder in den Untergrund zurückzuführen.“

Erdbebenrisiko: kein größeres, seismisches Risiko

Auf die Frage nach möglichen seismischen Aktivitäten aufgrund der Tiefenbohrungen verweist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf die Messergebnisse von auf über zehn Jahren verteilten Forschungsprojekten. Die stärksten Erdbeben, die im Zusammenhang mit Betrieb und hydraulischer Stimulation in der tiefen Geothermie in Deutschland aufgetreten waren, wiesen Lokalmagnituden (Richter-Skala) von 2,7 beziehungsweise 2,4 auf (Landau, 15. August 2009 beziehungsweise Insheim, 9. April 2010) – mit in der Folge geringen Schäden.

Bei den vom Erdbebendienst-Südwest der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gemeldeten seismischen Ereignisse im Jahr 2025, die vermutlich im Zusammenhang mit bestehenden Tiefenbohrungen stünden, seien Werte zwischen 1,0 und 1,6 gemessen worden. „Diese Magnituden liegen deutlich unterhalb der menschlichen Spürbarkeit und weisen damit auch keinerlei Schadenwirkung auf“, verneint das Ministerium ein größeres seismisches Risiko.

Erdbeben-Magnituden geben die freigesetzte Energie wieder, sind aber einheitslos. Die Skalierung geht auf Arbeiten des kalifornischen Seismologen Richter zurück. Nach einer Beschreibung der Ludwig-Maximilian-Universität München werden zur Bestimmung der Magnitude die Bodenbewegungen eines Erdbebens mit einem Seismometer als Seismogramm gemessen und zusammen mit der Entfernung zum Zentrum der Aktivität in ein logarithmisches Stärkemaß umgerechnet. Logarithmisch bedeutet, der Zuwachs um eine Magnitudeneinheit (etwa von 4 auf 5) bedeutet zehnfach größere Bodenbewegungen und eine Steigerung der Bebenenergie um etwa das dreißigfache. Beben mit den Magnituden 2 bis 3 sind gerade noch spürbar. Das stärkste Beben der nördlichen Rheinlandregion seit 1900 war das Beben von Roermond an der niederländischen Grenze (1992) mit Magnitude 5,9. Das stärkste jemals auf der Erde gemessene Beben hatte eine Magnitude von 9,5 (Chile 1960).

Von Dipl.-Ing. Bernd Genath ist Fachjournalist mit Büro in Düsseldorf

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