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Neue Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 01.03.2023, 14:34 Uhr

„Risikobeurteilung von legionellenhaltigen Aerosolen“ ist da!

Der neue Entwurf der VDI-Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 ist veröffentlicht. In der Richtlinie wird der Umgang mit legionellenhaltigen Aerosolen beschrieben. Es wird auch eine neue und einfachere Untersuchungsmethode vorgestellt.

Kolonien von Legionella pneumophila Serogruppe 1 auf Agar. Foto:Dr. habil. Anna Salek

Kolonien von Legionella pneumophila Serogruppe 1 auf Agar.

Foto:Dr. habil. Anna Salek

Was sind Legionellen und wie gefährlich sind sie?

Legionellen sind natürlich vorkommende, im Wasser lebende Bakterien, die aus der Umwelt in technische Wassersysteme gelangen, wie z.B. Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider aber auch Fahrzeugwaschanlagen, zahntechnische Einrichtungen und Springbrunnen. Unter ungünstigen Bedingungen können sich die Bakterien stark vermehren. Durch die Aerosolbildungs- und Emittierungseigenschaften können Legionellen in die Luft gelangen. Die Einatmung dieser legionellenhaltigen Aerosole kann bei Menschen zu einer Influenza-ähnlichen Erkrankung, dem sog. Pontiac-Fiber, oder zu schweren Lungenentzündungen mit möglicher Todesfolge, der sogenannten Legionärskrankheit, führen. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Zahl der Erkrankungen in Deutschland auf etwa 6 000 bis 10 000 Fälle pro Jahr. Weltweit sind zahlreiche Ausbrüche sicher auf Infektionen mit Legionellen aus Verdunstungskühlanlagen zurückzuführen. Auch bei den letzten Legionellen-Ausbrüchen in Deutschland in Warstein und Jülich wurden Kühlanlagen als Infektionsquellen nachgewiesen.

Reaktion der Politik – die 42. BImSchV

Um die Gefahr solcher Legionellen-Ausbrüche zu minimieren, hat die Politik reagiert: Am 19. August 2017 ist die 42. Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider (42. BImSchV) in Kraft getreten. Sie beinhaltet zahlreiche Pflichten und Vorgaben für Anlagenbetreiber z.B. zu Errichtung, Betrieb, Wartung, Instandhaltung, Neubau oder bei der Gefährdungsbeurteilung. Der Fokus liegt auf der mikrobiologischen Untersuchung von Prozesswässern zur Ermittlung der hygienisch-mikrobiologischen Beschaffenheit und der Legionellenkonzentration. Bei einer Überschreitung der in der 42. BImSchV festgelegten Prüf- und Maßnahmenwerte sind die Anlagenbetreiber verpflichtet, sofortige Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören prozesstechnische Maßnahmen sowie zusätzliche mikrobiologische Untersuchungen zur Differenzierung der nachgewiesenen Legionellen. (siehe Bild)

Die Referenzmethode zum Nachweis von Legionellen in Wasseranalysen ist bislang die Kultivierungsmethode. Kulturelle Nachweisverfahren haben in diesem Zusammenhang jedoch einige Nachteile:

1. Sie haben eine lange Wartezeit zwischen Probenahme und Probenergebnis (diese kann bis zu vier Wochen betragen),

2. Neben Legionellen können in Nutzwässern auch andere Mikroorganismen vorkommen (Begleitflora), die auf Differenzierungsnährböden sehr gut wachsen, d.h. es muss z.B. auf zunehmend kleinere Probenvolumina ausgewichen werden. Je kleiner das Probevolumen ist, desto größer ist die Gefahr, dass das Ergebnis der analysierten Probe nicht auf einer homogenen Verteilung der Legionellen beruht.

3. Kulturelle Nachweisverfahren weisen lebende Bakterien zwar mit großer Sensitivität nach, allerdings können Bakterien unter bestimmten Umständen ihre Kultivierbarkeit und die Fähigkeit, Kolonien auf Nähragar auszubilden, verlieren (Viable but nonculturable-Zustand (VBNC). Dann reflektieren Kultivierungsmethoden nicht mehr die tatsächlich vorliegende Anzahl lebender Bakterien.

Kulturunabhängige Methoden zur internen Kontrolle bei Maßnahmenwertüberschreitungen

Sowohl das Problem der langen Wartezeiten zwischen Probenahme und Testergebnis, des Vorliegens lebender, jedoch nicht kultivierbarer Bakterien (VBNC), als auch die Vermeidung von kleinen Probevolumina bei Vorliegen starker Begleitflora können durch Anwendung kulturunabhängiger Methoden größtenteils vermieden werden. Kulturunabhängige Methoden sind daher insbesondere anwendbar für interne Untersuchungen nach einer Maßnahmenwertüberschreitung nach 42. BImSchV: zur Kontrolle der Wirksamkeit ergriffener Gegenmaßnahmen oder zur Eingrenzung der Legionellenquelle.

Ein neuer Fokus der VDI 4250 Blatt 2

Die Etablierung kulturunabhängiger Methoden setzt jedoch ausgebildetes Personal und eine Laborausstattung voraus, die den angewendeten Methoden gerecht wird und die geltenden Standards erfüllt. Wichtig ist die Gewährleistung des sachgerechten mikrobiologischen Arbeitens und etablierte Arbeitsabläufe. Für die Auswahl der für den o.g. Anwendungsfall geeigneten kulturunabhängigen Methode sowie für die Qualifizierung des zu untersuchenden Labors wurden Kriterien entwickelt, die in dem neuen Entwurf der Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 aufgeführt sind.

In der anlagenbezogenen Gefährdungsbeurteilung (GBU), die in der 42. BImSchV gefordert wird, sind die Potenziale einer Anlage zur Vermehrung von Legionellen im Nutzwasser und zu ihrem Austrag als legionellenbeladenen Aerosolen zu ermitteln und geeignete betriebliche Maßnahmen zu ihrer Minimierung zu bestimmen. Hinweise dazu werden z. B. in der Richtlinie VDI 2047 Blatt 2 gegeben. In der Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 werden zusätzliche Hinweise zur Beurteilung der Gefährdung durch Anlagen gegeben, die legionellenhaltige Bioaerosole emittieren können. Die Richtlinie greift auch Möglichkeiten und Grenzen der umweltmedizinischen Bewertung auf und gibt konkrete präventive Handlungsempfehlungen.

Ausgewählte Inhalte des neuen Entwurfs der Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 werden bei der VDI-Konferenz „Legionellen aus Rückkühlwerken“ am 28. und 29. März 2023 in Würzburg sowie auf dem VDI-Expertenforum „„Messen und Bewerten von Bioaerosolen und Legionellen in der Außenluft“ am 20. April 2023 in Freising präsentiert.

Der Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 2 kann hier über den Beuth-Verlag bezogen werden.

Bis zum 30.06.2023 können Sie hier Ihren Einspruch zum Entwurf der Richtlinie VDI 4250 Blatt 2 einreichen.

Anke Niebaum
VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL), Düsseldorf.