Zum E-Paper
Geruchsbelastung in Räumen 01.03.2015, 00:00 Uhr

Messungen in geruchsbelasteten Räumen zur Ermittlung der stofflichen Ursachen der Gerüche

Quelle: PantherMedia/ Elnur_

Quelle: PantherMedia/ Elnur_

1 Einführung

In einem vor ca. vier Jahren unter anderem durch Verlegen eines neuen PVC-Bodens (PVC: Polyvinylchlorid) umfangreich sanierten Besprechungsraum erfolgte aufgrund von Befindlichkeitsstörungen und geruchlichen Auffälligkeiten eine VOC-Innenraumluftmessung (VOC, volatile organic compounds). Die Ergebnisse dieser Untersuchung dienten als Grundlage zur Durchführung einer nachfolgenden Messreihe von jeweils zwölf Messungen im Untersuchungs- sowie einem Referenzraum.

2 Vorbemerkungen

Aufgrund von Geruchs- und Befindlichkeitsstörungen erfolgte am 22. Januar 2014 eine VOC-Untersuchung des Besprechungsraums (Raum 12) im Gesundheitsdienst des Landkreises Osnabrück. Die Probenahme erfolgte durch Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes, die Analyse durch das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA). Der TVOC-Wert (TVOC, total volatile organic compounds) dieser Messung war mit 173 μg/m3 niedrig, der Anteil nicht identifizierbarer Substanzen (TVOCunid) mit 88 μg/m3 allerdings relativ hoch. Als Geruchsquelle wurde der 2010 im Rahmen umfangreicher Gebäudesanierungsmaßnahmen verlegte PVC-Boden vermutet, der mit einem emissionsarmen E1-Kleber verklebt worden war.

Bei den identifizierbaren Substanzen war mit dem Nachweis von 1 μg/m3 p-Kresol nur eine einzelne geruchsauffällige Substanz identifiziert worden – in einer Konzentration, die bei einer Messung unter Nutzungsbedingungen eine grenzwertige Überschreitung eines Geruchsleitwerts (GLW) der Ad-hoc-Arebitsgruppe Innenraum [1] wäre. Somit bestand die Vermutung, dass im Anteil nicht identifizierbarer Substanzen weitere geruchsaktive Verbindungen enthalten sein könnten. Hinweise hierfür ergaben sich auch aus Ergebnissen von Prüfkammeruntersuchungen, bei denen neben weiteren nicht identifizierten Sekundäremissionen nach der Verlegung von PVC-Böden 1-Nonanol (CAS-Nr. 143-08-8) [2], 6-Methyl-1-octanol (CAS-Nr. 110453-78-6) [3] sowie Isooctanol (CAS-Nr. 143-08-8) [3] beobachtet wurden. Um zu prüfen, ob diese Substanzen auch im Besprechungsraum nachweisbar sind, wurde zwischen dem NLGA und dem Gesundheitsdienst Osnabrück eine entsprechende Messreihe vereinbart.

Im Zeitraum vom 28. März bis 27. Juni 2014 erfolgten insgesamt zwölf Parallelmessungen in Raum 12 und dem vom Gesundheitsdienst als Referenzraum ausgewählten Raum 130. Der Referenzraum war baulich weitgehend identisch ausgestattet und wie Raum 12 im Jahr 2010 u. a. mit dem gleichen E1-verklebten PVC-Boden ausgestattet worden. Ein auch hier vorhandener Geruch wurde als andersartig und weniger intensiv beschrieben. Raum 12 liegt im Erdgeschoss des Gebäudes, das mit einem Kriechkeller versehen ist und dadurch eine gewisse Bodengrundfeuchtigkeit aufweist; Raum 130 liegt im ersten Obergeschoss.

3 Material und Methoden

3.1 Chemische Luftanalytik

Die Probenahme erfolgte auf Tenax TA (4 l Probenvolumen, Flussrate: 100 ml/min), die Analytik mit Thermodesorp­tions-Gaschromatographie/Massensspekrometrie (TDS-GC-MS). Die Begleitparameter Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchte wurden mit einem digitalen Baro-Vacuum-Meter und einem Thermo-Hygrometer-Datenlogger dokumentiert.

3.2 Messdurchführung (Luftmessungen)

Die Räume wurden jeweils am Abend vor der Messung gelüftet und danach bis zum Abschluss der Messung am Folgetag verschlossen (Messung unter Ausgleichsbedingungen). Zusätzlich zu den VOC-Messungen erfolgte eine qualitative olfaktorische Einschätzung durch den Probe­nehmer, der unmittelbar nach Betreten des Untersuchungsraums und ein zweites Mal nach ca. 10 min eine Einschätzung gemäß der siebenstufigen Geruchsintensitätsskala nach DIN ISO 16000-30 [4] vornahm.

3.3 Materialanalytik

Im Verlaufe der Untersuchungen wurden einmalig jeweils zwei Materialproben der Bodenbeläge aus Raum 12 und 130 entnommen. Von diesen Proben wurde jeweils eine Materialprobe pro Raum auf 40 bzw. 60 °C erhitzt. Die bei der thermischen Extraktion freiwerdenden flüchtigen Verbindungen wurden durch einen Trägergasstrom auf ein Tenax-Röhrchen überführt. Die anschließende Analyse erfolgte nach Thermodesorption mittels GC-MS. Die Ergebnisse sollten Hinweise liefern, ob in der Raumluft auffindbare Substanzen möglicherweise im Bodenmaterial zu finden sind und dieses als Quelle somit überhaupt infrage kommt.

4 Ergebnisse

4.1 Messwerte

In den Tabellen 1 und 2 sind die Konzentrationen von TVOC, 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol angegeben. 1-Isooctanol war in den untersuchten Luftproben nicht nachweisbar.

Tabelle 1. 1-Nonanol-, 6-Methyl-1-octanol- und TVOC-Werte in Raum 12. Regelwerk

Tabelle 1. 1-Nonanol-, 6-Methyl-1-octanol- und TVOC-Werte in Raum 12. Regelwerk

Tabelle 2. 1-Nonanol-, 6-Methyl-1-octanol- und TVOC-Werte in Raum 130.

Tabelle 2. 1-Nonanol-, 6-Methyl-1-octanol- und TVOC-Werte in Raum 130.

Der Anteil der Summe der Verbindungen 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol am TVOC-Wert schwankte bei der Messreihe in Raum 12 zwischen 18 und 41 % mit einem Mittelwert von 33 %. In Raum 130 schwankte der ent­sprechende Stoffanteil zwischen 11 und 21 % mit einem Mittelwert von 17 %.

Zusätzlich wurde geprüft, welche Stoffe bei mindestens der Hälfte der Messungen in Konzentrationen > 5 µg/m3 nachzuweisen waren. Für Raum 12 wurden die Substanzen Aceton, Decamethylcyclopentasiloxan, Hexansäure, 2-Ethylhexanol, 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol und für Raum 130 die Substanzen Aceton, Hexansäure, 2-Ethylhexanol, 1-Nonanol, 6-Methyl-1-octanol, 1-Propanol, 2-Propanol, 1-Butanol, 2-Butanon, 2-Butoxyethoxyethanol, Butansäure, Hexamethylcyclotrisiloxan, Hexanal, Propionsäure und Propylenglykol ermittelt. Als Schnittmenge der genannten Stoffe waren somit Aceton, Hexansäure, 2-Ethylhexanol, 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol zu finden.

4.2 Olfaktorische Einschätzung

Messbegleitend erfolgte bei acht der zwölf Messungen eine qualitative olfaktorische Intensitätseinschätzung. Im Mittel der acht olfaktorischen Messungen betrugen die Intensitätswerte 4,4 bzw. 3,9 für Raum 12 bzw. Raum 130, nach einer ca. zehnminütigen Adaptierung noch 3,4 bzw. 3,1.

4.3 Materialanalyse

In den 60-°C-Proben der beiden Räume waren 6-Methyl-1-octanol und 1-Nonanol nachweisbar, in Raum 130 in höherer Konzentration als in Raum 12. Bei den 40-°C-Proben war ein Nachweis der beiden Substanzen nur für Raum 130 gegeben.

5 Diskussion

Die TVOC-Werte lagen insgesamt auf einem niedrigen, unauffälligen Niveau: in Raum 12 zwischen 158 und 403 µg/m3 mit einem Mittelwert von 250 µg/m3 und in Raum 130 zwischen 216 und 467 µg/m3 mit einem Mittelwert von 320 µg/m3. Die Messungen erfolgten unter Ausgleichsbedingungen, wobei davon auszugehen ist, dass unter diesen Umständen höhere Konzentrationen ermittelt werden als unter Nutzungsbedingungen. TVOC-Vergleichswerte für Messungen unter Nutzungsbedingungen sind in der „Handreichung“ der Ad-hoc-Arbeitsgruppe [5] aufge­führt. TVOC-Werte bis 300 µg/m3 sind dort als „hygienisch unauffällig“ und Konzentrationen von 300 bis 1 000 µg/m3 als „hygienisch noch unbedenklich“ eingestuft.

Trotz der relativ niedrigen TVOC-Werte lagen deutliche Geruchswahrnehmungen mit einer Intensitätsstufe von ca. „4“ vor, die über die ca. dreimonatige Messperiode nur geringfügig schwankte. Die Stufe „4“ auf der Intensitätsskala der DIN ISO 16000-30 [4] entspricht der Geruchsstärke „stark“. Erwartungsgemäß fand nach einigen Minuten Aufenthalt in den Räumen eine Adaptierung und damit einhergehend eine Absenkung der Intensitätswahrnehmung statt, die aber mit einem Wert von ca. „3“, d. h. gemäß Skalenbezeichnung „deutlich“, immer noch eindeutig ge­geben war.

Berichten über die Ergebnisse von Prüfkammeruntersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) sowie des schwedischen Lund-Institut of Technology [1; 2] konnte entnommen werden, dass 1-Nonanol, 6-Methyl-1-octanol sowie Isooctanol als Sekundäremissionen nach Verlegung von PVC-Böden auftreten können. Im schwedischen Untersuchungsbericht [3] finden sich Hinweise, dass die Bildung von 1-Butanol oder 2-Ethylhexanol als sekundäre Emissionen vom pH-Wert des (alkalischen) Estrichs sowie des Feuchtigkeitsgehalts des Untergrunds abhängt. Bei Vorkommen des Weichmachers Diisononyl­phthalat (DINP) im PVC-Boden wurden Isooctanol, 6-Methyl-1-octanol und 1-Nonanol gefunden.

Der einzig erkennbare relevante Unterschied der beiden untersuchten Räume besteht in der Lage: Raum 12 liegt im Erdgeschoss über einem Kriechkeller, was vermuten lässt, dass die Bodenfeuchte höher liegen könnte als im Raum 130 im ersten Obergeschoss.

In Vergleichsquellen [6 bis 9] fanden sich wenige Hinweise auf positive 1-Nonanol- und keine auf 6-Methyl-1-octanol-Befunde in realen Räumen. In einer Auswertung des Umweltbundesamtes (UBA) von Daten der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) [6] finden sich für 1-Nonanol sechs Messwerte über der Bestimmungsgrenze (BG) bei 155 Messungen. Als Maximalwert wird ein Wert von 35 µg/m3 genannt, als 95. Perzentil ein Wert von 0,5 µg/m3. In der Aktualisierung der AGÖF-Messwertliste von 2013 [7] findet sich bei 1 759 Messungen ein 90. Perzentil von < 0,5 µg/m3 ohne weitere Angaben zu Werten über der BG.

Die Untersuchungen zeigen, dass die unter speziellen Laborbedingungen ermittelten, intensiv riechenden Substanzen 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol auch in der Luft von Büroräumen nachgewiesen werden können. Durch den Nachweis dieser beiden Verbindungen halbierte sich der Anteil der nicht identifizierten Verbindungen (TVOCunid) der Messung vom 22. Januar 2014 in einer Neuauswertung des Chromatogramms von 88 auf 44 µg/m3.

6 Zusammenfassung

Bei allen Messungen wurden mit 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol geruchlich intensiv wahrnehmbare Substanzen in einem hohen relativen Anteil am TVOC gefunden. Bei den genannten Stoffen handelt es sich um Sekundäremissionen, die durch Umwandlungsprozesse nach Abschluss der Bodenverlegearbeiten entstanden sind. In den vergleichend herangezogenen Übersichtslisten von Raumluftmessungen waren keine Vergleichsangaben für 6-Methyl-1-octanol und nur wenige Hinweise auf positive 1-Nonanol-Ergebnisse angegeben.

PVC leistet einen hohen Diffusionswiderstand gegen Emissionen (bzw. Sekundäremissionen) aus dem Bereich unterhalb des Bodenbelags. In Untersuchungen der Universität Lund wurde im Rahmen von Langzeituntersuchungen mit bis zu vierjähriger Dauer gezeigt, dass Stoffe durch den PVC-Boden hindurch emittieren können.

Die untersuchten Räume unterschieden sich im ermittelten Stoffspektrum. Im Referenzraum 130 wurde eine größere Zahl von Verbindungen gefunden, die in mindestens der Hälfte der Messungen mit Konzentrationen > 5 µg/m3 zu finden waren. Der Mittelwert der TVOC-Ergebnisse lag in Referenzraum mit 320 µg/m3 im Mittelwert der Messungen geringfügig höher als im Untersuchungsraum 12 mit 250 µg/m3.

Ein deutlicherer Unterschied besteht in der Konzentration der neu nachgewiesenen Stoffe 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol. In Raum 130 lag der mittlere Anteil dieser Substanzen an TVOC bei 17 % und in Raum 12 fast doppelt so hoch bei 33 %.

7 Weitere Überlegungen

Es wäre interessant zu wissen, ob die in dieser Messreihe ermittelten Substanzen auch bei Messungen in anderen, geruchlich auffälligen Räumen zu finden sind, die mit PVC oder anderen diffusionsdichten Fußbodenbelägen ausgestattet sind.

Eine Wiederholung der Messreihe für den Vergleichszeitraum April bis Ende Juni 2015 wird geprüft. Ziel der Untersuchung ist die Feststellung des weiteren Konzentrationsverlaufs der TVOC-Komponenten, insbesondere von 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol, die als mengenmäßig bedeutsame Stoffanteile an TVOC einen deutlichen Anteil an den Geruchswahrnehmungen der Raumnutzer haben.

Literatur

[1] Gesundheitlich-hygienische Beurteilung von Geruchsstoffen in der Innenraumluft mithilfe von Geruchsleitwerten. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 57 (2014) Nr. 1, S.148-153. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/ medien/378/dokumente/geruchsleitwerte_2014.pdf

[2] Wilke, O.; Jann, O.; Brödner, D.: Untersuchung und Ermittlung emissionsarmer Klebstoffe und Bodenbeläge. UBA-Texte 27/03. Hrsg.: Umweltbundesamt. Berlin 2003. www. umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2278.pdf

[3] Alexanderson, J.: Passive flux sampling – a new method for measuring emissions from floor constructions. Report TVBM- 3154. Hrsg.: Lund university. Lund 2010. http://lup.lub.lu.se/luur/download? func=downloadFile&recordOId=1658891& fileOId=1658895

[4] DIN ISO 16000-30 (Entwurf): Innenraumluftverunreinigungen – Teil 30: Sensorische Prüfung der Innenraumluft. Berlin: Beuth 2012.

[5] Beurteilung von Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz- und Richtwerten. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 50 (2007) Nr. 7, S. 990-1005. www. umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/ Handreichung.pdf

[6] Vergleichswerte für flüchtige organische Verbindungen (VOC und Aldehyde) in der Innenraumluft von Haushalten in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 51 (2008) Nr. 1, S. 109-12.

[7] von Hahn, N.; Van Gelder, R.; Breuer, D.; Hahn, J.-U.; Gabriel, S.; Kleine, H.: Ableitung von Innenraumarbeitsplatz- Referenzwerten. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 71 (2011) Nr. 7/8, S. 314-322.

[8] Hofmann, H.; Plieninger, P.: Bereitstellung einer Datenbank zum Vorkommen von flüchtigen organischen Verbindungen in der Raumluft. WaBoLu-Heft 05/08. Hrsg.: Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau 2008. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3637.pdf

[9] AGÖF-Orientierungswerte für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft. Aktualisierte Fassung vom 28. November 2013. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V. (AGÖF). http://agoef.de/agoef/oewerte/ orientierungswerte.html

Von H. Grams, E. Gierden, P. Tenhaken

Dipl.-Biol. Herbert Grams, Dipl.-Chem.-Ing. (FH) Edith Gierden, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Hannover. Dipl.-Ing. Peter Tenhaken, Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück, Osnabrück.