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Langfristige Untersuchung möglicher Umweltwirkungen 01.04.2015, 00:00 Uhr

Biomonitoring mit Grünkohl und Graskultur im Umfeld des zukünftigen Flughafens Berlin Brandenburg

Zusammenfassung Biomonitoring mit Grünkohl und Graskultur ist, neben Luftgütemessungen und Bienenmonitoring, ein Baustein des Umwelt-Untersuchungsprogramms am Flughafen Schönefeld, künftig Berlin Brandenburg. Mit standardisierter Exposition von pflanzlichen Bioindikatoren können die Anreicherungen von Luftschadstoffen – Immissionswirkungen – gezielt untersucht werden. Gleichzeitig liefert das Biomonitoring eine Aussage zum Gefährdungspotenzial für Nahrungskette und Mensch. Die Messungen 2011 bis 2013 zeigen, dass der Flughafen Schönefeld keinen relevanten Einfluss auf die Immissionswirkungen in der Region hat. Die Ergebnisse der Grünkohl- und der Graskulturuntersuchungen auf PAK sowie Spuren- und Schwermetalle korrespondieren gut miteinander. Die Messwerte liegen flughafennah wie -fern in vergleichbarer Größenordnung, unterhalb der herangezogenen Höchst- bzw. Prüfwerte. Saisonale Effekte, die sich teilweise von Hintergrundwerten abheben, können aufgrund geeigneter Auswahl der Messpunkte differenziert und identifiziert werden. Hierzu zählen beim Grünkohl gegenüber dem Hintergrund erhöhte PAK-Gehalte 2011, verursacht durch eine außergewöhnliche Trockenperiode mit überdurchschnittlicher Staubexposition, sowie vereinzelt erhöhte Schwermetallgehalte 2011 und 2012 an der nicht betriebenen Südbahn des Flughafens, die lokalem Einfluss von Kfz-Verkehr zuzuordnen sind. Bei den Untersuchungen der Graskulturen im Mai 2012 und 2013 konnten über den Hintergrund erhöhte PAK-Gehalte auf den Einsatz von Kleinfeuerungsanlagen aufgrund der kalten Witterung zurückgeführt werden. Die Messungen belegen, dass standardisiertes Biomonitoring eine belastbare und differenzierte Bewertung der Immissionswirkungen im Untersuchungsgebiet ermöglicht. Die Untersuchungen von Lebens- und Futtermittel liefernden Pflanzen im Rahmen des Biomonitorings erleichtern den Anliegern das Einordnen der Ergebnisse und stellen einen stärkeren Bezug her als punktuell erhobene Konzentrationsmessungen von Luftschadstoffen allein. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen zur fundierten Datengrundlage bei, die in die Fortentwicklung der Richtlinienreihe VDI 3957 zum Einsatz pflanzlicher Bioindikatoren eingeht und in die Neuentwicklung der Richtlinienreihe VDI 3857 über Beurteilungswerte für immissionsbedingte Luftschadstoffanreicherungen.

Bild 3. Graskulturernte am Messpunkt MP11 Siedlung Schulzendorf an einer Grundschule.  Bild: Günter Wicker

Bild 3. Graskulturernte am Messpunkt MP11 Siedlung Schulzendorf an einer Grundschule.  Bild: Günter Wicker

1 Langfristige Untersuchung von Luftqualität und Umweltwirkungen des Luftverkehrs

Berlin ist mit den Flughäfen Berlin-Tegel im Norden und Schönefeld im Südosten der drittgrößte Flughafenstandort in Deutschland. Am Flughafen Schönefeld mit derzeit rund 7 Mio. Fluggästen entsteht der neue Flughafen Berlin Brandenburg BER. Beim Betrieb eines Flughafens, bei Starts und Landungen und dem flughafeninduzierten Kfz-Verkehr werden Luftschadstoffe freigesetzt. Um die Luftqualität und die Umweltwirkungen dieser Prozesse langfristig zu untersuchen, hat die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH im Jahr 2011 ein freiwilliges Umweltuntersuchungsprogramm aufgelegt: Am Flughafen Schönefeld, dem künftigen BER, werden Luftgütemessungen, Bienenmonitoring und Biomonitoring mit Pflanzen betrieben [1]. Mit einer Luftgütemessstelle auf dem Flughafengelände werden die für Verkehr typischen Immissionen technisch überwacht. Der Fokus des öffentlichen Interesses liegt dabei weniger auf Luftschadstoffkonzentrationen auf dem Flughafenvorfeld, sondern auf Umweltwirkungen des Luftverkehrs im Umfeld des Flughafens. Bei einem Bienenmonitoring werden regional produzierter Honig, Pollen und Waben aus dem Umfeld des Flughafens auf Luftschadstoffrückstände analysiert. Beim Biomonitoring mit Pflanzen als weiterem Programmbaustein werden mit standardisierter Exposition von Grünkohl und standardisierter Graskultur [2; 3] die Verbreitung von Luftschadstoffen und deren immissionsbedingte Anreicherungen – Immissionswirkungen – untersucht.

Mit den Lebens- und Futtermittel liefernden pflanzlichen Bioindikatoren nimmt sich das Biomonitoring der vorrangigen Bürgerfragen an, ob und welche Schadstoffe wirklich in der Umwelt und der Nahrungskette ankommen und welchen Anteil der Luftverkehr daran hat. Eine differenzierte Auswahl der untersuchten Stoffe und der Messpunkte am Flughafen und im weiteren Umfeld sind Voraussetzung, um Belastungen und Luftschadstoffquellen zu identifizieren. Anders als mit punktuellen Konzentrationsmessungen von Luftschadstoffen kann mit einem Biomonitoring zudem das Gefährdungspotenzial für die Nahrungskette und den Menschen in einer für die Bürger anschaulichen Weise abgeleitet werden [4]. Das freiwillige Umwelt-Untersuchungsprogramm ist langfristig angelegt: Es startete 2011 als Vorbelastungsuntersuchung an zehn Messpunkten im Umfeld des Flughafens Schönefeld. Die Untersuchungen wurden jährlich in einer für den interessierten Laien aufbereiteten Form veröffentlicht. Sie werden nach Eröffnung des BER fortgesetzt, um mögliche Veränderungen der Luftqualität zu dokumentieren.

2 Biomonitoring von Immissionswirkungen im Umfeld des Flughafens Schönefeld

2.1 Untersuchung von Metall- und PAK-Anreicherungen in Lebensmittel- und Futtermittelvertretern

Untersuchungsgegenstand sind Immissionswirkungen von polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und den Spuren- und Schwermetallen Antimon, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Nickel und Zink. Sie stammen vorrangig aus Verbrennungsprozessen, z. B. aus Industrie, häus­licher Kleinfeuerung (Hausbrand), Bahn-, Kfz- und Flugverkehr, sowie z. B. aus Reifenabrieb und Staubverwehungen und können auf den Menschen gesundheitsschädlich wirken. Für das Biomonitoring werden Grünkohl- und Graskultur-Normverfahren eingesetzt [2; 3]: Gras als Vertreter von Vegetation und Futtermitteln und Grünkohl als Lebensmittel des Menschen. Die Bioindikatorkulturen werden ohne Vorbelastungen standardisiert angezogen und im Untersuchungsgebiet bestimmte Zeit aufgestellt. Grünkohl war im Oktober bis November 2011 und 2012 jeweils achtwöchig exponiert. Standardisierte Graskulturen waren im Mai 2012 und im Mai, Juni und Juli 2013 jeweils vierwöchig vor Ort aufgestellt. Während der Exposition reichern die Bioindikatoren die Schadstoffe aus der Luft an. Danach werden sie geerntet. Die Bioindikator-Pflanzenproben werden ungewaschen analysiert. Für die Metallbestimmung werden sie bei 30 °C getrocknet und der Trockenrückstand wird bestimmt [5]. Die homogenisierten Proben werden unter Hochdruck mit Salpetersäure aufgeschlossen und nach DIN EN 15763 [6] mittels Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) untersucht. Zur PAK-Bestimmung werden die Pflanzenproben gefriergetrocknet, homogenisiert und in Anlehnung an DIN ISO 12884 [7] mittels hochauflösender Gaschromatographie (HRGC), massenselektiver Detektion (MSD, niederauflösende Massenspektrometrie) sowie unter Verwendung der Isotopenverdünnungsmethode analysiert.

2.2 Untersuchungsgebiet und Bewertungskonzept

Untersuchungsgebiet und Messpunkte (MP1 bis MP11) im Umfeld des Flughafens wurden in Anlehnung an die VDI-Richtlinie für emittentenbezogenes Biomonitoring [8] ausgewählt (Bild 1 und Tabelle 1):

Bild 1. Messpunkt-Verteilung. Die Messpunkte MP1 bis MP11 sind in Tabelle 1 beschrieben. Integrierte Balkendiagramme: PAK-Gehalte in Graskulturen 2012 und 2013 im Untersuchungsgebiet. Der Orientierungswert (OmH: orange Linie) als Schwelle für den Hintergrundgehalt beträgt 56 µg/kg Trockenmasse für die Summe der 16 EPA-PAK [15]. PAK-Gehalte oberhalb OmH (blaue Balken) wurden im Mai 2012 (nur an MP1, MP4, MP5) und Mai 2013 gemessen, unterhalb OmH (grüne Balken) im Wesentlichen im Juni und Juli 2013.

Bild 1. Messpunkt-Verteilung. Die Messpunkte MP1 bis MP11 sind in Tabelle 1 beschrieben. Integrierte Balkendiagramme: PAK-Gehalte in Graskulturen 2012 und 2013 im Untersuchungsgebiet. Der Orientierungswert (OmH: orange Linie) als Schwelle für den Hintergrundgehalt beträgt 56 µg/kg Trockenmasse für die Summe der 16 EPA-PAK [15]. PAK-Gehalte oberhalb OmH (blaue Balken) wurden im Mai 2012 (nur an MP1, MP4, MP5) und Mai 2013 gemessen, unterhalb OmH (grüne Balken) im Wesentlichen im Juni und Juli 2013.

 
Tabelle 1. Beschreibung der Messpunkte (MP) im Untersuchungsgebiet (vgl. Bild 1). NSG: Naturschutzgebiet

Tabelle 1. Beschreibung der Messpunkte (MP) im Untersuchungsgebiet (vgl. Bild 1). NSG: Naturschutzgebiet

Messpunkte unmittelbar und im Gradienten am Flughafen Schönefeld (MP1 bis MP3, MP5 bis MP6, MP8, MP10), an der Autobahn (MP2), in Siedlungen (MP9 bis MP11) und landwirtschaftlichen Bereichen (MP1 bis MP8) – sowie zwei Referenzmesspunkte abseits von Quellen (MP4, MP7), die die regionale Hintergrundbelastung repräsentieren. Mit den Messpunkten in Schönefeld und Schulzendorf sind die Bürger in besonderem Maße angesprochen (Bilder 2 und 3): Jeweils auf einem Schul­gelände befindlich informieren MP9 und MP11 die Anwohner über die Auswirkungen in ihrem Wohnumfeld.

Normgerechte Standardisierung, versierte Messpunkteauswahl, valide Spurenanalytik und nicht zuletzt geeignete aktuelle Beurteilungswerte stellen aussagekräftige und reproduzierbare Ergebnisse sicher [9]. Immissionswirkungen an unterschiedlichen Messpunkten können unmittelbar miteinander und mit der regionalen Hintergrundsituation ver­glichen werden. Die Bewertung wird durch Vergleich mit anderen aktuellen Untersuchungen, mit überregional gültigen Orientierungswerten (OmH, Orientierungswerte für die maximale Hintergrundbelastung) als Schwelle für Hintergrundgehalte und mit Prüfwerten im Hinblick auf Höchstgehalte in Futtermitteln und Lebensmitteln komplettiert [10 bis 20].

Im Biomonitoringbericht 2011 bis 2013 sind die bisherigen Ergebnisse aus dem Umfeld des zukünftigen Flughafens Berlin Brandenburg detailliert dargelegt [10]. Nachfolgend werden einige Ergebnisse exemplarisch herausgestellt und in Bezug zur Fortentwicklung der Verfahrensanwendung gesetzt.

3 Immissionsbedingte Anreicherungen von PAK und von Metallen in Grünkohl

Für organische Luftschadstoffe wie PAK ist die standardisierte Exposition von Grünkohl ein etabliertes Verfahren [2]. Für das Biomonitoring 2011 und 2012 im Umfeld des Flughafens Schönefeld wurde Grünkohl auch auf Metalle untersucht. Metalle wurden in gleichartigem Grünkohl-Biomonitoring bislang selten untersucht, z. B. [11], oder aber in modifizierten Grünkohlverfahren, z. B. [12]. Das Interesse an Metallanreicherungen in Grünkohl als Lebensmittelvertreter besteht allerdings genauso wie das an organischen Luftschadstoffen.

Im Jahr 2012 waren im Umfeld des Flughafens Schönefeld die Gehalte aller in Grünkohl untersuchten Stoffe (Tabelle 2) mit den Ergebnissen bisheriger Untersuchungen [10 bis 12] gut vergleichbar.

Tabelle 2. Metall- und PAK-Gehalte in Grünkohl 2011 und 2012. Ein Orientierungswert (OmH) als Schwelle für den Hintergrundgehalt ist für die Summe der 16 EPA-PAK definiert: 0,33 mg/kg Trockenmasse (TM); PAK-Gehalte oberhalb OmH plus 30 % [15] sind orange unterlegt, Stoffgehalte oberhalb Hintergrundgehalten ver­fahrensgleicher Untersuchungen [10; 11] sind grau unterlegt, unterstrichene Gehalte sind im jahresweisen Messpunktevergleich signifikant erhöht. Die Metall- und PAK-Gehalte an den Messpunkten MP1 und Parallelmesspunkt MP1p sowie MP4 und MP4p sind jeweils als Mittelwert angegeben.

Tabelle 2. Metall- und PAK-Gehalte in Grünkohl 2011 und 2012. Ein Orientierungswert (OmH) als Schwelle für den Hintergrundgehalt ist für die Summe der 16 EPA-PAK definiert: 0,33 mg/kg Trockenmasse (TM); PAK-Gehalte oberhalb OmH plus 30 % [15] sind orange unterlegt, Stoffgehalte oberhalb Hintergrundgehalten ver­fahrensgleicher Untersuchungen [10; 11] sind grau unterlegt, unterstrichene Gehalte sind im jahresweisen Messpunktevergleich signifikant erhöht. Die Metall- und PAK-Gehalte an den Messpunkten MP1 und Parallelmesspunkt MP1p sowie MP4 und MP4p sind jeweils als Mittelwert angegeben.

Im Jahr 2011 waren hingegen deutlich höhere Antimon-, Arsen-, Blei-, Chrom- und PAK-Gehalte im Grünkohl im Vergleich zum Messabschnitt 2012 festgestellt worden. Die Metallgehalte lagen aber auch 2011 sämtlich unter den Prüfwerten und Höchstmengen für Lebensmittel [18 bis 20]. Orientierungswerte für Hintergrundgehalte in Grünkohl liegen für Metalle bislang nicht vor. Für PAK mit der Leitsubstanz Benzo(a)pyren sind aktuell keine gesetzlichen Höchstmengen für Gemüselebensmittel definiert. Die PAK-Ergebnisse sind wie die der Metalle jedoch nicht als hoch zu werten. Die immissionsbedingten PAK-Anreicherungen lagen 2011 zwar über dem vorgegebenen langfristigen Orientierungswert für Hintergrundgehalte ([15], in Tabelle 2 orange unterlegt), aber in einem Bereich, der als typisch für innerörtliche PAK-Immissionswirkungen gilt [10 bis 12]. Im Jahr 2012 lagen fast alle PAK-Gehalte in Grünkohl im Hintergrundbereich.

Wie erklären sich die teilweise deutlich höheren Stoffgehalte in Grünkohl 2011 im Vergleich zu 2012? Wie bei zahlreichen Immissionsuntersuchungen deutschlandweit wurden auch an der Luftgütemessstelle Schönefeld überdurchschnittliche Feinstaubeinträge während der außer­gewöhnlichen Trockenperiode im November 2011 beobachtet. Diese Trockenheit bedingte vermehrte Staubablagerungen auch auf den Grünkohlblättern. Oktober und November 2011 waren zudem von Ostwindlagen geprägt, verbunden mit Luftschadstoff-Ferntransport aus östlicher gelegenen Regionen und vermutlich auch aus dem benachbarten Polen [10]. Die Witterungsfaktoren liefern also eine plausible Erklärung für den saiso­nalen Effekt.

4 Differenzierung von Luftschadstoff­quellen mit Grünkohl und Graskulturen

An Messpunkt MP2 (unmittelbar an der Autobahn A113) und teilweise auch an MP1 und MP1p (am Flughafenzaun östlich der Südbahn; MP1p: Parallelmesspunkt zu MP1) waren die PAK-Gehalte sowie die Chrom- und Antimongehalte in Grünkohl 2011 und 2012 deutlich über den Hintergrundbereich erhöht (Tabelle 2: grau unterlegt; unterstrichen, wenn signifikant). Chrom und PAK sind typisch für Verkehrsquellen. Antimon gelangt aus Abrieb von Bremsbelägen in die Umwelt. Als Immissionsquelle konnte somit Kfz-Verkehr identifiziert werden, da nicht nur an Messpunkt MP2, sondern auch an MP1 und MP1p Kfz-Verkehrseinfluss u. a. von Baustellenverkehr vorlag, während die Flughafen-Südbahn noch nicht im Betrieb war.

Im Jahr 2011 waren auch an MP3 über den Hintergrundbereich erhöhte PAK-, Chrom- und Antimongehalte in Grünkohl festzustellen. Eine lokal wirksame Quelle war hierfür mutmaßlich verantwortlich. Die Messpunktverlagerung um ein paar Hundert Meter weiter von dieser Quelle weg führte zu einer Reduzierung der Werte an MP3 bis in den Hintergrundbereich im Jahr 2012.

Die PAK-Gehalte in Graskulturen lagen im Juni und Juli 2013 (in Bild 1: grüne Balken) unterhalb des OmH ([15], in Bild 1: orange Linie) als Schwelle, die aktuell den Hintergrund gegenüber Immissionseinflüssen abgrenzt. Die PAK-Immissionswirkungen in Graskulturen im Mai 2012 und 2013 übertrafen den OmH am Flughafen, in Siedlungen und im ländlichen Bereich gleichermaßen (in Bild 1: blaue Balken). Der Betrieb häuslicher Kleinfeuerungsanlagen stellt, neben Verkehr, eine Hauptquelle für PAK-Immissionen dar. Die kalte Witterung im Mai beider Jahre dürfte deren Betrieb nötig gemacht haben. Somit weist das Ergebnis auf den saisonalen überregionalen Immissionseinfluss der häuslichen Kleinfeuerungsanlagen hin.

Die Höhe der Stoffgehalte in Graskulturen ist nicht mit der in Grünkohl vergleichbar, da beide Bioindikatoren spezifische Wuchsformen und Anreicherungseigenschaften aufweisen, zudem unterschiedlich lange vor Ort eingesetzt werden.

5 Aktuell keine Immissionswirkungen durch Luftverkehr und Flughafenbetrieb

Metalle wurden 2013 in standardisierten Graskulturen untersucht (ohne Darstellung, Detailergebnisse in [10]). Die Ergebnisse lagen deutlich unter den Höchstgehalten für Futtermittel entsprechender Richtlinien und Verord­nungen [16; 17]. Das korrespondiert mit den Grünkohl­ergebnissen (Tabelle 2). Die Prüfwerte und Höchstgehalte für Lebensmittel beziehen sich allerdings auf verzehrfertiges, also gewaschenes Gemüse. Der Bioindikator Grünkohl wird hingegen ungewaschen analysiert [2]. Das Biomonitoringverfahren kann also als Frühindikator für die Gefährdung des Schutzgutes Nahrung angesehen werden. Trotzdem lagen die Metallgehalte im Bioindikator Grünkohl unterhalb von Prüfwerten und Höchstgehalten für Gemüse-Lebensmittel [18 bis 20] – ein umso mehr als positiv zu wertendes Ergebnis.

Für PAK in Gemüse und Futtermittel sind keine gesetz­lichen Höchstmengen definiert. Deshalb werden andere Untersuchungen und der OmH für die Bewertung herangezogen. Die PAK-Gehalte der standardisierten Exposition von Grünkohl im Flughafenumfeld waren – abgesehen vom extrem niederschlagsarmen Herbst 2011 – mit denen vergleichbar, die bei Untersuchungen im Hintergrundbereich und innerorts auftreten (Tabelle 2). Das gilt auch für die PAK-Gehalte in Graskulturen 2012 und 2013. Im Sommer 2013 lagen sie sogar sämtlich im quellenfernen Hintergrundbereich (Bild 1).

Der Flughafen ist als eine gleichförmige potenzielle Luftschadstoffquelle anzusehen. Die beobachteten saisonalen PAK-Immissionswirkungen sind daher nicht dem Flug­hafenbetrieb zuzuordnen. Auch zeigten sich flughafennah keine höheren Stoffgehalte als flughafenfern.

6 Fortentwicklung von Umweltinformationen und von Standards

6.1 Aussagekräftige und relevante Informationen für die Bürger

Das zentrale und positive Ergebnis dieses emittenten­bezogenen Biomonitorings 2011 bis 2013: Der Flughafen Schönefeld hat keinen relevanten Einfluss auf Luftschadstoffwirkungen in der Region. Andere Quellen, lokal Kfz-Verkehr und saisonal Feuerungsanlagen, konnten differenziert werden. Von einem Gefährdungspotenzial für Futter- und Lebensmittel im Untersuchungsgebiet ist dabei nicht auszugehen. Raum- und Quellenbezug sind mit einer punktuellen Luftgütemessung nicht zu leisten. Vor allem aber ist der Bezug zur belebten Lebensumwelt der Bürger mit der technischen Luftgütemessung nicht herstellbar. Für die Bürger liefert das Biomonitoring – insbesondere durch die Messpunkte in ihrem direkten Wohnumfeld (MP9, Bild 2 und MP11, Bild 3) – daher anschauliche und relevante Antworten zu Auswirkungen von Luftschadstoffen in Nahrungskette und Lebensmitteln und zum Beitrag des Luftverkehrs.

Bild 2. Grünkohlexposition am Messpunkt MP9 Siedlung Schönefeld an einer Grundschule.   Bild: Günter Wicker

Bild 2. Grünkohlexposition am Messpunkt MP9 Siedlung Schönefeld an einer Grundschule.   Bild: Günter Wicker

 

Bild 3. Graskulturernte am Messpunkt MP11 Siedlung Schulzendorf an einer Grundschule.  Bild: Günter Wicker

Bild 3. Graskulturernte am Messpunkt MP11 Siedlung Schulzendorf an einer Grundschule.   Bild: Günter Wicker

In das freiwillige Umwelt-Untersuchungsprogramm war von Anfang an die Kommunikation mit den Bürgern integriert. Die Ergebnisse werden kontinuierlich und in einer allgemein verständlichen Form auf der Internetseite in der Umweltberichterstattung und Dialogforen des Airport Berlin Brandenburg veröffentlicht.

6.2 Verlässliche Bewertung mit Grünkohl sowie mit Gras­kultur für die Standardisierung

Für die Fortentwicklung von Standards leistet das Biomonitoring aktuell ebenfalls wesentliche Beiträge. Erstens fließen Konzeption und Ergebnisse in die derzeitige Überarbeitung der VDI-Richtlinie zum emittentenbezogenen Einsatz pflanzlicher Bioindikatoren ein [8]. Zweitens hat das Biomonitoring bestätigt, dass Grünkohl auch immissionsbedingte Anreicherungen von Metallen zuverlässig anzeigt. Die hier gewonnenen Daten ergänzen die Datengrundlage, die für die umfassende Bewertung der Immissionswirkungen in diesem Lebensmittelvertreter nötig ist. Sie unterstützen damit die methodische Fortentwicklung der VDI-Richtlinie zur standardisierten Exposition von Grünkohl [2], die sich bislang auf organische Luftschadstoffe beschränkt hatte. Drittens können die Ergebnisse in die Neuentwicklung von VDI-Richtlinien für OmH-Beurteilungswerte zu immissionsbedingten Stoffanreicherungen einfließen [13].

7 Perspektiven

Der Wert dieses freiwilligen Umwelt-Untersuchungsprogramms liegt in seiner langfristigen Ausrichtung. Die Untersuchungen werden daher in den kommenden Jahren kontinuierlich fortgeführt. So können mögliche Veränderungen der Luftqualität bei Betriebsänderungen dokumentiert werden, etwa der Eröffnung der Südbahn während der Sanierung der Nordbahn 2015, und Veränderungen nach Eröffnung des BER. Die Kommunikation mit den Bürgern wird dafür konsequent fortgesetzt werden.

Literatur

[1] Umweltbericht 2012. Hrsg.: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Berlin 2013.

[2] VDI 3957 Blatt 3: Biologische Messverfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Wirkung von Luftverunreinigungen auf Pflanzen (Bioindikation); Verfahren der standardisierten Exposition von Grünkohl. Berlin: Beuth 2008.

[3] VDI 3957 Blatt 2 (Entwurf): Biologische Messverfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Wirkung von Luftverunreinigungen auf Pflanzen (Bioindikation); Verfahren der standardisierten Graskultur. Berlin: Beuth 2013.

[4] Wäber, M.: Erfolgsgeschichte Biomonitoring – Zuverlässige Wirkungsmessungen plus überzeugende Öffentlichkeitsarbeit. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 68 (2008) Nr. 6, S. 223-226.

[5] DIN EN 12880: Charakterisierung von Schlämmen; Bestimmung des Trockenrückstandes und des Wassergehalts. Berlin: Beuth 2001.

[6] DIN EN 15763: Lebensmittel; Bestimmung von Elementspuren; Bestimmung von Arsen, Cadmium, Quecksilber und Blei in Lebensmitteln mit induktiv gekoppelter Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS) nach Druckaufschluss. Berlin: Beuth 2010.

[7] DIN ISO 12884: Außenluft; Bestimmung der Summe gasförmiger und partikelgebundener polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe; Probenahme auf Filtern mit nachgeschalteten Sorbenzien und anschließender gaschromatographischer/massenspektrometrischer Analyse. Berlin: Beuth 2000.

[8] VDI 3957 Blatt 10: Biologische Messverfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Wirkung von Luftverunreinigungen auf Pflanzen (Bioindikation); Emittentenbezogener Einsatz pflanz­licher Bioindikatoren. Berlin: Beuth 2004.

[9] Wäber, M.: Qualitätsmanagement bei der Anlagenüber­wachung mit aktivem Biomonitoring. Der Umweltbeauftragte 18 (2010) Nr. 3, S. 7-8.

[10] Wäber, M.: Graskultur-Biomonitoring 2013 im Umfeld des Flughafens Berlin Schönefeld – Gutachterliche Bewertung einschließlich Kurzzusammenfassung des Grünkohl-Biomonitoring der Untersuchungsjahre 2011 und 2012. Hrsg.: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Berlin 2014. www.berlin-airport.de/de/_dokumente/unternehmen/umwelt/Biomonitoring- Bericht-2011-2013.pdf

[11] Wäber, M.: Biomonitoring und Depositionsuntersuchungen in der Nachbarschaft des Flughafens München 2006 und 2007. Hrsg.: Flughafen München GmbH. München 2008. www. munich-airport.de/media/download/bereiche/umw/biom_ depober_0607.pdf

[12] Messprogramm zur Abschätzung der Schwermetallbelastung in Nahrungspflanzen im Umfeld der Firma Aurubis in Lünen – Nahrungspflanzenuntersuchungsergebnisse aus dem Jahre 2011. Hrsg.: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Recklinghausen 2012. www. lanuv.nrw.de/umwelt/schadensfaelle/andere/Luenen_ Untersuchungsergebnisse_2011_Mai2012.pdf

[13] VDI 3857 Blatt 2: Beurteilungswerte für immissionsbedingte Stoffanreicherungen in standardisierten Graskulturen; Orientierungswerte für maximale Hintergrundgehalte ausgewählter anorganischer Luftverunreinigungen. Berlin: Beuth 2014.

[14] 30 Jahre Immissionsökologie am Bayerischen Landesamt für Umwelt. Hrsg.: Bayerisches Landesamt für Umwelt. Augsburg 2009.

[15] Orientierungswerte für Metalle und organische Schadstoffe. Hrsg.. Bayerisches Landesamt für Umwelt. Augsburg 2015. www.lfu.bayern.de/umweltqualitaet/umweltbeobachtung/schadstoffe_luft/orientierungswerte/index.htm

[16] Futtermittelverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2013. BGBl. I, S. 2242.

[17] Richtlinienreihe VDI 2310 Blätter 27, 28, 30, 31, 35, 39: Maximale Immissions-Werte zum Schutz der landwirtschaftlichen Nutztiere. Berlin: Beuth.

[18] Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. ABl. EG Nr. L 364, S. 5.

[19] Verordnung (EU) Nr. 420/2011 der Kommission vom 29. April 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. ABl. EU Nr. L 111, S. 3.

[20] Verordnung (EU) Nr. 488/2014 der Kommission vom 12. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 bezüglich der Höchstgehalte für Cadmium in Lebensmitteln. ABl. EU Nr. L 138, S. 75.

Von M. Wäber, S. Aust, K. Johannsen, F. Pompe, J. Heimberg

Dr. rer. silv. Dipl.-Biol. Monica Wäber - UMW Umweltmonitoring, München.

Dipl.-Ing. Sebastian Aust, Dr.-Ing. Kai Johannsen, Dipl.-Ing. Jochen Heimberg - Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Flughafen Schönefeld, Berlin.

Dipl.-Ing. Frank Pompe - advizze managementberatung, München.