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+++ Exklusiver Fachbeitrag +++ 07.11.2022, 09:00 Uhr

Intelligentes Heimladen: Netzdienlich mit dynamischen Ladeplänen

In Großbritannien sollen private Ladestationen zukünftig nur noch zu bestimmten Zeiten genutzt werden, um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern. Ähnliche Maßnahmen könnten auch in Deutschland drohen. Eine neuartige intelligente AC-Ladeinfrastruktur berücksichtigt die aktuelle Netzbelastung, den Verbrauch weiterer Großverbraucher im Haus oder den selbst produzierten Strom.

Eine vernetzte Ladelösung sammelt Informationen über den Energieverbrauch im Smart Home und Hinweise zu kostengünstigen Stromtarifen. Foto: eSystems MTG

Eine vernetzte Ladelösung sammelt Informationen über den Energieverbrauch im Smart Home und Hinweise zu kostengünstigen Stromtarifen. 

Foto: eSystems MTG

Die Bundesregierung will die Elektromobilität kräftig vorantreiben. Laut Koalitionsvertrag soll es in Deutschland bis 2030 15 Millionen vollelektrische Pkw auf den Straßen geben. Das sind fünf Millionen mehr, als im optimistischsten Szenario der vorherigen Koalition. Diese Entwicklung erfordert nicht nur einen massiven Ausbau öffentlicher Ladestationen. Es werden auch völlig neue Konzepte für das Laden zu Hause benötigt. Denn wenn viele E-Autos gleichzeitig geladen werden, kommen die Stromnetze in ihrer jetzigen Ausbaustufe an ihre Überlastungsgrenze. Es droht ein Blackout. In Deutschland gibt es zwar (noch) keine Ladeverbote; Ladepunkte mit einer Ladeleistung über 11 kW müssen jedoch vom Netzbetreiber genehmigt werden. Wenn der Netzbetreiber um die Stabilität seines Netzes fürchtet, darf er den Antrag ablehnen. Noch eine weitere Möglichkeit hat er, um sein Netz zu schützen: Er darf den Ladevorgang steuern, wenn das Netz überlastet ist und der Anschlussbesitzer/die Anschlussbesitzerin im Gegenzug vergünstigte Strompreise erhält. So regelt es § 14 a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Das Problem: Mit der derzeit gängigen Rundsteuertechnik ist nur ein „An“ oder „Aus“ möglich. Bei „Aus“ wird der Ladevorgang vollständig unterbrochen. Eine Debatte um sogenannte Zwangs-Ladepausen ist bereits entbrannt. Nur intelligent vernetzte Ladetechnologien führen hier weiter.

Eigenstrom optimal nutzen, Netzbezug netzdienlich gestalten

Wenn das Laden von E-Autos verträglich für Stromnetze und Verbraucherinnen und Verbraucher werden soll, muss der Ladevorgang flexibler justierbar werden. Hinzu kommt: Viele E-Auto-Besitzerinnen und -Besitzer verfügen über eine Photovoltaik (PV)-Anlage. Sie wollen, dass ihr E-Auto bevorzugt mit diesem Strom geladen wird und nur der zusätzlich benötigte Strombedarf aus dem Netz kommt. Beides ist nur möglich mit intelligenten Ladesystemen, deren Grundlage ein dynamischer Ladeplan ist. Das intelligente Laden von E-Autos auf Basis von dynamischen Ladeplänen ist netzdienlich und zielgruppenfreundlich zugleich. Die bevorzugte Nutzung von Eigenstrom macht das Laden zudem besonders ökologisch und noch kostengünstiger.

Vollvernetzte Ladesysteme ermöglichen die Nutzung von Photovoltaik (PV)-Eigenstrom und tarifliches Laden (SMGW = Smart Meter Gateway; HEMS = Heim-Energiemanagement-System). Grafik: eSystems MTG

Ein dynamischer Ladeplan berücksichtigt die aktuelle Belastung des Netzes, den Verbrauch weiterer Großverbraucher im Haus, das Angebot variabler Stromtarife und die Menge an selbst produziertem Strom aus der PV-Anlage. Aus diesen Informationen berechnen das Heim-Energiemanagement-System, das Ladesystem und das E-Auto gemeinsam, wie das Auto geladen werden muss, um das Netz nicht zu überlasten und die Batterie dennoch zum gewünschten Zeitpunkt vollzuladen.

ISO 15118: Basis für vertrauensvolle Kommunikation

Voraussetzung für das Erstellen eines dynamischen Ladeplans ist die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladesystem. Dafür gibt es bereits eine Norm: Die ISO 15118. Sie ermöglicht es, dass E-Auto und Ladestation sich gegenseitig erkennen und verschlüsselt miteinander kommunizieren können. Was die wenigsten wissen: Das als „Plug & Charge“ bekannte Kernfeature der ISO 15118 bietet deutlich mehr, als das Autorisieren und die Abrechnung des Ladevorgangs. Die ISO 15118 legt die Basis für eine vertrauensvolle, verschlüsselte Kommunikation zwischen Auto und Ladestation und ermöglicht damit auch den Austausch von intelligenten Ladeplänen.

Die ISO 15118 legt die Basis für ein netz- und zielgruppenfreundliches Laden von E-Autos. Grafik: eSystems MTG

Während an öffentlichen Ladesäulen die Aspekte „Autorisierung“, „Authentifizierung“ und „Abrechnung“ zentral sind, liegt der Mehrwert von Plug & Charge beim privaten Ladevorgang beim Lademanagement – in der Norm als „load control“ bezeichnet. Nur wenn man auch diese Funktion umsetzt, macht man den Weg frei für ein intelligentes Laden.

Volles Programm beim intelligenten Laden

Die eSystems MTG GmbH hat diese Load-control-Funktion der ISO 15118 in einer AC-Ladeinfrastruktur realisiert. Das Unternehmen gehört zu dem börsennotierten Elektronikunternehmen Katek Group.

Gemeinsam mit Porsche hat eSystems für den „Taycan“ von Porsche und den „etron“ von Audi auf Basis der ISO 15118 eine Ladeinfrastruktur entwickelt, die das volle Programm des intelligenten Ladens ermöglicht: Nutzung von PV-Eigenstrom, tarifliches Laden und das Erstellen von Ladeplänen, die die Belastung des Haus- und Netzanschlusses berücksichtigen. Dieses mobile Ladekabel („In Cable Circuit Protection Device“, kurz ICCPD) wird als Serienausstattung mit den Fahrzeugen in über 130 Ländern weltweit ausgeliefert.

Kostengünstige Stromtarife nutzen

Ein intelligentes Ladesystem sammelt und verarbeitet verschiedenste Informationen: Solche über den Energieverbrauch im Smart Home, die 24-Stunden-Prognose eines Netzbetreibers zur Einspeisung der erneuerbaren Energien oder Hinweise zu kostengünstigen dynamischen Stromtarifen vom Energieversorger. Die Informationen fließen ein in eine sogenannte Anreiztabelle für ein zeitversetztes Laden. Mithilfe dieser Tabelle kann das Auto den dynamischen Ladeplan berechnen.

Mit einem intelligenten Ladevorgang ist auch der Weg frei für ein netzdienliches Steuern von Verbrauchseinrichtungen nach § 14 a des EnWG, ohne dass Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch Nachteile beim Laden haben. Gleichzeitig können sie die Preisvorteile aus den Entschädigungen nutzen. Der Netzbetreiber übermittelt dazu über einen Kommunikationskanal („Controllable Local System“, kurz CLS) sogenannte Limit-Werte für seine Netzlast über ein Smart Meter Gateway an die Wallbox oder ein Haus-Energiemanagement-System (HEMS). Mit der Lösung von eSystems lässt sich ein HEMS für das netzdienliche Laden einsparen. Die Leistungsbegrenzungen werden an das Fahrzeug weitergegeben und im Ladeplan berücksichtigt. Durch ein intelligentes Justieren des Ladevorgangs wird das Netz nicht überlastet.

Smart Home mit EEBus anbinden

Für die Anbindung von Smart-Home-Anwendungen wird ein weiterer Kommunikationsstandard benötigt: Das EEBus-Protokoll. Die PV-Anlage kann einer intelligenten Ladelösung oder einem HEMS mithilfe von EEBus mitteilen, wieviel Sonnenstrom aktuell zur Verfügung steht. Das E-Fahrzeug erstellt auf dieser Grundlage zusammen mit der Ladeinfrastruktur einen Ladeplan, der steuert, ob und wieviel Strom aus dem Netz hinzugefügt werden muss oder nicht.

Zukünftig werden auch weitere intelligente Funktionen beim Laden möglich sein. Dazu wird die ISO 15118 derzeit weiter angepasst. E-Autos sollen beispielsweise als Pufferspeicher dienen, wenn zu viel Strom im Netz ist. Dann nehmen sie diesen auf, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder an das Netz abzugeben. Für ein solches Vehicle-to-grid-Konzept hat eSystems bereits die Vorstufe implementiert. Man steht bereit für die Umsetzung weiterer Features der aktualisierten ISO 15118-20.

www.esystems-mtg.de

Von Jochen Paukert / Alexander Bourgett

Jochen Paukert, Geschäftsführer bei der eSystems MTG GmbH
Alexander Bourgett, Leiter Software-Entwicklung bei der eSystems MTG GmbH