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Steckersolargeräte 12.04.2023, 15:30 Uhr

Strom vom Balkon und aus dem Garten

Photovoltaik (PV)-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 800 Watt können die Stromrechnung senken. Sie werden einfach per Schukostecker mit dem eigenen Stromnetz verbunden.

Jeder Balkon kann zum Kleinkraftwerk werden. Foto: PantherMedia/Serdynska

Jeder Balkon kann zum Kleinkraftwerk werden.

Foto: PantherMedia/Serdynska

Auf Balkonen, Terrassen, Carports und Gartenhäuschen produzieren immer mehr Solarmodule Strom. Ende 2021 waren es rund 190 000 mit einer Gesamtleistung von 66 MW. Das haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) im vergangenen Jahr ermittelt. Gegenüber 2021 verzeichneten sie ein Plus von 64 %. Das Wachstum dürfte sich angesichts der hohen Strompreise noch beschleunigt haben, schätzt Nico Orth, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der HTW-Forschungsgruppe Solarspeichersysteme. „Bis heute sind auf jeden Fall mehr als 250 000 Anlagen dazugekommen“, glaubt er, wobei er sich allerdings nicht auf gesicherte Zahlen stützen kann. Damit dürfte die 400 000-er Marke überschritten sein. Da zunehmend leistungsstärkere Anlagen mit bis zu 800 W installiert werden liegt die Gesamtleistung bei mehr als 150 MW. Module mit einer Leistung von 600 W, die pro Jahr im günstigsten Fall 600 kWh im Wert von 240 € produzieren, gibt es bereits für 600 €.

Die Installation ist ein Kinderspiel

Zu komplizierter Anschluss, glauben viele, die diese Möglichkeit, Energie zu sparen, noch nicht nutzen. Was nicht ganz stimmt. Während bei großen Anlagen auf dem Dach, die einen Teil des erzeugten Stroms ins öffentliche Netz einspeisen, ein neuer Zähler installiert und die Anlage selbst von Fachleuten montiert und verkabelt werden muss, sind die Solarzwerge mit Schukosteckern ausgestattet, die einfach in die nächste Steckdose gesteckt werden. Der erzeugte Strom wird im Haushalt direkt verbraucht. Kühlgeräte sowie Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler sind direkte Abnehmer für den Strom, wobei die Großgeräte taktisch geschickt eingesetzt werden müssen, um den größten Nutzen aus dem eigenen Strom zu ziehen. Vorzugsweise sollten sie dann eingeschaltet werden, wenn die Sonne scheint.

Geld sparen ist ein wichtiges Motiv

Klimaschutz und Vorbildwirkung, Einfachheit bei Installation und Anschaffung sowie Geld sparen sind die wichtigsten Motive für die Anschaffung der sogenannten Steckersolargeräte, hat die HTW-Forschungsgruppe herausgefunden. Nach vier bis sechs Jahren haben sich die Module amortisiert.

Männlich und ein gehobenes Einkommen

Die Ergebnisse einer HTW-Umfrage zeigen, dass über 92 % der Nutzer und Nutzerinnen männlich und meist älter als 45 Jahre sind. Sie haben häufiger ein gehobenes Einkommen und meist einen akademischen Hintergrund. Dass Steckersolargeräte nur für Mieter und Mieterinnen interessant sind, bestätigte sich nicht. Die Nutzer und Nutzerinnen leben zumeist im Eigentum, etwa in Einfamilienhäusern und etwas häufiger in Landgemeinden. Nicht selten betreiben sie zusätzlich eine größere PV-Anlage. Mit 35 % am häufigsten werden die Module auf Flachdächern und im Garten montiert. Zweithäufigster Aufstellungsort ist der Balkon mit 32 %.

Fast die Hälfte versäumt die Anmeldung

Steckersolargeräte müssen beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister, das die Bundesnetzagentur (BNetzA)führt, angemeldet werden. Es gebe allerdings „begründete Zweifel, dass alle Nutzerinnen und Nutzer dieser Pflicht nachkommen“, so die HTW-Forschungsgruppe. Ein Drittel der Nutzer und Nutzerinnen gab an, sich entsprechend der Vorgaben zu verhalten. Knapp die Hälfte betreibt ihr Steckersolargerät inkognito. Als Gründe wurden Unwissenheit über die eigenen Pflichten, keine Vorteile durch eine Anmeldung, der Aufwand durch Komplexität oder eine ablehnende Haltung der Netzbetreiber genannt.

Es gibt keine technischen Risiken

Bereits in den 2000er-Jahren wurden solche Kleinanlagen in Österreich als „Solarkraftzwerge“ propagiert. In Deutschland wurden sie anfangs unter dem Namen „Guerilla-PV“ bekannt. Heute werden sie unter den Bezeichnungen „Balkonsolar“ oder „Steckersolar“ geführt. In der Schweiz kennt man sie inzwischen als „Plug&Play-Solaranlagen“. Technische Risiken bergen die Anlagen offenbar nicht. Bisher sei kein einziger Fall von Sachschäden oder verletzten Personen bekannt geworden, heißt es bei der Verbraucherzentrale in Deutschland. Das liege daran, dass „die verwendete Technik ausgereift“ sei, und die gleichen Komponenten verwendet würden, die auch in professionell installierten PV-Anlagen stecken.

Austausch der Sicherung empfehlenswert

Wer ein Steckersolargerät anschließt, sollte allerdings die Sicherung des entsprechenden Stromkreises austauschen. „Statt 16 sollten es nur noch 13 Ampere sein“, sagt Sebastian Müller, der mit Mitstreitern im Jahr 2021 in Freiburg im Breisgau den Verein „Balkon.Solar e. V.“ gegründet hat. Wenn an den Stromkreis, in den der Steckersolar-Strom eingespeist wird, allerdings niemals größere Verbraucher angeschlossen werden, kann man auf den Sicherungstausch verzichten.

Von Wolfgang Kempkens