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Stromversorgung 25.04.2022, 14:43 Uhr

Premiere für ein Wasserstoff-Kraftwerk

Grünes Gas soll, wenn Wind und Sonne Pause machen, in Strom zurückverwandelt werden, um das Netz zu stabilisieren. In Schwarze Pumpe gibt es ab 2024 einen Probelauf für Großanlagen.

Seit 2011 erzeugt Enertrag im Hybridkraftwerk mittels Elektrolyse aus Windstrom grünen Wasserstoff, der unter anderem zu Heizzwecken, zur Betankung von Pkw und Bussen und in industriellen Prozessen eingesetzt wird. Im geplanten Speicherkraftwerk in Spremberg wird er vor allem zur Rückverstromung genutzt. Foto: Enertrag

Seit 2011 erzeugt Enertrag im Hybridkraftwerk mittels Elektrolyse aus Windstrom grünen Wasserstoff, der unter anderem zu Heizzwecken, zur Betankung von Pkw und Bussen und in industriellen Prozessen eingesetzt wird. Im geplanten Speicherkraftwerk in Spremberg wird er vor allem zur Rückverstromung genutzt.

Foto: Enertrag

Ob Ampel oder Schwarz-Rot: Der Glaube, dass Erdgas es in Deutschland schon richten werde, wenn Wind und Sonne mal ausbleiben, war unerschütterlich. Stromspeicher haben nur ein paar Unternehmen aufgebaut, die wenigstens für ein bisschen mehr Sicherheit sorgen wollten. Jetzt scheint der Traum geplatzt, Ersatz für russisches Erdgas ist nicht in Sicht. Wohl aber ein neues Projekt zur Pufferung von elektrischer Energie.

In Schwarze Pumpe, einem Ortsteil der brandenburgischen Stadt Spremberg im Landkreis Spree-Neiße an der Grenze zu Sachsen, der zwei der modernsten Baunkohlekraftwerke der Welt beherbergt, dazu mit der „BigBattery“ eine der größten Batterien Deutschlands, die Stromlücken schließen kann, wird Deutschlands erstes Wasserstoff-Kraftwerk gebaut. Die Batterie hat eine nutzbare Kapazität von 53 MWh, das geplante Wasserstoff-Kraftwerk kommt auf eine Leistung von 1 MW. Bauherr ist der Zweckverband Schwarze Pumpe, dem die Energieunternehmen Energiequelle in Zossen und Enertrag in Dauerthal, beide in Brandenburg, und die Universität Rostock angehören.

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So ähnlich wie ein Pumpspeicher-Kraftwerk

Wasserstoff gehört zu den vielfältigsten Energierohstoffen. Er ist Basis für umweltverträgliche Kraft- und Brennstoffe, kann Elektroautos mit Strom versorgen und eben das Stromnetz stabilisieren. All das soll die Anlage prototypisch leisten. „Im Prinzip funktioniert es wie ein Pumpspeicher-Kraftwerk“, sagt Professor Harald Weber vom Institut für Elektrische Energietechnik der Universität Rostock, der das Projekt wissenschaftlich-technisch begleitet. „Im Unterschied zu vielen anderen Wasserstoff-Projekten ist dieses jedoch darauf angelegt, auch aktiv an der Regelung des elektrischen Energieversorgungs-Systems teilzunehmen“, also an der Frequenzstabilisierung mitzuwirken.

Brennstoffzelle und Turbine

Ein Elektrolyseur im Hybridkraftwerk Prenzlau. Ähnliche Anlagen sollen auch in Spremberg zum Einsatz kommen.

Foto: Enertrag

Bei der sogenannten Rückverstromung, für die 10 % der gesamten Wasserstoff-Leistung von 10 MW verwendet werden, soll sowohl eine Hochleistungs-Brennstoffzelle eingesetzt werden, auf die die Universität Rostock ein Patent hält, als auch eine Turbine mit angeschlossenem Generator, in der Wasserstoff verbrannt wird. Das Energiegas wird in Elektrolyseuren hergestellt, die mit Strom aus neu zu errichtenden nahegelegenen Wind- und Solaranlagen versorgt werden. Das zu realisieren ist die Aufgabe von Enertrag.

Wind: Mehr Kilowattstunden, weniger Generatoren

Netzausbau kann bescheidener ausfallen

Da die Stromnutzung zur Wasserstofferzeugung und die Einspeisung, wenn es im Netz an Strom fehlt, in enger Nachbarschaft geschieht, wird der Ausbau der Stromnetze bescheidener ausfallen können, jedenfalls dann, wenn aus dem Prototypen in Schwarze Pumpe Großanlagen mit bis zu 500 MW werden. Nach den Vorstellungen Webers sollen diese an den Braunkohle-Kraftwerksstandorten Schwarze Pumpe, Boxberg und Jänschwalde entstehen und einen Teil der dortigen Kapazitäten ersetzen.

„Die Energie bleibt also da, wo sie erzeugt wird, und nimmt darüber hinaus auch aktiv an der sogenannten Sektorenkopplung teil“, schwärmt Weber. „Damit könnten dann auch die Sektoren Verkehr und Wärme mitversorgt werden. Unser Systemkonzept soll zudem eine bis zu zwei Wochen andauernde Dunkelflaute überbrücken helfen. Es geht also vor allem auch um Versorgungssicherheit – eines der stärksten Argumente für potenziell ansiedlungswillige Investoren.“

Gesamtinvestitionen von 50 Millionen Euro

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (heute Bundesministerium für Wirtschaft und Klima) hatte bereits 2020 die Bereitstellung von Fördermitteln bestätigt, so dass die Projektgesellschaft in die Umsetzung des Vorhabens eintreten konnte. Die Förderung soll bis zu 30 Mio. € umfassen, bei 50 Mio. €, die das Projekt insgesamt kosten wird. Die Grundsteinlegung für die Anlagen ist für das zweite Halbjahr 2022 vorgesehen. Das Speicherkraftwerk soll dann 2024 in Betrieb genommen werden. Ergänzt wird es von einer Wasserstofftankstelle für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle und einer Abfüllstation für Wasserstofftanks, mit denen externe Nutzer versorgt werden sollen.

„Mit dem Referenzkraftwerk werden wir zeigen, dass die Erzeugung erneuerbaren Stroms verstetigt und die Lausitz Modellregion für erfolgreichen Strukturwandel werden kann“, so Enertrag-Vorstand Gunar Hering.

Von Wolfgang Kempkens