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Künstliche Intelligenz im Angebotsmanagement 28.05.2025, 00:00 Uhr

Eine (noch) ungenutzte Chance?

Schnellere Ausschreibungsidentifikation, fundierte Bid-Entscheidungen und überzeugendere Antworten: Künstlicher Intelligenz kann dabei helfen, zeitintensive Prozesse zu automatisieren und faktenbasierter Entscheidungen schnell zu treffen.

Retrieval Augmented Generation (RAG) reichert LLMs mit externem Wissen wie Datenbanken an. Grafik: Mindbreeze

Retrieval Augmented Generation (RAG) reichert LLMs mit externem Wissen wie Datenbanken an. Grafik: Mindbreeze

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Baubranche grundlegend zu verändern. Ein bekanntes Beispiel ist Building Information Modeling (BIM), bei dem KI bereits komplexe Daten analysiert, präzise Planungen ermöglicht und Bauprozesse effizienter gestaltet.

Ein intelligentes Angebotsmanagement …

Doch ein entscheidender Bereich wird oft übersehen: das Angebotsmanagement. Gerade hier gibt es Potenzial, Prozesse mithilfe generativer KI zu optimieren.

… braucht Datenschutz

Aber warum wird KI in diesem Bereich bisher kaum eingesetzt? Ein Grund dafür sind Bedenken beim Einsatz von KI durch unzureichende Datenschutzmaßnahmen und Unsicherheiten bei der Implementierung. Nicht zu Unrecht, denn viele derzeit verfügbaren KI-Anwendungen, wie etwa ChatGPT, speichern eingegebene und hochgeladene Daten außerhalb der Unternehmensinfrastruktur. Dies widerspricht oft den Compliance-Vorgaben, insbesondere bei sensiblen Projektdaten oder Ausschreibungsunterlagen.

… muss sicher sein

Ein weiteres Risiko im Zusammenhang mit KI sind sogenannte „Halluzinationen“. Dabei handelt es sich um fehlerhafte oder veraltete, KI-generierte Inhalte. Solche Halluzinationen entstehen, da Large Language Models (LLMs) Inhalte auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten erzeugen. Dabei greifen sie auf ihre Trainingsdaten zurück, die möglicherweise veraltet sind, und überprüfen die Richtigkeit der erstellten Inhalte nicht. Dies kann insbesondere bei der Beantwortung von Ausschreibungsfragen problematisch sein, wenn falsche Informationen zu fehlerhaften Entscheidungen führen – mit potenziell schwerwiegenden Konsequenzen.

Retrieval Augmented Generation mit einer Insight Engine als Lösung

Dennoch ist ein Einsatz von generativer KI im Unternehmenskontext möglich – nämlich durch den Technologieansatz „Retrieval Augmented Generation“ (RAG) kombiniert mit einer „Insight Engine“.

Die Insight Engine, eine KI-gestützte Wissensmanagement-Software, spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie extrahiert relevante Fakten aus angebundenen Unternehmensdatenquellen und stellt sie dem LLM inklusive Quellenangaben zur Verfügung und das, ohne dass diese ihren ursprünglichen Speicherort verlassen.

Das LLM formuliert dann aus den bereitgestellten Informationen verständliche Antworten in natürlicher Sprache. Gleichzeitig ermöglicht eine Angabe der Quellen bei generierten Antworten eine einfache Nachvollziehbarkeit und minimiert das Risiko von Halluzinationen – ein entscheidender Faktor für den zuverlässigen Einsatz im Unternehmensumfeld.

Vier Praxisbeispiele von KI im Angebotsprozess

Der Einsatz von generativer KI in Kombination mit einer Insight Engine bietet mehrere Möglichkeiten Prozesse zu optimieren:

1. Durchsuchen von Tenderportalen

Insight Engines durchforsten automatisiert angebundene Ausschreibungsportale, wie das europäische Tenderportal TED, und identifizieren relevante Ausschreibungen für das Unternehmen. Dabei analysiert die Insight Engine vorab die Daten von vergangenen Angeboten und dokumentierten RFPs, um dementsprechend nur jene Ausschreibungen vorzuschlagen, die wirklich für das Unternehmen relevant sind.

2. Erstellung von Anforderungskatalogen

Hat die Insight Engine eine passende Ausschreibung gefunden, extrahiert sie die Anforderungen und übergibt diese dem LLM. Das LLM formuliert daraus einen Requirement-Katalog und erstellt Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger:innen.

3. Fundiertere Bid-/No-Bid-Entscheidung durch KI-generierte 360-Grad-Sichten

Insight Engines erstellen auf Knopfdruck 360-Grad-Sichten auf potenzielle Ausschreibungen. 360-Grad-Sichten konsolidieren Details aus einer vorliegenden Ausschreibung und relevanten artverwandten Projekten sowie internen Dokumentationen. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit Projektexperten zu identifizieren oder gar direkt ein komplettes Projektteam zusammenzustellen.

Außerdem ist es möglich, direkt mit der 360-Grad-Sicht und den darin enthaltenen Dokumenten zu „chatten“. Dabei stellen User:innen Fragen in natürlicher Sprache – ganz wie in einer gewöhnlichen Mensch-zu-Mensch-Interaktion. Je komplexer die Thematik und je umfangreicher die gelisteten Dokumente, desto vorteilhafter die Anwendung.

Über sogenannte Web-Konnektoren lassen sich auch externe Informationen aus dem Internet in 360-Grad-Sichten inkludieren, wie etwa Newsfeeds zu Marktbewegungen.

Mithilfe der 360-Grad-Sichten können Unternehmen so besser und rascher einschätzen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, an Ausschreibungen teilzunehmen oder nicht. Denn Bid-Manager:innen haben mit diesen 360-Grad-Sichten alle wichtigen Informationen auf einen Blick und ersparen sich mühsames Zusammensuchen von Dokumenten und Daten, die für fundierte Bid-/No-Bid-Entscheidungen nötig sind.

Mario Matuschek beschäftigt sich mit der Entwicklung von KI-Tools für geschäftskritische Bereiche. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf Lösungen für das Bid- und Proposal-Management. Als AI Solution Manager bei Mindbreeze unterstützt er mit seiner langjährigen praktischen Erfahrung, insbesondere Bid- und Proposal-Management-Verantwortliche, bei der Einführung von Softwarelösungen, damit sie das volle Potenzial von KI ausschöpfen können.

Tender-Portal mit 360-Grad-Sicht. Grafik: Mindbreeze

4. Entwürfe für Ausschreibungsantworten generieren

Sobald Bid-Manager:innen die Entscheidung zur Teilnahme an einer Ausschreibung getroffen haben, können sie sich mit minimalem Aufwand Entwürfe für finale Ausschreibungsantworten generieren lassen. Die Insight Engine analysiert dafür Informationen aus vergangenen Ausschreibungen, RFP-Dokumenten sowie internen Quellen und stellt diese dem Large Language Model (LLM) zur Verfügung.

Dadurch sparen Bid-Manager:innen wertvolle Zeit und können gegebenenfalls die Antworten noch etwas anpassen oder verbessern. Komplexe Fragen sind so in wesentlich kürzerer Zeit beantwortet – ohne zeitraubende Recherche und langwieriges Ausformulieren der Antworten.

So kann es funkionieren

Die vier Praxisbeispiele zeigen, wie Unternehmen das Potenzial von KI im Angebotsmanagement nutzen können, um Prozesse zu optimieren und um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu steigern. Die Kombination aus einem Large Language Model und einer Insight Engine ermöglicht nicht nur eine deutliche Zeitersparnis bei der Bearbeitung, sondern auch fundiertere Entscheidungen und präzisere Antworten.

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Von Mario Matuschek, Mindbreeze