Wenn Firmen die Insolvenz droht, sind die Geschäftspartner nicht wehrlos
In der Rezession werden immer mehr Unternehmen zahlungsunfähig. Wie sollten sich Unternehmen auf eine mögliche Insolvenz von Geschäftspartnern vorbereiten? Wie können sie rechtliche Spielräume nutzen? Die Rechtsanwältin Alexandra Schluck-Amend, Partnerin der Kanzlei CMS Hasche Sigle, gibt im folgenden Beitrag sieben Handlungsempfehlungen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 10. 7. 09, ps
1. Nur wer zahlt, soll Eigentümer werden: Eigentumsvorbehalt sichern
Ein wirksamer Schutz bei Insolvenz des Vertragspartners ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts. Die gelieferte Ware gehört dem Kunden erst dann, wenn er die Rechnung beglichen hat.
Sofern der Abnehmer die Ware bereits vor Zahlung weiterverarbeitet oder veräußert hat, läuft der Schutz ins Leere. In diesem Fall greift der erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalt: Der Lieferant erhält Teileigentum an dem Produkt und kann seinen Anspruch an den Zahlungen für das Endprodukt geltend machen.
Kritisch wird es, wenn das Geschäft im Ausland abgewickelt wird. Denn das Eigentumsrecht richtet sich immer nach dem Land, in dem sich die Ware befindet. In zahlreichen Ländern ist etwa die Eintragung in ein Register notwendig, um wirksame Sicherungsrechte zu begründen.
2. Wenn Zulieferer insolvent werden: Klare Regelung für Werkzeuge treffen
Nicht nur als Lieferant sondern auch als Auftraggeber sind Unternehmen im Insolvenzfall bedroht. Wenn ein Zulieferer schließen muss, ist das Eigentum an zur Verfügung gestellten oder in Auftrag gegebenen Werkzeugen oft der Kasus knaxus. Hier hilft der Abschluss eines Werkzeugvertrages, der die sofortige Herausgabe regelt. Der Auftraggeber sollte auch einen sogenannten Durchgangserwerb ausschließen, dass der Zulieferer die wiederum von einem Drittpartner hergestellten Werkzeuge vorübergehend erwirbt.
3. Besser heute als morgen: Kündigungsrechte einräumen lassen
Verträge, die hohe Vorleistungspflichten vorsehen, haben ihre Tücken. Denn wer begleicht im Insolvenzfall die erbrachten Vorleistungen? Die gesetzlichen Rechte gewähren keinen hinreichenden Schutz: Weder reichen die gesetzlichen Kündigungsrechte noch hilft die so genannte Unsicherheitseinrede. Mit ihr schützt der Gesetzgeber den Vorleistungspflichtigen: Wenn dieser vermutet, dass sein Geschäftspartner seinen Pflichten nicht nachkommen wird, kann er seinerseits die Leistungen verweigern. Das Problem dabei ist, dass dieser Rechtsschutz meist zu spät kommt. Er wirkt in der Regel erst kurz bevor oder unmittelbar nachdem Insolvenz beantragt worden war.
Tipp: Lassen Sie sich in jedem Fall frühzeitige Kündigungsmöglichkeiten einträumen, wenn Sie mit ihren Kunden die Vereinbarung über Vorleistungen treffen.
4. Mit gehangen mit gefangen: Vorläufiges Insolvenzverfahren
Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet ist, besteht für die Vertragspartner des insolventen Unternehmens erhebliche Rechtsunsicherheit. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist noch nicht berechtigt, über das Schicksal der Verträge zu entscheiden. Alle weiteren Lieferungen und Leistungen im vorläufigen Insolvenzverfahren sind pure Insolvenzforderungen. Etwas anders ist die Lage nur, wenn das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter dazu ermächtigt, so genannte Masseverbindlichkeiten zu begründen. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die Forderungen aus der Insolvenzmasse begleichen darf. Für Lieferanten des insolventen Unternehmens heißt das: Weitere Leistungen sollten nur noch gegen Vorkasse erbracht werden oder durch eine anderweitige Absicherung, wie beispielsweise Sicherheitengewährung.
5. Risiken abwägen: Fortführungsvereinbarung
Der (vorläufige) Insolvenzverwalter versucht in der Regel, die Produktion aufrecht zu erhalten. Hierzu vereinbart er mit den Zulieferern, dass sie Aufträge abwickeln und weiter arbeiten, bis ein Investor gefunden ist. Der Insolvenzverwalter wälzt also die Fortführungskosten auf die Geschäftspartner des insolventen Unternehmens ab. So vermeidet er das Risiko der persönlichen Haftung, weil er einen unrentablen Betrieb fortführt. Gleichzeitig gewinnt er Zeit, um vielleicht doch noch einen Investor zu finden.
Die Vereinbarungen enthalten regelmäßig Verpflichtungen, dass die Kunden ihre Altverbindlichkeiten sofort begleichen, kurzfristigere Zahlungen akzeptieren und auf jedwede Aufrechnung verzichten. Gewährleistungsrechte sind in der Regel eingeschränkt oder ausgeschlossen.
Tipp: Die Geschäftspartner sollten bei Abschluss einer Fortführungsvereinbarung auf eine angemessene Risikoverteilung unter den Beteiligten achten. So kommt es entscheidend auf die Definition des Verlustes und die Aufteilung desselben unter den Beteiligten an. Auch sollte man darauf achten, den Investorenprozess beeinflussen zu dürfen, wenn dieser einschließlich der Beraterkosten durch die Geschäftspartner finanziert wird.
6. Den Letzten beißen die Hunde: Was sich aufrechnen lässt
Wenn ein Unternehmen insolvent wird, stehen seine Lieferanten mit ihren Forderungen zunächst im Regen. Im Vorteil sind in diesem Fall Geschäftspartner, die dem insolventen Unternehmen ihrerseits Zahlungen schulden. Auch im eröffneten Insolvenzverfahren haben sie nämlich die Möglichkeit, Forderungen und Schulden aufzurechnen. Daher der Tipp: Prüfen Sie, ob es Sinn macht, keine Rechnungen mehr zu begleichen, wenn die Insolvenz des Vertragspartners droht.
7. Nichts überstürzen: Schadenersatzforderungen vermeiden
Die Insolvenz eines Unternehmens hat schon oft andere mit in den Abgrund gerissen. In Verträgen kann man manche Risiken abfedern. Ist das Kind in den Brunnen gefallen, ist schnelles Handeln wichtig. Doch Vorsicht: Wer aus Angst vor einer drohenden Insolvenz seine Lieferungen voreilig einstellt, kann beispielsweise im Falle eines Bandstillstands immensen Schadensersatzforderungen ausgesetzt sein. Aktionismus zahlt sich selten aus.
ALEXANDRA SCHLUCK-AMEND
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